«Das Ohr am Markt ist extrem wichtig»

    Seit dem 1. Juli ist Olaf Nink Chef von Allianz Partners Schweiz. Zuvor war er über 20 Jahre bei Allianz in Deutschland. Hier äussert er sich erstmals über seine Ziele im neuen Job.
    Kommt aus München und freut sich auf die Schweiz: Olaf Nink.

    Herr Nink, sind noch neu in der Schweiz. Wissen Sie schon, dass Schweizer Ferien machen und nicht wie Ihre deutschen Landsleute in Urlaub fahren?

    Ja natürlich, seit der Reisestudie weiss ich das. Ich weiss auch, dass die Schweiz bei der Anzahl von Feiertagen das Schlusslicht ist – und vor ein paar Jahren gar gegen 6 Wochen Ferien ein Nein abgestimmt hat. «Von nichts kommt nichts» – dafür bewundere ich die Schweizer

    Was ist für einen Reiseversicherer wie Sie sonst noch anders in der Schweiz?

    Natürlich auch die Grösse des Marktes kombiniert mit der geographische Unterteilung in vier verschiedene Landessprachen. Da war es in Deutschland mit einer Landessprache schon ein bisschen einfacher. Auch das immer wieder prognostizierte Reisebürosterben hat sich abgeschwächt – heute würde ich sogar eher von einer Reisebüro Renaissance der letzten paar Jahre sprechen. Natürlich gilt das nur für die Büros, die sich zukunftsfit gemacht haben und die online und offline Welt bestmöglich miteinander verbinden.

    Das gilt natürlich auch für uns Reiseversicherer. Ohne Investitionen in die Zukunft – sprich Digitalisierung – werden wir im Markt nicht bestehen können. Nun ist es aber für kleinere Einheiten wie uns hier in der Schweiz äusserst schwierig im margenschwachen Touristikumfeld grössere Investitionen zu stemmen. Da haben wir das Glück Teil einer grossen internationalen Gruppe mit einem Gesamtumsatz im Segment Reise von deutlich über CHF 1 Mia. zu sein. Als  Marktführer  wollen wir hier in der Schweiz zukünftig stärker von den Investitionen und Innovationen profitieren – ohne allerdings unsere lokale Präsenz im Schweizer Markt zu vernachlässigen.

    Wie ist das Risikobewusstsein der Schweizer Reisenden im Vergleich mit den Deutschen?

    Ich denke nicht, dass es da grosse Unterschiede gibt. In Deutschland stehen Gesundheitsrisiken an erster Stelle, wie es einschlägige Marktstudien aufzeigen. Jeder zweite Deutsche befürchtet auf einer Auslandsreise zu erkranken. Auch in unserer Studie, die das Reiseverhalten der Schweizerinnen und Schweizer untersucht, rangieren Ängste vor Krankheit und Unfall sehr weit oben.
    Das Risikoempfinden ist wohl eher eine sehr individuelle Sache und weniger eine Frage der Nationalität. Risiko definiert jeder für sich, je nach finanzieller Beschaffenheit und Vermögen, anders. Evident ist, dass medizinische Risiken bei einer Reise um ein vielfaches häufiger auftreten als irgendwelche sicherheitsrelevante Risiken.

    Welche Reiseversicherung wird in der Schweiz am häufigsten abgeschlossen?

    Die Annulierungskosten-Versicherung ist mit Abstand die häufigste.

    Ist das auch die wichtigste, oder gibt’s andere, die eigentlich nützlicher wären?

    Die Annulierungskosten-Versicherung sichert ja das finanzielle Risiko in Höhe des versicherten Reisepreises im Fall, dass man aufgrund einer Krankheit (mehr als 90% der Fälle), eines Unfalles oder anderer versicherter Gründe die Reise nicht antreten kann. Das hier abgesicherte finanzielle Risiko ist natürlich deutlich niedriger als für den Fall, dass während des Urlaubes etwas passiert – ein Krankenrücktransport kann leicht Kosten von CHF 10’000 überschreiten und je nach Land und  Fall auch in sechsstellige Höhen gehen – also durchaus existenziell bedrohlich sein.

    Also unbedingt empfehlenswert ist eine Kombination aus Annullierung (Sicherheit vor der Reise) und Assistance (Sicherheit während der Reise) um ein wirklich gutes Gefühl zu haben.

    Die Wichtigkeit einer Reiseversicherung ist im grossen Nachbarskanton sogar gesetzlich festgehalten. Reisebüros sind dazu verpflichtet den Kunden beim Reiseabschluss über die Möglichkeiten eines Reiseversicherungsabschlusses (Annullierungs- und Rückführungsversicherung/Assistance) zu informieren.

    Welche Art von Reiseversicherung wird am häufigsten benötigt?

    Im Annulierungs- als auch Assistancefall sind Gesundheitsprobleme die primären Auslöser. Hier gibt es natürlich starke Schwankungen in der Häufigkeit  der Nutzung der Versicherung. Grosse Abhängigkeiten bestehen zum Bsp. In Bezug auf den Vertriebskanal und natürlich das Alter der jeweiligen Zielgruppe.

    Und welche ist letztlich nicht so wichtig?

    Annulierungs- und Assistanceversicherungen sind wohl die wichtigsten. Assistance ist sogar ein absolutes Muss. Natürlich, wie oben gesagt bringt aber jeder sein eigenes Risikobewusstsein mit ein. Problematisch ist dabei allerdings manchmal, dass noch Informationsdefizite – wie die Studie belegt hat – herrschen in Bezug auf die drohenden Risiken und die Auswirkungen, wenn kein Versicherungsschutz besteht.

    Wenn jemand das ganze Jahr auf seine wohlverdienten Ferien sparen musste und dann aufgrund Krankheit doch nicht reisen kann, ist er natürlich sehr froh, wenn er rechtzeitig mit der Buchung auch eine Annulierungsversicherung abgeschlossen hat, die die Kosten übernimmt.

    Wenn der Fall aber eintritt, dass er während der Reise erkrankt oder verunfallt und keine Assistance-Versicherung abgeschlossen hat, dann kann das schnell (wie bereits oben erwähnt) einen sechsstelligen Betrag kosten.

    Airline-Pleiten kosten Reisebüros, TOs und Reisende selber viel Geld und Nerven. Braucht es eine Airline-Insolvenz-Versicherung, und falls ja, möchten Sie eine solche anbieten?

    Aus Verbrauchersicht ist es nicht nachvollziehbar, dass ein Tour Operator eine Insolvenz-Versicherung nachweisen muss und Airlines nicht. 

    Ein entsprechendes Versicherungsangebot ist sicherlich vorstellbar – erstrebenswert wäre aber meines Erachtens vor allem eine Branchenlösung wie sie auch immer mal wieder – nicht nur in der Schweiz – in der Diskussion war.

    Und eine Schlechtwetter-Versicherung?

    Das ist ein interessantes Thema aber u.a. auch aus aufsichtsrechtlicher Sicht teilweise umstritten. Es ist hier nicht zweifelsfrei davon auszugehen, dass eine solche Deckung als Versicherung klassifiziert werden kann. Meines Erachtens hätte hier der Veranstalter Spielraum, dem Kunden bei Schlechtwetter und/oder Schneemangel in geeigneter Form entgegen zu kommen.

    Oder eine Verspätungs-Versicherung?

    Solche Angebote gibt es schon von uns. Hier denken wir aber einen Schritt weiter als Versicherung. Wir arbeiten an Konzepten, die dem Kunden einen WOW-Effekt verschaffen können – der Kunde erhält z.B. im Verspätungsfall eine Entschädigung von uns, bevor er überhaupt einen Schaden eingereicht hat. Wir nennen das «Proactive Claims»-Management

    Ihr Start in der Schweiz hat mit einem Tiefschlag angefangen, DER Touristik Schweiz wechselt von der Allianz zur ERV. Wie schmerzlich ist das, wie viel verlieren Sie?

    Natürlich ist das schmerzhaft. Jeder Kundenverlust tut weh – insbesondere wenn die Qualität als sehr gut wahrgenommen und geschätzt wurde. Das zeigt aber auch, dass der Wettbewerbsdruck weiter zunimmt – ein Szenario, das ich aus dem dt. Markt bereits sehr gut kenne. Wir Reiseversicherer sehen seit Jahren steigende Schadenaufwände – nicht zuletzt aufgrund der demographischen Entwicklung bei gleichbleibenden oder sogar steigenden Provisionen. Gleichzeitig entsteht auf der Kostenseite Druck durch Investitionen in Digitalisierung und in die IT zur Erfüllung steigender regulatorischer Anforderungen – z.B. Datenschutz. Klar ist, dass wir bei den Provisionen – die heute schon exorbitant hoch sind – am Ende der Fahnenstange angekommen sind. Wir müssen beim Kunden durch Qualität und Innovation punkten – nur so können wir uns im Markt weiter entwickeln und Erträge erzielen.

    Wie und wo werden Sie den Ausfall kompensieren?

    Wir sind eingebettet in einen Gruppe, die im Segment Travel mehr als 1 Mrd. CHF umsetzt und werden sicherlich auch in der Schweiz über kurz oder lang wieder auf Wachstumskurs gehen. Das Wachstum muss aber profitabel sein.

    Müssen Sie das Travel-Verkaufsteam wieder vergrössern?

    Ich halte Präsenz in den lokalen Märkten für extrem wichtig – das  Ohr am Markt sozusagen. Das ist unabdingbar um die Bedürfnisse und Entwicklungen rechtzeitig zu erkennen. Ganz explizit halte ich dabei auch einen Aussendienst als anstrebenswert.

    Und mit speziellen Incentives zu den Retailern gehen

    Wir wollen in erster Linie Partnerschaften. Wie es unser Name bereits sagt (Allianz Partners). Das bedeutet, dass wir mit Kompetenz und Qualität überzeugen. Jeder soll sich auf den anderen verlassen können – an kurzfristigen Abenteuern, bei denen es nur um das Ausreizen der max. Provisionshöhe geht, haben wir kein Interesse.

    (CM)