Carsten Spohr: «Die Grossen werden grösser»

Der Chef der Lufthansa Gruppe ist sich sicher, dass es weitere Übernahmen durch die grossen Airlines geben wird.
Carsten Spohr.

Seit acht Jahren steht Carsten Spohr der Lufthansa-Gruppe mit ihren über 100’000 Angestellten und zehn Airlines vor, zu der auch die Schweizer Töchter Swiss und Edelweiss gehören. Der Chef der Lufthansa-Gruppe nimmt im Interview mit «CH Media» Stellung zur Buchungslage im Zuge des Ukraine-Krieges, den Flugpreisen und wann die Swiss ihre Hilfskredite zurückbezahlen wird.

Laut Spohr hat die Reiselust an sich nicht gelitten, auch nicht während der Pandemie. Es lag an den Möglichkeiten zum Reisen, die über die letzten zwei Jahre sehr stark eingeschränkt waren. «Die Reiselust hat sich aufgestaut, bei manchen Destinationen liegen unsere Buchungen sogar über dem Niveau von 2019 – genau deshalb sehen wir nun starke Aufholeffekte», sagt der LH Group-Chef.

Tickets werden teurer

In Bezug auf die Kerosinpreise und die damit verbundenen Ticketpreise redet Spohr nicht um den heissen Brei herum: «Tickets werden teurer, das ist klar. So, wie auch Benzin, Immobilien, Autos oder Konsumgüter. Beim Fliegen macht das Kerosin nun mal bis zu 30% der Kosten aus. Und zuletzt hat sich der Kerosinpreis verdoppelt. Zu zwei Dritteln haben wir unseren Kerosinbedarf für dieses Jahr preislich abgesichert. Damit verschiebt sich der volle Kostenanstieg für uns etwas nach hinten, aber ja, Fliegen wird teurer.»

Wenn der Ölpreis um USD 10 pro Barrel nach oben geht, steige auch der Ticketpreis im Schnitt um USD 10. Selbst Billigairlines, die sonst ihre Tickets für wenige Euro oder Franken verramschen, hätten zuletzt Preiserhöhungen angekündigt. Aber von Billigtickets hält Spohr sowieso nichts. «Fliegen darf nicht zu billig sein. Nachfrage, die nur über Ramschpreise erzeugt wird, schadet nicht nur der Umwelt, sondern auch dem Image der Branche. Zudem sind solche Tiefstpreise nur mit Anstellungsbedingungen auf unterstem Niveau möglich.»

Erholung mit Hindernissen

Carsten Spohr rechnet bei Privatreisen bereits 2023 mit einer vollständigen Erholung der Buchungen. «Bei Geschäftsreisen bin ich etwas skeptischer. Denn wir haben uns alle an Videokonferenzen gewöhnt. Ob das zukünftig 5, 10 oder 15% weniger Geschäftsreisende bedeutet, lässt sich noch nicht sagen.»

Die Buchungslage erholt sich und der Flugbetrieb wird wieder hochgefahren. Dies bedeutet auch, dass viele Airlines im Moment dringend Personal benötigen. Spohr glaubt indes nicht, dass es für Airlines schwierig wird neue Mitarbeitende zu gewinnen. «Airlines sind nach wie vor attraktive Arbeitgeber. Aber an den Flughäfen und bei Dienstleistern ist der Personalmangel enorm.» Letztes Wochenende seien allein aus diesem Grund eine dreistellige Anzahl von Flügen annulliert worden.

Dazu kommen auch noch Krankheitsfälle. Bald kommt mit den Frühlings- und Sommerferien die Hauptsaison. Dies bereitet Spohr grosse Sorgen. «Viele Flughäfen und Luftfahrtdienstleister mussten in der Krise Kündigungen aussprechen und müssen jetzt wieder neu einstellen. Das ist gerade in sicherheitskritischen Bereichen, wo es Zulassungen von Behörden benötigt, nicht so schnell machbar. Da wurde in der Branche an manchen Orten falsch kalkuliert.»

Stimmung am Boden

Der Frust bei den Airline-Crews ist gross. Carsten Spohr kann das sehr gut nachvollziehen: «Die Zugeständnisse, die wir von unseren Angestellten verlangen mussten, waren enorm gross, da verstehe ich gut, dass einige erschöpft sind

Die Kabinenbesatzungen hatten laut dem LH-Group-Chef in den letzten beiden Jahren enorme Zusatzbelastungen zu ertragen. Das Maskentragen bei körperlicher Arbeit, Passagiere, die kein Verständnis für Regeln zeigen, Quarantäne in ausländischen Hotels mit teils unzumutbaren Zuständen, und, und, und. 

«Aber jetzt setzen wir alles daran, dass sich die Dinge normalisieren. Bei der Swiss stellen wir zum Beispiel wieder neue Mitarbeitende ein.»

Eurowings Discovery und ITA  

Mit der Lancierung der Eurowings Discover und einer möglichen Übernahme der maroden ITA geht man bei der LH Group grosse Risiken ein, vor allem jetzt wo man bei Staaten und Banken massive Schulden hat. Dennoch sieht der Konzern-Chef hier mehr Chancen als Probleme auf sich zukommen.

«Unsere Schweizer Tochterairlines Swiss und Edelweiss sind der beste Beweis dafür, dass eine Mehrmarkenstrategie gut funktioniert. Analog zur Edelweiss wollten wir mit der Eurowings Discover auch in Deutschland eine erfolgreiche Ferien-Airline in unseren Drehkreuzen schaffen. Das ist uns gelungen.»

Aus der ITA könnte laut Spohr gar eine ähnliche Erfolgsstory à la Swiss entstehen. «Auch in Rom schaut man mit sehr viel Respekt in die Schweiz, wo Swiss und Lufthansa eine gemeinsame Erfolgsgeschichte geschrieben haben. Wir gelten damit in der weltweiten Airline-Branche als Vorbild.»

«Italien ist schon heute der wichtigste Auslandsmarkt der Lufthansa-Gruppe nach den USA. Deshalb ist diese Strategie naheliegend», fügt der Lufthansa-Gruppe-Chef an.

Die Grossen werden grösser

Wegen der Covid-Pandemie hat der LH-Konzern etwa EUR 10 Mrd. mehr Schulden, als er ohne Krise gehabt hätte. Die Krise war unglaublich teuer. Deshalb werde die Konsolidierung in der Luftfahrt weitergehen, und einige europäische Airlines werden es nicht schaffen.

«Die verschwinden aber meistens nicht komplett aus dem Markt, deshalb bin ich sicher, dass es weitere Übernahmen durch die grossen Airlines geben wird», sagt Spohr zu «CH Media». Ob auch die Lufthansa an solchen Übernahmen interessiert ist, schlägt er nicht aus. «Darüber sprechen wir, wenn es so weit ist, aber ja, die Grossen werden grösser.»

In der Schweiz konnte sich die Lufthansa-Gruppe zu Beginn der Krise rasch auf den Staat verlassen, der für die Bankkredite der Swiss und Edelweiss bürgte. Spohr ist der Schweizer Regierung für die Unterstützung bei der Rettung der Swiss sehr dankbar: «Sie war typisch schweizerisch: präzise, verlässlich, aber nicht gerade günstig. Aufgrund der hohen Zinsen, die wir für die Bankkredite bezahlen, hoffe ich, dass die Swiss die Kredite bald tilgen kann. Ich gehe davon aus, dass wir das dieses Jahr schaffen.»

Ist die Swiss die Musterschülerin im Konzern?

Nach der Lufthansa-Übernahme hat sich die Swiss zur Cashcow entwickelt. In Bezug auf den Kundenservice hat sie in der Krise aber grosse Mühe bekundet. Kundenrückzahlungen dauerten ewig, genauso wie Anrufe bei der Hotline. Selbst Swiss-Chef Dieter Vranckx sagte, man hITA, ss Airlines weltweit während der Pandemie nicht ihren gewohnten Servicestandard bieten konnten, auch die Lufthansa-Gruppe nicht.

«Das schmerzt uns besonders, weil wir einen Premium-Service anbieten möchten, dem wir zuletzt häufig nicht gerecht werden konnten. Aber wir arbeiten hart daran, dass sich das wieder ändert – das Ziel ist es, dass alle zehn Airlines der LH-Group in ihrem Marktsegment Klassenbeste sind.»

Die Swiss kann noch wachsen

Die Swiss fliegt nur noch mit 85 statt wie zuvor 100 Flugzeugen, inklusive den Maschinen der Partner-Airline Helvetic, da in der Pandemie temporär abgebaut werden musste. 

Laut Spohr sind noch immer fünf A330-Flugzeuge in Jordanien geparkt. «Die werden wir aber zurückholen. Und wir haben 25 Airbus-Neo-Flugzeuge der A320-Familie für die Swiss bestellt. Deshalb ist für mich klar: Die Swiss kann entsprechend ihrer Investitionsfähigkeit weiter wachsen, auch bei der Flotte.»

«Ich bin mir auch sicher, dass, wenn die fünf A330 zurückgeholt werden, die Swiss damit nicht nur ihre Frequenzen an bisherige Destinationen erhöhen wird, sondern auch wieder zusätzliche Ziele aufnehmen wird», fügt der LH-Group-Chef an. (TI)