Wie wichtig ist die Schweiz für Österreich?

Carmen Breuss, Head of Market Schweiz und Frankreich bei Österreich Werbung, im Gespräch mit TRAVEL INSIDE.
Carmen Breuss, Direktorin Österreich Werbung Schweiz ©Stefan Weiss

Im Rahmen der diesjährigen ATB in Wien, traf TRAVEL INSIDE Carmen Breuss, Head of Market Schweiz und Frankreich bei Österreich Werbung, zum Gespräch.

Dabei stand der Schweizer Gast, die Nachhaltigkeit und das Ranking der Schweiz als Quellmarkt im Fokus.


Carmen Breuss, wie haben Sie die Stimmung an der ATB, der grössten österreichischen Tourismusfachmesse, empfunden?

Ich finde, die ATB 2023 war geprägt von einer sehr positiven Stimmung, und zwar sowohl von der Aussteller- wie auch von der Besucherseite. Es herrschte ein entspanntes, positives und konstruktives Ambiente.

Man hat einerseits gemerkt, dass die Menschen sich freuen, sich wieder persönlich zu treffen und auf der anderen Seite war auch, was das Geschäft betrifft, eine richtig positive Stimmung zu spüren. Die Gespräche unter den direkt Beteiligten waren konstruktiv und gezielt.

Die Einkäufer wussten von Anfang an, was sie wollten. Sie sind mit konkreten Anliegen gekommen und waren sehr froh, dass sie kompetente Ansprechpartner auf der anderen Seite hatten. Es war kein Geplänkel, sondern es ging ganz konkret ums Geschäft und es war auch die Bereitschaft da, Geschäfte abzuschliessen.

Wie viele Aussteller und Besucher haben letzlich an der diesjährigen ATB teilgenommen?

Wir hatten 350 internationale Besucher und 240 Aussteller aus Österreich, die sich in Wien getroffen haben. Auch eine Delegation von rund 12 Schweizer Teilnehmenden war dabei.

Sie sind ja für die Schweiz und für Frankreich zuständig. Wie ist es für Sie, diese zwei Märkte zu betreuen?

Es ist nicht das erste Mal, dass ich in mehreren Märkten tätig bin. Ich war immer in der Schweiz stationiert, hatte aber eine Weile auch die Verantwortung für 9 Länder in Zentral- und Osteuropa. Danach war ich mehrere Jahre für die DACH Region zuständig. 2022 haben wir eine Neustrukturierung vorgenommen und sind von einer Regionsverantwortung zurück in eine Länderverantwortung übergegangen.

Wir haben insgesamt 14 Kernmärkte und bearbeiten darüber hinaus sogenannte Aktivmärkte und Potentialmärkte. Im Normalfall ist pro Kernmarkt ein Head of Market verantwortlich. Es gibt eine Ausnahme, das bin ich. Ich habe zwei Kernmärkte, die ich verantworte und das sind die Schweiz und Frankreich.

Dies sind zwei unterschiedliche Märkte, trotzdem gibt es Synergien, die wir nutzen können. Dies ist auch eines der Ziele, das wir verfolgen. Wir versuchen die Kompetenzen innerhalb der Österreich Werbung und der jeweiligen lokalen Büros länderübergreifend zu nutzen.

Wie schaut es mit den Synergien aus?

Auch zwischen den Teams in Paris und Zürich versuche ich Synergien zu nutzen. Wir haben die französische Sprache als Gemeinsamkeit, da können wir vom französischen Markt einiges für die Romandie übernehmen. Da die Märkte trotzdem unterschiedlich sind, auch in ihrer Bedeutung als Quellmärkte, setzen wir teilweise andere Schwerpunkte in der Kommunikation. Frankreich generiert zum Beispiel weniger Gäste in Richtung Österreich als die Schweiz, ist aber stark im Kulturbereich.

Diese zwei Märkte zu betreuen und im Marketing die passenden Schwerpunkte zu setzen finde ich für mich persönlich immer wieder eine interessante Herausforderung.

Wie wichtig ist die Schweiz als Quellmarkt für Österreich?

Im Jahr 2022 war die Schweiz für Österreich der dritt wichtigste Auslandsmarkt. Wir waren das auch in den letzten Jahren. Jetzt müssen wir aber aufpassen, denn es gibt doch Länder, die uns sehr stark folgen und sehr knapp auf sind, die sich schneller in Richtung Vor-Pandemie Zahlen erholt haben als die Gäste aus der Schweiz.

Im Jahr 2022 war die Schweiz mit 3,7 Millionen Nächtigungen in Österreich an der dritten Stelle und Frankreich mit 1,379 Millionen auf dem 12. Platz.

Es gibt eine Differenz zwischen den zwei Märkten, die ich betreue. Frankreich hat einen sehr hohen Inlandsreisen-Anteil, auch bedingt durch ein breites Angebot, was den Tourismus im eigenen Land fördert. Die Anzahl Auslandsreisen aus der Schweiz sind im Verhältnis wesentlich höher als die aus Frankreich. Zudem ist die Wertschöpfung beim Schweizer Gast sehr gut.

Die Schweiz stand 2022, wie Sie erwähnten, im Ranking an dritter Stelle. Wie sind die Aussichten für die kommenden Jahre?

Die Schweiz hinkt den Vor-Pandemischen-Zahlen momentan noch um rund 20% nach. Ich sehe verschiedene Gründe dafür.

Erstens hat der Schweizer Gast während der Corona-Zeit viele Inlandsferien verbracht und wir haben doch, mit wenigen Ausnahmen, ein relativ ähnliches Angebot wie die Schweiz: also Berge und Seen.

Zudem sieht man momentan den Trend der Schweizer*innen in Richtung der Mittelmeer-Destinationen und ans Meer. Das können wir nicht bieten. Fernreisen sind auch vermehrt wieder möglich, da ist ein natürlicher Nachholbedarf einfach gegeben.

Wir müssen jetzt geduldiger sein und die Schweizer ihren Bedürfnissen folgen lassen. Die Zahlen werden von Monat zu Monat besser. Ich glaube, dass wir mit einem sehr guten Angebot und einem soliden Preis/Leistungsverhältnis punkten können.

Das Thema Nachhaltigkeit wurde an der ATB gross geschrieben. Wie wichtig ist Nachhaltigkeit, um Schweizer Reisenden anzuziehen?

Laut der Studie der NIT – Institut für Tourismus- und Bäderforschung in Nordeuropa GmbH ist für 59% der Schweizer das Thema Nachhaltigkeit bei der Reiseentscheidung entweder ausschlaggebend oder zumindest ein Aspekt. Bei denjenigen die eine Österreich-Reise planen, ist der Prozentsatz sogar um fast 10 Prozentpunkte (68%) höher.

Nachhaltigkeit wird in Österreich in grossen Teilen schon gut gelebt und wir haben viele Betriebe, die auf Nachhaltigkeit grossen Wert legen. Wir haben auch Nachhaltigkeit in der Hotellerie, zum Beispiel bei Neubauten. Dort haben wir grosse Projekte, die bereits umgesetzt wurden. Ich denke da unter anderem an die neue Therme in Ischgl im Energiebereich.

Es geht auch darum zu zeigen, dass wir sehr viele nachhaltige Produkte bereits in unserem Angebot haben. Wir haben in Österreich einen Anteil von 27% biologischer Landwirtschaft. Das wird von den Schweizer Gästen unheimlich geschätzt.

Wie steht es eigentlich mit den Bahnreisen nach und in Österreich?

Wo wir als Österreich Werbung seit vielen Jahren einen Fokus legen, ist die Anreise mit der Bahn. Wir haben starke Kooperationen mit den Bahnen und kommunizieren bei unseren Aktivitäten immer die Anreise mit der Bahn.

Die SBB vertritt die ÖBB in der Schweiz und wir haben immer wieder gemeinsam Kampagnen und Aktivitäten. Wir haben mit dem Railjet eine gute Verbindung alle 2 Stunden nach Österreich und wir haben Nachtverbindungen mit dem Nightjet nach Wien und nach Graz.

Wir freuen uns, wenn beim Nightjet die neuen Wagen geliefert werden. Die sollen ganz toll sein. Die Nachfrage nach Nachtzügen ist momentan gross und die Lieferzeiten bei neuen Waggons sind sehr lange. Die ersten der 33 bestellten neuen Wagen werden noch 2023 geliefert. Diese sollen auf der Nord-Süd-Strecke eingesetzt werden.

Es wird mit Hinblick auf die Mobilität momentan in Österreich viel getan. Wir sind uns aber bewusst, dass es das öffentliche Verkehrsnetz im ländlichen Raum immer noch nicht mit dem der Schweiz aufnehmen kann. Die Schweiz ist natürlich top top top. Wir sind aber auf einem guten Weg.

Grundsätzlich haben wir auch einige sehr gute Beispiele wie Nachhaltigkeit – man muss ja die verschiedenen Faktoren von Nachhaltigkeit berücksichtigen – gelebt werden, wo es jetzt noch darum geht, wie kommunizieren wir das gesammelt nach Aussen?

Österreich Werbung hat eine Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt. Andere Länder sind teils weiter, aber es ist ein Ziel, Nachhaltigkeit auch entsprechend in die Kommunikation einzubauen. Wobei uns sehr wichtig ist, dass es nicht als Greenwashing wahrgenommen wird, sondern dass dass alles sehr fundiert ist. Da werden wir, glaube ich, in nächster Zeit einiges aufbereiten.

Was ist Ihr Österreich Geheimtipp?

Österreich ist facettenreich und hat wirklich viele schöne Orte.

Ganz reizend, ist Graz. Graz ist die zweitgrösste Stadt Österreichs, nach Wien, und hat eine wunderbare mittelalterliche Altstadt.

Von der Schweiz aus ist Graz direkt angebunden – mit Flug und mit Zug, wie man möchte – und ist einfach zu erreichen. Die Stadt hat so eine unheimlich tolle Atmosphäre. Sie ist etwas vom Mittelmeer beeinflusst, ist voller Lebensfreude, voller Genuss.

Graz war 2003 Kulturhauptstadt und hat dementsprechend kulturell Einiges zu bieten. Es ist eine offene Stadt, die auch über eine hervorragende Hotellerie verfügt.

Graz kombiniert mit der südlichen Umgebung, zum Beispiel mit der Südsteirischen Weinstrasse, das finde ich ein von Schweizer*innen noch unentdecktes Gebiet in Österreich, das einfach wunderbar ist.

Es hat eine traumhafte Landschaft und es gibt gemütliche Orte, wo man sich bei einem Glas Wein zusammensetzen und einfach sein kann. Wenn das Wetter im Herbst angenehm lau ist, ist das ein kitschig-schönes Erlebnis inmitten einer wunderbaren, herbstlichen Weinlandschaft.

Chloé Weilenmann, Wien