Etihad dreht den Geldhahn zu: Wie weiter bei Air Berlin?

Was bisher geschah: die Auswirkungen der Pleite auf die Konkurrenz, die Kunden und die Veranstalter.
Air Berlin

Air Berlin hat gestern beim Amtsgericht Berlin-Charlottenburg einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung gestellt, um die bereits eingeleitete Restrukturierung fortzuführen. Dies ist eine Variante des Insolvenzverfahrens, die auf die Erhaltung und Sanierung des Unternehmens zielt. Damit bleibt das bisherige Management für die Geschicke des Unternehmens verantwortlich. Das nötige Geld, um den Flugbetrieb aufrecht zu erhalten, kommt von der Bundesregierung in Form eines Brückenkredits von vorerst EUR 150 Mio.. Lufthansa gewährleistet derweil, dass die von Air Berlin geleasten Flugzeuge, die aktuell für Eurowings und Austrian Airlines fliegen, wie bisher weiter betrieben werden können.

Air Berlin beschwichtigte verunsicherte Kunden gestern wie folgt:

  • Alle Flüge der Air Berlin und Niki würden weiterhin stattfinden
  • Die Flugpläne blieben gültig
  • Gebuchte Tickets würden ihre Gültigkeit behalten
  • Alle Flüge seien weiterhin buchbar

Etihad zieht die Reissleine
Hintergrund des erfolgten Schrittes ist die Mitteilung von Etihad, dass sie nicht mehr beabsichtigt, Air Berlin finanziell zu unterstützen. 2016 flog Air Berlin einen Verlust von EUR 781,9 Mio. ein, den der Golfcarrier vollumfänglich deckte. Etihad teilte gestern mit, dass sie noch im April zusätzliche EUR 250 Mio. eingeschossen hatte, damit der Restrukturierungsprozess der Air Berlin weitergeführt werden könne. Doch die Situation «verschlechterte sich sich dermassen schnell, sodass die bedeutenden Herausforderungen nicht bewältigt und alternative strategische Optionen nicht umgesetzt werden konnten», rechtfertigt Etihad ihren Sinneswandel.

Erst Anfang Jahr hatte der arabische Geldgeber noch versichert, man stehe «uneingeschränkt» hinter Air Berlin und werde die finanziellen Mittel für die nächsten 18 Monate bereitstellen. Doch durch ihre Beteiligungen an maroden Airlines wie Air Berlin und Alitalia flog Etihad 2016 einen Verlust von USD 1,87 Mia. ein – dies entspricht über USD 5 Mio. Verlust pro Tag. 2015 konnte Etihad noch einen Gewinn von USD 91 Mio. ausweisen. Nun zogen die Verantwortlichen in Abu Dhabi die Reissleine.

Schnappt sich Lufthansa nun die Filet-Stücke?
Die Verhandlungen mit Lufthansa und weiteren Partnern zum Erwerb von Betriebsteilen der Air Berlin seien weit fortgeschritten und würden erfolgsversprechend verlaufen, teilten Air Berlin und Lufthansa gleichzeitig mit. Diese Verhandlungen könnten zeitnah finalisiert werden. Damit biete sich auch die Möglichkeit zur Einstellung von Personal.

Was heisst das im Klartext? Lufthansa-Chef Carsten Spohr hatte zuletzt offen davon gesprochen, weitere Flugzeuge samt Besatzungen von Air Berlin zu übernehmen. Von den von ihm genannten drei Hürden (zu hohe Schulden und Kosten der Air Berlin sowie die Genehmigung des Bundeskartellamts), haben sich vermutlich die ersten beiden Probleme bereits erledigt. Die Lufthansa dürfte neben den Flugzeugen vor allem an den Slots von Air Berlin interessiert sein.

Die Konkurrenz: Beschwerden, Übernahmegelüste und Aktienhöhenflüge
Die ersten Gewinner des Air-Berlin-Desasters standen gestern schnell fest: Die Aktien von Ryanair, Easyjet und Wizzair legten am Dienstag in London bis zu vier Prozent zu. Letztere waren mit GBP 29.14 dabei so teuer wie noch nie. Dass Lufthansa Air Berlin komplett übernehmen könnte, dürfte allerdings kartellrechtlich schwierig sein. Gestern informierte das Bundeskartellamt die EU-Kommission, die nun wohl über die Zukunft von Air Berlin entscheidet. Eine weitere Option wäre, dass Air Berlin zerstückelt und zwischen den Interessenten Lufthansa und Easyjet aufgeteilt wird. Derweil hat Ryanair beim deutschen Bundeskartellamt sowie bei der EU-Wettbewerbskommission eine Beschwerde «über den offensichtlichen Komplott zwischen der deutschen Regierung, Lufthansa und Air Berlin» eingereicht. Das Bundeskartellamt habe die Wettbewerbsregeln der EU wie auch die Bestimmungen zu staatlichen Beihilfen ignoriert – deshalb müsse sich die EU-Kommission einschalten.

In der Schweiz bleibt man – vorerst – gelassen
Die grossen Veranstalter in der Schweiz geben sich gelassen. Die Insolvenz von Air Berlin sei zwar keine gute Nachricht, doch der Flugbetrieb werde ja mittelfristig aufrechterhalten, heisst es unisono. Die Europäische Reiseversicherung ERV vermeldete, sie gewähre nach wie vor Deckung, und der Airline-Insolvenz-Schutz sei weiterhin buchbar. Dennoch kommt die Situation zur Unzeit: Momentan befinden sich alle Veranstalter in den Verhandlungen für die Kontingentsplätze für den Sommerflugplan 2018 – auch mit Air Berlin. Was deren Insolvenz für den Ferienflieger Niki bedeutet, ist zur Zeit ebenfalls noch unklar. (ES)