2005 wurde in der EU das Emissionshandelssystem (ETS) eingeführt mit dem Ziel, die Treibhausgasemissionen schrittweise zu senken und bis 2050 auf Null zu setzen. Das ETS deckt derzeit rund 45% der Treibhausgasemissionen in der EU ab und – das ist neu und hier relevant – gilt seit 1.1.2024 nebst anderen Bereichen auch für die Schifffahrt.
Was ist das ETS?
Beim ETS geht es vereinfacht gesagt darum, «Verschmutzungsrechte» zu kaufen. Grundlage für das System ist eine (politisch) definierte Obergrenze für die Gesamtmenge an Treibhausgas, die von allen erfassten Anlagen und Industrien erzeugt werden.
Wer CO2 produziert, muss sich dafür die «Erlaubnis» in Form von Zertifikaten erwerben. Wer mehr CO2 produziert, muss Zertifikate nachkaufen, wer weniger produziert, kann Zertifikate verkaufen.
Der Preis pro Tonne CO2 hängt von verschiedenen Faktoren sowie Angebot und Nachfrage ab und kann (wie der Aktienmarkt) stark schwanken. 2023 betrug er gemäss vorliegenden Quellen im Durchschnitt 81 Euro pro Tonne CO2, für dieses Jahr geht man von 94 Euro aus.
Die Einnahmen fliessen zu 25% in einen EU-Investitionsfonds und zu 75% an die Mitgliedsländer, die selbst bestimmen können, für was sie die ETS-Einnahmen verwenden werden. Bedingung ist jedoch, dass mindestens 50% Klima-Schutzmassnahmen zugutekommen.
Wieviel CO2 produziert die Schifffahrt?
Die Treibhausgasemissionen der Schifffahrt schwanken gemäss verschiedenen Quellen zwischen 2% und 3% des globalen, menschgemachten CO2-Austosses. Dies dürften jährlich geschätzt gegen oder über eine Milliarde Tonnen CO2 sein.
Der Anteil der Kreuzfahrt an dieser Zahl ist gering. Gemäss CLIA machen Kreuzfahrtschiffe weniger als 1% der zivilen Schiffe aus. Für die Organisation T&E ist die Kreuzfahrt für rund 1,5% am CO2-Gesamtausstoss der Schifffahrt verantwortlich, im Rahmen von EU-Erhebungen (MRV) ist von rund 2% die Rede.
Anzumerken gilt es, dass die Cruise-Industrie seit längerem mit verschiedenen Massnahmen den CO2-Ausstoss minimiert. Dazu gehören emissionsärmerer Brennstoff (LNG, resp. Erdgas, das allerdings Methanschlupf provoziert), neue Abgasreinigungssysteme, langsamere und kürzere Fahrtstrecken etc.
Wie verläuft die Umsetzung?
Mit der Einbindung der Schifffahrt in das Emissionshandelssystem der EU fallen seit 1.1.2024 alle Fahrten zwischen EU-Häfen zu 100% unter das ETS-Regime, zwischen einem EU-Hafen und einem Dritthafen sind es 50%.
Die Umsetzung erfolgt stufenweise: Für 2024 müssen die Reedereien Zertifikate für 40% ihrer Emissionen erwerben, für 2025 sind es 70% und für 2026 dann 100%. Nebst CO2 sollen ab 2026 auch andere kritische Treibhausgase wie Methan und Lachgas in die Berechnung mit einbezogen werden.
Die Einhaltung des ETS in der Schifffahrt wird durch eine formelle Überwachung, Berichterstattung und Überprüfung (MRV) sichergestellt. Reedereien müssen dazu jährlich einen verifizierten Emissionsbericht erstellen. Werden die Ziele nicht erreicht oder wird gegen andere Vorschriften verstossen, drohen Sanktionen.
Die Folgen für die Kreuzfahrt?
Zur Einschätzung der finanziellen Folgen des ETS für die Kreuzfahrt hat TRAVEL INSIDE bei zwei bedeutenden Reedereien nachgefragt, MSC Cruises und Aida Cruises. Bestimmend für die Kosten ist dabei einerseits die Gesamtmenge an CO2, die eine Reederei ausstösst.
Im Nachhaltigkeitsbericht 2022 von MSC Cruises werden die CO2-Emissionen mit 2,078 Mio. Tonnen angegeben. Bei Aida Cruises, Teil von Carnival Corp., verweist man auf den von Carnival Corp. über alle Marken publizierten Wert von 8,582 Mio. Tonnen, ohne den Aida-Anteil näher zu spezifizieren.
Die ETS-Kosten hängen aber auch direkt vom (künftigen und schwankenden) Preis der Zertifikate ab. Auch deshalb ist eine Einschätzung der absehbaren finanziellen Folgen schwierig. Trotzdem: Wird sich das ETS bald auf die Preise auswirken?
«Einige Reedereien, die im Frachtgeschäft tätig sind, haben gegenüber ihren Kunden die Einführung eines entsprechenden Zuschlags angekündigt. Für die Kreuzfahrtbranche ist uns dies bisher nicht bekannt», heisst es dazu bei Aida.
Und bei MSC Cruises hält man fest: «Es ist nicht davon auszugehen, dass die mit dem EU-ETS verbundenen Kosten an die Kunden weitergegeben werden». Es sei aber noch zu früh, die Kosten müssten erst noch vollständig bewertet werden.
Die Kreuzfahrtindustrie begrüsse die Einbeziehung des maritimen Sektors in den EU-Investitionsfonds als eine Gelegenheit für die Branche, Projekte zu identifizieren, die eine Finanzierung verdienen, erklärt man bei MSC Cruises.
Und bei Aida Cruises unterstreicht man, dass unabhängig von der Einführung des ETS bereits vor Jahren klare CO2-Einsparungsziele festgelegt wurden mit dem Ziel, bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erzielen.
Beat Eichenberger