Legal Matters: Microdurchklickpauschalreisenunrecht

Die Reiserecht-Kolumne von Dr. iur. Peter Krepper, Rechtsanwalt und Mediator.
Peter Krepper ©zVg

Die Corona-Pandemie scheint sich dem Ende zuzuneigen. Die Reiselust ist ungebrochen. Die Buchungen nehmen wieder zu. Wir atmen auf, Welt wir kommen, wieder, endlich. In rechtlicher Hinsicht ist das der Moment, unser Pauschalreisegesetz zu thematisieren:

Das PauRG wurde nach dem EWR-Nein 1992 bekanntlich im sog. autonomen Nachvollzug erlassen – eilig und schludrig wie eine missliebige Strafaufgabe, löchrig wie ein Emmentaler Käse und in manchem für die Reisebranche unpassend wie der Schuh vom Aschenputtel.

Beispiele: Oft bleibt damit unklar, ob eine Mehrheit an Reisedienstleistungen als Pauschalreise gilt; ob ein Reisebüro damit ungewollt zum TO geworden ist; was gilt, wenn der Konsument das Gebuchte vor Reiseantritt storniert; was gilt, wenn der TO es tun muss (?), weil in Zeiten der Pandemie behördliche Reiseverbote verhängt worden sind; usw.

Vom letzteren Fall hatten wir es hier schon. M. E. hat der Gesetzgeber ihn nicht mitbedacht und geregelt, auch da es sich in solchen Fällen nicht um «normale» höhere Gewalt handelt (man könnte reisen, darf es aber nicht). Zwar könnten die Gerichte, statt unlimitiert zur Rückerstattung von Kundengeld nach PauRG zu verknurren, ausgleichende Gerechtigkeit für die Reisebüros etwa mittels «clausula rebus sic stantibus» schaffen. Doch das ist Juristenfutter.

Nun, nach der Pandemie ist, hoffentlich nicht (!), vor der Pandemie oder jedenfalls vor der nächsten Krise in Sachen Reisen-Können (Stichwort Vulkanausbruch, Überschwemmung, Bürgerkrieg). So ist zu fragen: Braucht es das PauRG überhaupt noch? Die Vormacht von Pauschalreise-TO der 80-er-Jahre hat sich mit z.B. Durchklick-Buchungen faktisch längst auf Seite Konsument verschoben. Schützt das PauRG Reisebüros, die Micro-Touroperating betreiben, danach zumindest vor einer untragbaren Haftung?

Viele Reisebüros vermögen nicht, die fernen Leistungsträger bei Reisemängeln wirksam zur Ordnung zu rufen. Und auch die pragmatische Praxis hat einen hohen Preis: Ein Konsument wollte die Afrikareise für CHF 50’000 ob der Impf- und Zertifikatspflicht nicht mehr antreten und verlangte vom Micro-TO Annullation und sein Geld zurück, das der bereits non-refundable investiert hatte. Die Parteien einigten sich ob der vorhersehbaren Benachteiligung des TO durchs PauRG vor Gericht auf die Hälfte.

Die EU hat mit der neuen Reiserechts-Richtlinie von 2015, inzwischen in allen Mitgliedstaaten umgesetzt, den Konsumentenschutz zulasten der Reisebranche noch weiter verschärft. Soll die Schweiz auch das autonom nachvollziehen? Juristen mag das recht sein. Reisebüros behandelt das PauRG indes schon jetzt nicht wirklich fair. Das PauRG gehört abgeschafft, je früher desto besser. Der Reiserechts-Paragrafendschungel bleibt danach noch dicht genug.


Dr. iur. Peter Krepper arbeitet als Rechtsanwalt & Mediator selbstständig in Praxisgemeinschaft in Zürich.
Fragen an peter.krepper@ksup.ch.