Die schöne Kunst, die hinterfragt

Am Zürcher Theater Spektakel treffen Schweizer Kulturfans auf Rollstuhlartisten, Regiepromis und Künstler aus Krisengebieten.
Fotos: ZTS/Christian Altorfer

Theater, Zirkus, Tanz, Konzerte, Strassenkunst und schöne Sommerabende auf der Landiwiese direkt am Zürichsee – damit verbinden nicht nur die Stadtzürcher Bevölkerung, sondern auch viele auswärtige Gäste das Zürcher Theater Spektakel. Wenn es im Programm heisst, Künstler aus aller Welt sorgten für ein buntes und aussergewöhnliches Programm, kann man das bei diesem 18-Tage-Anlasstatsächlich wörtlich nehmen. Allein im vergangenen Jahr waren für 44 Produktionen Gruppen und Solokünstler aus 32 Ländern eingeladen – darunter Syrien, Griechenland, Chile, Ägypten, Israel, Hongkong, Kongo, Brasilien, Iran und Südafrika. Aber auch Schweizer Berühmtheiten wie der Regisseur Milo Rau oder junge Nachwuchskünstler haben am Festival ihren Auftritt. Widerstand und Exil können ebenso Thema sein wie sanfte Kinderunterhaltung zum Thema Geschlechterklischees. Auch ein Zirkusensemble mit einem Akrobaten im Rollstuhl war schon da.

200 Tage auf der Suche Um dieses Programm auf die Beine zu stellen, ist Sandro Lunin zirka 200 Tage pro Jahr in der ganzen Welt unterwegs und sucht nach aussergewöhnlichen Produktionen und Künstlern, die hierzulande noch unbekannt sind. Der künstlerische Leiter ist seit 2007 für das Programm des Theater Spektakels verantwortlich. Seine Erfahrung und die Tatsache, dass es das Theater Spektakel bereits seit 1980 gibt, haben für eine weitläufige Vernetzung in der internationalen Kunstszene gesorgt. Ideen und Kontakte gibt es reichlich. «Wir wollen etwas zeigen, was die anderen Theater nicht abdecken», ist das Credo des Festivals. Eine von vielen Botschaften, die vermittelt werden sollen: Auch in Krisengebieten gibt es eine spannende Kunstszene.

Nachhaltigkeit ist ebenfalls ein Thema am Theater Spektakel, das zu je einem Drittel von der Stadt, von den Partnern und aus eigenen Einnahmen finanziert wird. «Um zu vermeiden, dass Künstler von anderen Kontinenten nur wegen des Theater Spektakels anfliegen, suchen wir Kooperationen mit anderen europäischen Festivals in Basel, Genf, Hamburg oder Amsterdam, wo diese dann auch auftreten», erläutert Veit Kälin, der seit 2015 die technische Leitung des Festivals innehat. Junge Künstler können vom Fördergedanken des Theater Spektakels profitieren. Rund zehn Nachwuchstalente aus aller Welt werden jedes Jahr zu «Watch & Talk» eingeladen. So dürfen sie das ganze Festival über Stücke schauen, sich danach mit anderen Künstlern und Kulturschaffenden über das Gesehene austauschen und inspirieren lassen. Aus diesen Kontakten kann es sich ergeben, dass einer der jungen Künstler an einem späteren Festival ein so genanntes «Short Piece» aufführen kann. «Und ein paar Jahre später treten sie vielleicht mit einem abendfüllenden Stück auf», erklärt Kälin.

Nur die dreiköpfige Co-Leitung, zu der auch Delphine Lyner (kaufmännische Leitung) gehört, und die Leiterin des künstlerischen Betriebsbüros sind das ganze Jahr angestellt. Ab Februar/ März wird das Team dann nach und nach grösser. Während des Festivals sind allein 80 Angestellte für die Technik und weitere 60 für den Betrieb von Einlass bis Garderobe zuständig. «Zum Grossteil sind das immer die gleichen Leute, sie halten sich die Zeit extra frei, um für das Theater Spektakel zu arbeiten», berichtet Kälin stolz.

Besondere Orte als Bühne Rund zehn verschiedene Spielorte werden Jahr für Jahr auf der Landiwiese aufgebaut mit 20, 600 oder auch mal 800 Plätzen – je nach Produktion. Bespielt werden die unterschiedlichsten Locations von der Roten Fabrik bis zur Seebühne auf der Landiwiese, von der Werfthalle bis zum neuen Pavillon. Ortsspezifische Produktionen sind die Spezialität des Theater Spektakels. Das Team muss Bühnenböden installieren, die Bestuhlung aufbauen, Dach, Licht, Ton, Video und bei Bedarf auch mal Pyrotechnik einrichten. Zirka 80 Sattelschlepper sind Kälin zufolge jeweils nötig, um das ganze Equipment herzufahren. «Die Landiwiese ist dann plötzlich ganz klein.»

120 000 bis 150 000 Besucher strömen jährlich ans Theater Spektakel. Über 26000 Tickets wurden 2016 verkauft. «Das entspricht einer Auslastung von 86%», freut sich das Festival-Team. Die budgetierten 75% wurden damit nicht zum ersten Mal überschritten.

Die Tickets sind im Vergleich zu anderen Kultur-Veranstaltungen in Zürich im unteren Preissegment. Short Pieces kann man für CHF 13 anschauen, das teuerste Ticket kostet meist nicht mehr als CHF 50. «Das Theater Spektakel ist ein Event für die ganze Bevölkerung», erklärt Kälin. Deshalb gibt es auch keine speziellen Programme für Firmen, z.B. um eine ganze Spielstätte zu mieten – ausser für die Partner des Anlasses (Swiss Re, Zürcher Kantonalbank, Kanton Zürich und Medienpartner Tages Anzeiger). Natürlich könne man aber jederzeit ein Kontingent an Tickets z. B. für seine Mitarbeitenden erwerben und mit dem Team sowohl Kultur, als auch das grosse gastronomische Angebot geniessen. Oder einfach nur so vorbeikommen, der Eintritt auf die Wiese mit zahlreichen Performance- und Strassenkünstlern ist nämlich frei. ◆ www.theaterspektakel.ch


Neues Programm und neuer künstlerischer Leiter

Das 38. Zürcher Theater Spektakel findet von Donnerstag, 17. August bis Sonntag,
3. September 2017 statt. Der Vorverkauf startet am Mittwoch, 12. Juli 2017.
Für Co-Leiter Sandro Lunin wird es das letzte Festival sein, das er als künstlerischer
Leiter mitverantwortet. Nach zehn Ausgaben wird er die künstlerische Leitung in neue Hände geben. Die Suche nach einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger wurde eingeleitet.