Elf Punkte gegen die EU-Pauschalreiserichtlinie

Norbert Fiebig, Präsident des Deutschen Reiseverband, verdeutlicht die Knackpunkte der EU-Pauschalreiserichtlinie und betont die Bedeutung der Pauschalreise.
DRV-Präsident Norbert Fiebig an der öffentlichen Anhörung im Deutschen Bundestag ©DRV/Kautz

Die Touristikbranche in unserem nördlichen Nachbarland sieht sich konfrontiert mit der überarbeiteten EU-Pauschalreiserichtlinie. Der DRV-Präsident Norbert Fiebig kritisiert diese während einer Anhörung im Bundestag und betont die Bedeutung der organisierten Reise.

«Die von der EU geplanten neuen Regelungen für die Pauschalreiserichtlinie kosten nicht nur Geld, sie verzerren auch den Wettbewerb weiter – zu Lasten der organisierten Reise», kritisierte der DRV-Präsident in der öffentlichen Anhörung im Deutschen Bundestag am Mittwoch, 15. Mai.

Mehr als 40% aller Pauschalreisen kommen aus Deutschland

Gerade für den deutschen Markt habe die Pauschalreise eine sehr grosse Bedeutung: 41% aller in der EU vertriebenen Pauschalreisen werden in Deutschland gebucht, rechnete Fiebig vor, der als einer der Sachverständigen zum Thema ‘Novellierung der EU-Pauschalreiserichtlinie’ in der Anhörung des Tourismusausschuss geladen war.

Mit der organisierten Reise geniessen die Urlauber umfassenden Schutz zu fairen Preisen. Nicht zuletzt deswegen erfreut sich die Pauschalreise gerade in Deutschland grosser Beliebtheit. In den übrigen 26 EU-Mitgliedsstaaten liegt der Pauschalreiseanteil bei unter zehn Prozent, wenn der Anteil Deutschlands herausgerechnet wird.

Bundesregierung gefordert

Hier sei die Bundesregierung gefordert, auf EU-Gesetzgebungsebene die deutschen Interessen zu vertreten: «Bei der Reform des rechtlichen Handlungsrahmens müssen insbesondere die Eigenheiten des deutschen Reisemarktes Beachtung finden, wenn der Gesetzgeber die Pauschalreise in Deutschland nicht zur Disposition stellen will», fordert der DRV.

«Derzeit haben wir jedoch erhebliche Zweifel daran, dass die Kommission diese Gegebenheiten ausreichend berücksichtigt», gibt sich Norbert Fiebig besorgt.

Die elf Punkte gegen die Pauschalreise-Richtlinie

Die Kritik des Deutschen Reiseverbandes am Vorschlag der Europäischen Kommission bezieht sich im Wesentlichen auf elf Punkte:

  1. Geschäftsreisen gehören nicht in den Anwendungsbereich einer Pauschreiserichtlinie und sind daher herauszunehmen.
  2. Die vorgesehene Einführung der Drei-Stunden-Frist macht den Verkauf von mehreren Einzelleistungen (verbundene Reiseleistungen) im stationären und online-Vertrieb de facto unmöglich und reduziert damit die Vielfalt des Angebots.
  3. Die Änderung der Click-Through-Definition geht in die richtige Richtung. Es bleiben jedoch Schlupflöcher offen.
  4. Die Anzahlungshöhe muss nicht geregelt werden. Die geplante Ausgestaltung ist überflüssig und überzogen.
  5. Durch die Ausweitung des Kundenrechts, eine Pauschalreise wegen unvermeidbarer aussergewöhnlicher Umstände am Wohnsitz oder Abreiseort absagen zu können, erfolgt eine komplette Risikoverlagerung allgemeiner Lebensrisiken auf die Reiseveranstalter. Dies ist nicht sachgerecht und unverhältnismässig.
  6. Die geplante Berücksichtigung von drei Reisewarnungen – am Wohnsitz, am Abreiseort und im Zielgebiet – ist unklar und nicht sachgemäss. Massgeblich kann nur die Reisewarnung des Landes sein, in dem der Kunde seinen Wohnsitz hat.
  7. Mit der strikten Beibehaltung der 14-Tages-Frist zur Rückzahlung von Kundengeldern auch bei Grossschadensereignissen zieht die EU-Kommission die falschen Lehren aus der Pandemie. Eine Ausnahmeregelung ist erforderlich.
  8. Die Einführung eines zusätzlichen nationalen Krisenfonds, der von den Reiseveranstaltern zu finanzieren ist, wird abgelehnt. Er verteuert die Pauschalreise ohne wirklichen Mehrwert für die Kunden.
  9. Eine gesetzliche Gutscheinlösung auf freiwilliger Basis ist schon heute möglich und hilft in globalen Krisen nicht weiter. Nur obligatorische Gutscheine sind bei Grossschadenereignissen für die Reiseveranstalter hilfreich.
  10. Die Möglichkeit auf nationaler Ebene zusätzlich eine Insolvenzabsicherung für Reisebüros einzuführen, ist überflüssig, da bereits die vermittelte Pauschalreise gegen die Insolvenz des Reiseveranstalters abgesichert ist.
  11. Der vorgesehene B2B-Regress ist in der Praxis nicht durchsetzbar.

Eine neue Richtlinie müsse den Reisebüros auch weiterhin ermöglichen, gegenüber den Kunden mit ihrer Beratungskompetenz und ihren USP bei der individuellen Zusammenstellung von Reisen zu punkten.

DRV-Präsident Fiebig wies darauf hin, dass bei der Novellierung der Pauschalreiserichtlinie die beteiligten Akteure die besonderen Bedingungen und Gegebenheiten des deutschen Marktes mit den rund 2300 Reiseveranstaltern und fast 9000 Reisebüros berücksichtigen müssten.

Organisierte Reise würde an Bedeutung verlieren

Der Gesetzgeber sollte Regelungen schaffen, die ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den Interessen des Verbraucherschutzes und wirtschaftlichen Interessen und Notwendigkeiten herstellen, so die Forderung des DRV. Die weiteren Verpflichtungen der Pauschalreiseveranstalter, wie sie der aktuelle Gesetzentwurf vorsieht, werden dazu führen, dass die organisierte Reise immer weiter an Bedeutung verlieren wird.

«Am Ende reisen immer weniger Urlauber gut geschützt», so Fiebig. «Hier bedarf es dringend umfassender Korrekturen, worauf die Bundesregierung achten müsse.» (TI)