Zug statt Flug: Was macht nachhaltig Sinn?

An der Fachtagung Zug statt Flug, vom Verein Umverkehr organisiert, diskutierten diverse Fachleute darüber, wie die Mobilität klimaschonend werden kann.
Armin Weber (links), Leiter internationaler Personenverkehr SBB und Christian Sigg, Head of Business Development Swiss.

An der Fachtagung Zug statt Flug, welche vom Verein Umverkehr organisiert worden ist diskutierten diverse Fachleute darüber, wie die Mobilität klimaschonend werden kann. Denn der Flugverkehr ist für einen wachsenden Anteil der menschengemachten Treibhausgasemissionen verantwortlich.

Mit dem Bahnverkehr, insbesondere den Nachtzügen, steht für Strecken bis 1500 Kilometer eine deutlich umweltfreundlichere Alternative zur Verfügung. Viele Topdestinationen ab den Schweizer Flughäfen liegen in bester Nachtzugdistanz.

Doch wie gross ist das Verlagerungspotential von Flug auf Zug? Gibt es noch andere Alternativen zum Fliegen? Können wir künftig gleich Reisen wie heute, nur mit dem Zug oder braucht es auch ein Umdenken in der Tourismusindustrie? Wo ist der Flugverkehr notwendig oder gar unersetzlich? Und wie bringen wir den Flugverkehr auf Klimakurs?

Das waren einige Fragen, die Wissenschaftlerinnen stellten und Politikerinnen sowie Verantwortliche aus der Transportindustrie beantworteten.

Damaris Bertschmann vom Schweizer Forschungs- und Beratungsunternehmung zur nachhaltigen Entwicklung INFRAS bot in ihrem Referat einen Überblick darüber, wie viel in der Schweiz geflogen wird. «Jährlich fliegen 59 Millionen Passagiere von der Schweiz ins Ausland, 8 Prozent davon sind Transferpassagiere.»

Pro Jahr und Person würden jährlich 9000 Kilometer geflogen, 2700 Kilometer lege man mit dem Zug zurück. 3800 Flug-Kilometer würden auf innereuropäischen Strecken zurückgelegt. «Diese Flugkilometer sollten in Zukunft mit der Bahn zurückgelegt werden. Denn Strecken bis 1000 Kilometer machen mit dem Flugzeug überhaupt keinen Sinn.» Wenn diese Flüge auf den Zug verlagert würden, könnte man 54 Prozent der Flüge einsparen.

Die Wissenschaftlerin kritisierte, dass Flug- und Bahnpreise nicht direkt verglichen würden. Ausserdem nenne man bei Flugreisen immer die absolute Flugzeit. Aber dass man zuerst zum Flughafen reisen müsse, lange Check-in- sowie Wartezeiten an der Sicherheitskontrolle in Kauf nehmen müsse, werde gänzlich ausgelassen. «Mit diesen Parametern ist ein direkter Vergleich gar nicht möglich.» Zudem monierte sie, dass die Fliegerei auf verschiedenen Ebenen subventioniert werde und man das kaum zur Kenntnis nehme. Und man gleichzeitig lautstark kritisiere, dass die Bahninfrastruktur von der öffentlichen Hand getragen werde.

Swiss versus SBB

Anschliessend diskutierten Armin Weber, Leiter internationaler Personenverkehr SBB, Christian Sigg, Head of Business Development Swiss, Damaris Bertschmann von INFRAS sowie Viktoria Cologna, Umweltverhaltensforscherin ETH Zürich darüber, wie man den Flugverkehr auf die Schiene bringen kann und wie die Fliegerei umweltfreundlicher gemacht werden könne. Christian Sigg erklärte, dass die Swiss ihre Flotte in den letzten Jahren erneuert habe und dies stetig weiterführe. Diese neuen Flugzeuge seien massiv umweltfreundlicher als alte Modelle. Ausserdem strebe die Swiss an, die Flugzeuge in naher Zukunft mit synthetischem Kerosin zu betreiben.

Armin Weber ist davon überzeugt, dass die Kunden dereinst vermehrt auf den Zug umsteigen werden. «Das ist aber der Klimadiskussion geschuldet. Wir verzeichneten im Jahr 2019 einen Anstieg von 7 Prozent bei den Fernreisen. Der Klimaaspekt wird bei der Wahl des Verkehrsmittels eine immer grösser werdende Rolle spielen.»

«Damit man den Klimazielen wenigstens einigermassen nahekommt, braucht es ein fundamentales Umdenken in der Flugbranche», sagt Damaris Bertschmann. Die tiefen Preise animierten nach wie vor zu sehr zum Fliegen. Dem stimmt Viktoria Cologna bei: «Man sollte wirklich darüber nachdenken, dass grundsätzlich viel zu viel geflogen wird. Ich denke, dass Corona diesbezüglich wenigstens einen positiven Effekt auf die Geschäftsreisen hat. Und Firmen sich in Zukunft zweimal überlegen, ob sie ihre Mitarbeitenden für ein Meeting ins Ausland fliegen lassen.»

Armin Weber und Christian Sigg betonten zum Schluss, dass die Swiss und die SBB keinesfalls Konkurrenten seien. «Wir bauen das Angebot aus, dass man mit dem Zug zu den Flughäfen fährt. Insbesondere die Strecken, die mit dem Flugzeug nicht nachhaltig sind, sollten mit dem Zug zurückgelegt werden», sagte Armin Weber. Beispielsweise wenn man von Zürich nach Frankfurt fahre, um da einen Langstreckenflug anzutreten.

Ist die Flugticketabgabe sozial?

Am Schluss diskutierten Barbara Steinemann, SVP-Nationalrätin aus dem Kanton Zürich, Katja Christ, GLP-Nationalrätin aus dem Kanton Basel-Stadt, Priska Seiler Graf, SP-Nationalrätin aus dem Kanton Zürich und Co-Präsidentin KLUG sowie Franziska Ryser Nationalrätin der Günen aus dem Kanton St. Gallen, darüber, ob die Flugticketabgabe nützlich und sozial sei. Dabei waren sich die Politikerinnen aus den linken Parteien einig, dass die Flugticketabgabe der ganzen Bevölkerung zugutekomme. Zudem sei sie ein willkommener Beitrag für den Umweltschutz.

Barbara Steinemann erwiderte darauf hin, dass Abgaben nur zu Streitigkeiten über die Verteilung führten. «Zudem wählen dann die Leute Flughäfen, an denen keine Steuern erhoben werden.» Ihre politischen Gegnerinnen liessen dies nicht so stehen und führten ins Feld, dass Reisen hierzulande eh schon teurer sei als in den Nachbarländern, dennoch nicht alle ab Deutschland oder Frankreich fliegen.

«Von der Flugticketabgabe profitieren 90 Prozent der Bevölkerung», führt Franziska Ryser ins Feld. Das obwohl nur gerade 3 Prozent der Leute 30 Prozent der Emissionen verursachen. Der ökologische Effekt der Flugticketabgabe sei gut und die Reisenden würde eine solche Steuer auch akzeptieren. Und zudem müsse man sich überlegen, ob wirklich jede Reise nötig sei.

Die Politikerinnen waren sich einig, dass ein Umdenken stattfinden müsse. Und dass man beispielsweise Inlandflüge in der Schweiz verbieten sollte. Für sie ist klar, dass man jetzt die Notbremse ziehen muss, damit die Klimawende geschafft werden kann.

Priska Seiler Graf betonte in ihrem Schlusswort aber, dass ein Rückgang an Flügen keineswegs auf Kosten der flugnahen Betriebe und der Mitarbeitenden in der Flugbranche gehen dürfe. «Diese Leute haben arbeiten sehr oft zu sehr tiefen Löhnen und schlechten Arbeitsbedingungen. Das sind unhaltbare Zustände, die wir ändern müssen.»

(Daniela Oegerli)