«Zwei Verlustjahre und eine emotional schwierige Zeit»

Stephan Frei, Geschäftsführer von Mittelthurgau, blickt im Gespräch mit TRAVEL INSIDE zurück auf die Corona-Krise und voraus auf die anstehende Saison.
Stephan Frei im Hauptsitz in Weinfelden. © BE

Stephan Frei, auch die Flussfahrt hat zwei äusserst schwierige Jahre hinter sich. Wie hat das Reisebüro Mittelthurgau diese gemeistert?
Der Blick zurück muss bereits das Jahr 2018 streifen: Die extreme Trockenheit führte auf dem Rhein zu Niedrigwasser, was Umroutungen und Umbuchungen zur Folge hatte und somit auch Umsatzeinbussen. Das Jahr 2019 gehörte dann zum besten in unserer Firmengeschichte, und auch die Perspektiven für das Jahr 2020 waren in der Vorschau und gemäss Buchungseingang sehr positiv. Doch dann kam der Paukenschlag.

Corona führte im März 2020 zu Lockdowns und Grenzschliessungen. Wie mussten Sie reagieren?
Wir sahen uns gezwungen, im Monatsrhythmus Reisen abzusagen und den Saisonstart zu verschieben – eine äusserst fordernde und arbeitsintensive Zeit. Im Sommer konnten wir dann mit ersten Fahrten loslegen, mussten die Saison aber bereits im Oktober wegen der herrschenden Unwägbarkeiten wieder abbrechen. Unsere Saison 2020 beschränkte sich deshalb gerade mal auf gut drei Monate.

Was war die grösste Herausforderung für die Wiederaufnahme des Betriebs?
Unser Hauptfokus liegt auf unserem eigenen Excellence-Produkt, daneben noch auf einigen ergänzenden Vollchartern. Wir standen vor der Herausforderung, unter den schwierigen und dynamischen Einreise- und Quarantäne-Bestimmungen sowie des Gesundheitsschutzes den Gästen ein erlebnisreiches, sicheres und erholsames Excellence-Produkt zu bieten.

Es war uns klar: Wenn wir das nicht hinkriegen, entsteht neben dem wirtschaftlichen Schaden zusätzlich ein Reputationsschaden. Da war enorm viel Flexibilität und Improvisation gefragt, aber letztlich haben wir es gut hingekriegt.

Konnten Sie schliesslich in der kurzen Saison das gesamte Programm durchziehen?
Die Excellence-Schiffe waren mit Ausnahme der Excellence Katharina in Russland alle im Einsatz. Gefragt waren vor allem die Nachbarländer. Aber je weiter von der Schweiz entfernt, desto geringer war die Nachfrage. Deutschland mit Rhein und Mosel, die Niederlande, Frankreich mit Rhône und Seine und der Donauklassiker kamen am schnellsten wieder in Gang.

Die grössten Schwierigkeiten hatten wir wegen unterschiedlicher Regelungen in acht Ländern mit der grossen Donautour bis ans Schwarze Meer. Wir haben aber die Zeit genutzt, ein neues Schweiz-Programm auf die Beine zu stellen, das erstaunlich gut ankam. Es zeigte sich, dass unter der Marke Mittelthurgau auch andere Reiseformeln verkaufbar sind.

Wie sah schliesslich die wirtschaftliche Seite für das erste Coronajahr 2020 aus?
Auf Kostenseiten fielen natürlich enorme Vorleistungen an Partner und für die Katalogproduktion, Mailings und Inserate an. Und wir investierten mit einer Gratis- Coronaversicherung, grosszügigen Umbuchungsrabatten und kurzfristigen Annullationsbedingungen auch in die Kundenbindung, was uns ein sehr wichtiges Anliegen war. Dies alles wirkte sich natürlich negativ auf das Resultat aus. Letztlich mussten wir in dieser kurzen Saison 2020 ein Umsatzminus von 85 Prozent gegenüber dem Vorjahr 2019 hinnehmen.

Dann entpuppte sich auch das Jahr 2021 nochmals als sehr schwierig.
Der letztjährige Saisonstart verzögerte sich erneut auf Juni und Juli. In Deutschland und Österreich sorgte im Sommer zudem das Hochwasser für Schwierigkeiten. Zum Glück konnten wir im November noch das Excellence Gourmetfestival durchführen, danach mussten wird wegen Omikron viele Adventsfahrten absagen. So ergab sich für uns eine fünfmonatige Saison und ein Umsatzminus in der Höhe von rund 65 Prozent im Vergleich zu 2019.

Ein positives Merkmal der Krise war immerhin, dass wir auch jüngere Neukunden gewinnen konnten, da viele Übersee-Reisen kaum möglich waren. Daran arbeiten wir ja seit Jahren: Excellence-Flussreisen zeitgemäss und so auch für ein jüngeres Publikum attraktiv zu gestalten.

Flussfahrten konnten ja nur mit entsprechenden Schutzmassnahmen durchgeführt werden. Was hiess das für Mittelthurgau?
In Zusammenarbeit mit Fachleuten haben wir im Frühling 2020 umgehend ein detailliertes Excellence-Schutzprogramm entwickelt, das seither immer weiter optimiert wird. Wir wollen wirksame Massnahmen ergreifen und keine Alibiübung machen. Unsere Schiffe waren während der Corona-Phase mit einer maximalen Auslastung von nur 75 Prozent unterwegs. Weitere Massnahmen sind Wärmebildkameras an der Gangway und natürlich die Tests.

Vor allem aber haben wir auf allen Excellence-Schiffen in eine neuartige Clean Air Ionisierungstechnologie investiert, ein System, das die Luft von virentragenden Aerosolen befreit und erheblich wirksamer ist als gängige Filtersysteme. Dieser Infektionsschutz, den man inzwischen auch in Spitälern, Baumärkten oder Schulen einsetzt, hat sich hervorragend bewährt und stärkt das Vertrauen unserer Kunden. Auch die Busse von Twerenbold verfügen übrigens über ein solches System.

Gab es bisher Corona-Fälle auf den Excellence-Schiffen?
Wir hatten wenige Einzelfälle, die man an einer Hand abzählen kann, konnten aber Ketten und Ausbreitungen verhindern. Gegenwärtig gilt für alle Kunden weiterhin 2G, und unsere vollständig geimpfte Crew wird alle 48 Stunden getestet.

Welche Folgen hatte Corona am Hauptsitz? Mussten Mitarbeitende entlassen werden?
Wir blicken nun auf zwei bittere Verlustjahre und auch auf eine emotional schwierige Zeit zurück. Dank der Kurzarbeitszeitregelung konnten wir aber alle 50 Arbeitsplätze in Weinfelden halten. Wir nutzten die Zeit auch für interne Schulungen und vor allem für die Weiterentwicklung der Marke. Dies äussert sich nun etwa mit einem neuen Ausflugskonzept und einem weiter ausgebauten Angebot an Themenreisen. Seit September 2021 ist unser Team wieder zu hundert Prozent zurück im Büro. Natürlich waren auch wir auf die Härtefallgelder angewiesen, auch wenn diese den Verlust der beiden Coronajahre nicht wettmachen können.

Welchen Einfluss hat Corona auf die Vertriebsstruktur?
Wir pflegen mit den drei grossen Veranstaltern Kuoni, Hotelplan und TUI wie mit unabhängigen Reisebüros eine partnerschaftliche Kooperation, die unser Key Account Manager Daniel Fuog ständig weiter ausbaut. Mit Hotelplan wurde diese Zusammenarbeit jetzt noch mit einem speziellen Katalog intensiviert. Der Retail-Anteil lag vor Corona bei 15 Prozent, brach aber in den letzten zwei Corona-Saisons leider ein.

Aber wir werden weiter in den Retail-Kanal investieren. Dazu gehören etwa Kundenabende, Incentives, oder Studienreisen. Leider sind Flussreisen auch am Counter noch immer zu wenig bekannt und viele potenzielle Kundinnen und Kunden haben eine falsche Vorstellung davon. Das Image mit einem ausgesprochenen Qualitätsprodukt und innovativen neuen Ideen korrekt zu positionieren, ist eine permanente und wichtige Aufgabe für uns.

Noch kurz zu den oft kritisierten Arbeitsbedingungen auf Flussschiffen: Im letzten Herbst deckte eine Arbeitskontrolle der holländischen Behörden Unregelmässigkeiten auf Flussschiffen auf. Waren da auch Excellence-Schiffe betroffen?
Nein. Wir nehmen unsere Verantwortung seit jeher als nachhaltig handelndes Familienunternehmen wahr, und zwar auch bezüglich der Mitarbeitenden. Auf unseren Schiffen, die mit Ausnahme der Excellence Empress mit Seachefs, von RiverAdvice gemanagt werden, sorgen wir für durchgehend fortschrittliche und attraktive Arbeitsbedingungen. Dazu gehören etwa eine überdurchschnittliche Entlöhnung, die konsequente Abgeltung oder Kompensation sämtlicher Überzeiten oder eine grosszügige Freizeitregelung, die auf den meisten Flüssen nach vier Wochen Arbeit zwei Wochen Ferien beinhaltet.

Wir sind bestrebt, gute Leute an Bord zu halten. Dafür muss man aber ein gutes Arbeitsklima und faire Bedingungen liefern. Wir schaffen das ganz gut, was unsere vergleichbar tiefe Fluktuationsrate beweist. Manche unserer Crewmitglieder kennen unsere Stammgäste seit der Gründung von Excellence.

(Interview: Beat Eichenberger)


Den zweiten Teil des Interviews mit Stephan Frei finden Sie hier.