Aufstand der Locals auf den Kanaren: «So geht es nicht weiter!»

Problem Massentourismus – ein spanischer Soziologe sieht Teneriffa ‘kurz vor dem Kollaps’.
Speziell Teneriffa, wie hier Puerto de la Cruz, zieht die meisten Touristen alle kanarischen Inseln an. ©unsplash.com/Gothic Aries

Der Spanische Soziologieprofessor Eugenio Reyes äussert in einem Interview mit der Berliner «TAZ» alarmierende Aspekte zum aktuellen Befinden der Einheimischen auf den Kanarischen Inseln.

Auf allen sieben bewohnten Inseln gibt es gegenwärtig heftige Proteste und Demonstrationen seitens der Bewohner*innen gegen das Phänomen des Overtourism, welcher mit Rekordzahlen geradezu explodiert und so das ökologische Gleichgewicht auf den Antlantikeilands völlig aus den Fugen gerät.

17 Millionen Besucher werden dieses Jahr auf den Inseln erwartet, was diese «an ihre Grenzen» bringe. Oder eben darüber hinaus, so Reyes, denn es könne nicht sein, dass in den klimatisch bedingt immer trockener werdenden Sommermonaten beispielsweise das Wasser für Einheimische rationiert werden müsse, während in Hotelanlagen Pools befüllt und Golfplätze besprenkelt würden.

Die Menschen auf den Kanaren leben seit 150 Jahren von und mit dem Tourismus und hätten grundsätzlich nichts gegen die Touristen, doch schon seit längerem erfolge der Massentourismus unkontrolliert und das werde Folgen haben.

Zwischen 2008 und 2019 vor der Pandemie habe sich der Tourismus von 8 auf 16 Millionen Besucher jährlich verdoppelt. Die Hoffnung während der Pandemie, dass sich mit dieser das Phänomen Massentourismus zerschlagen würde, sei mittlerweile jäh zerstört, das bereits neue Allzeitrekorde prognostiziert seien.

Besonders schlimm habe sich die Situation auf Teneriffa zugespitzt, wo die Regierung nach jahrelangem Streit nun die Baugesetze so ‘aufgeweicht’ habe, dass nun zwei riesige Tourismuskomplexe mit Hafen in einem geschützten Gebiet auf der Insel grünes Licht bekommen hätten.

Dies habe das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht. Über 30% aller Kanaren-Urlauber reisen nach Teneriffa. Reyes sieht das Problem pragmatisch, wenn er sagt, dass man «in einem Gebiet, das endlich sei, nicht unendlich weiterwachsen» könne.

Man wolle nicht die Kuh schlachten, von der man lebe, denn immerhin bietet der Tourismus auf den Kanaren rund 40% der Arbeitsplätze und generiere 35% des BIP. Ein Lösungsansatz bestehe laut Eugenio Reyes beispielsweise darin, dass man einen klimaneutralen Tourismus anstrebe.

Die Kanaren seien eines der wenigen Reiseziele, die keine Übernachtungssteuer, wie etwa eine Kurtaxe erhebe. Dagegen stehen rund 150 Millionen Übernachtungen pro Jahr, so viele wie nirgendwo anders, noch nicht einmal Paris könne eine derartige Zahl an Übernachtungen vorweisen.

Bei nur einem Euro Kurtaxe pro Nacht gäbe dies laut Reyes eine Summe von 150 Millionen Euro im Jahr, die man gezielt in die Zukunft und für nachhaltige Projekte investieren könnte. Oder gezielt Menschen anziehen, die länger belieben würden, weil sie von den Kanaren aus auch Online arbeiten könnten, so könnten bei weniger Flugreisen und CO2-Ausstoss Hotelanlagen nachhaltiger ausgelastet werden.

So sähe für den Professor der Uni in Las Palmas auf Gran Canaria beispielsweise ein «Tourismus fürs 21. Jahrhundert» aus. (TI)