FTI: «Wir spielen in der Schweiz noch nicht alle Stärken aus»

TI sprach mit Boris Raoul, COO der FTI Group über das Geschäft und den Markt Schweiz sowie über die Entwicklungen im Technologie-Bereich.

Herr Raoul, vor einem Jahr gab sich FTI eine neue Struktur. Was war der Grund dafür?
Wir haben das Unternehmen Bigxtra akquiriert und voll in den Konzern integriert. Dafür mussten wir auch unsere Führungsebene umbauen. Die bislang klar markenorientierte Geschäftsführung haben wir nun nach Funktionen umstrukturiert. Das ist die richtige Antwort auf die Anforderungen im heutigen Markt, in dem es darum geht, Marken und Systeme besser zu vernetzen und höhere Synergien zu nutzen. Insgesamt sind wir mit dem Ergebnis der Umstrukturierung zufrieden und spüren dies auch im Geschäftsergebnis, d.h. wir konnten durch Kommunikation, Synergien, Kostenreduktion und höhere Effizienz die Erträge pro Passagier deutlich steigern.

Hatte die neue Struktur auch personelle Folgen?
Wir sind ein dynamisches Unternehmen, das sehr stark wächst, d.h. wir brauchen ständig neue Mitarbeiter. Durch neue Hotels und die FTI Berlin ist unsere weltweite Mitarbeiterzahl mittlerweile auf 2500 gestiegen. Wenn es um die Nutzung von Synergien geht, heisst das für uns nicht, dass wir Mitarbeiter entlassen, sondern dass sie sich im Unternehmen allenfalls neu orientieren müssen.

Wie steht FTI hinsichtlich seiner Struktur in der Schweiz da?
Wir haben in der Schweiz unsere Aufgaben schon vor Jahren gemacht. Der letzte Umbau in war im 2007/08, als wir die eigene Produktion gestoppt haben und auf eine Vertriebsstruktur umgestellt haben. Wir hatten nie viele Marken in der Schweiz, sondern traten in der Regel nur mit FTI auf. Aber das ändert sich ja in Kürze mit dem B2B-Launch von Bigxtra und dem Last-Minute-Portal 5vorflug.ch.

SBB Ferien greift ja bekanntlich auf die Produkte von Bigxtra zurück. Produzieren Sie soviel günstiger als die Schweizer?
Diese Frage müsste man SBB stellen. Anscheinend konnten wir sie mit unserm Preis, Produkt, Qualität, Fullfillment, Serviceleistung, etc. überzeugen. Da haben wir wohl das Eine oder Andere richtig gemacht.

Das heisst sie sehen in der Schweiz noch Potenzial?
Wir spielen in der Schweiz noch nicht alle Stärken unseres Konzerns aus. Wir können uns noch massgeblich verbessern und werden auch versuchen, dies in nächster Zeit umzusetzen.

Nur mit neuen oder auch mit den bestehenden Marken?
Die bestehenden Marken sind klar positioniert: FTI als klare B2B- und Value-Marke, mit der wir auch 2012 positive Umsatzzuwächse im zweistelligen Prozentbereich haben – und auch im französischen Markt, den wir aus der Schweiz heraus bedienen. Wir haben die letzten Jahre in der Schweiz eigentlich immer mit zweistelligem Umsatzwachstum abgeschlossen, d.h. wir wachsen rasant.
Unsere Aussage ist klar: wir sind nachhaltig und verändern unseren Kurs nicht. Diese Planungssicherheit ist auch für unsere Reisebüropartner sehr wichtig. Die FTI-Welt liegt zu 98% im B2B-Bereich. Diesen Fokus werden wir definitiv beibehalten.

Wo kann FTI in der Schweiz regional noch wachsen?
Wir waren früher traditionsbedingt eher auf Basel fokussiert. Wenn wir aber die Flughäfen anschauen, dann haben wir Zürich mittlerweile gut auf- und ausgebaut und zwar auf dem Mittelmeerbereich sowie auch auf der Langstrecke. Genf-Flüge sind schwierig für uns, denn wir haben nicht genug Kraft, um mit eigenen Kapazitäten zu operieren. Darum fliegen mit den andern Veranstalter mit. Auch Bern ist noch ausbaufähig.

Wie erreichen sie denn das Wachstum in der Schweiz?
Durch die Aufnahme von neuen Destinationen oder auch erdgebundenen Reisen, die wir beispielsweise vor eineinhalb Jahren eingeführt haben. Derzeit arbeiten wir in der Schweiz mit rund 900 Reisebüros zusammen, diese Zahl steigt an sich nicht mehr, aber die Zusammenarbeit wird intensiver.

Kann FTI von allfälligen Spannungen zwischen Reisebüros und den Schweizer Reiseveranstaltern profitieren?
Das kann man immer. Wenn zwei sich zanken, kann man eigentlich immer nur der glückliche dritte Gewinner sein. Auf der andern Seite ist die Loyalität der Schweizer Reisebüros gegenüber den Schweizer Veranstaltern sehr gross. Es wird jedoch immer schwieriger, jemandem zu erklären, warum er in Franken mehr bezahlen soll als in Euro. Der Kunde kommt heute mit einer sehr genauen Preisvorstellung ins Reisebüro, da er sich über die Grenzen hinweg informiert hat.

Wird denn FTI in der Schweiz noch immer als deutscher Veranstalter wahrgenommen?
Ich denke, wir haben eine perfekte Mischung hinbekommen. In Basel verfügen wir über ein Schweizer Team für alle Belange des Verkaufs – Geschäftsführung, Aussendienst, Callcenter etc. Das einzige was deutsch ist, ist die Produktion, das heisst Preis und Qualität sind auf deutschem Niveau, wobei wir immer bemüht sind, auf die Bedürfnisse der Schweizer Kunden einzugehen. Wir versuchen im Grunde genauso wie ein Schweizer Veranstalter zu agieren, ausser dass unsere Küche in München steht.

An wem messen Sie sich in der Schweiz?
An niemandem. Wir sind ganz klar wachstumsorientiert, denn Stillstand ist für uns nicht möglich. Kosten entwickeln sich nach oben und um die gleichen Stückkosten zu behalten, muss man wachsen.

Grosses Thema ist heute die IT. Wie steht FTI heute diesbezüglich da?
Ich denke, dass wir sehr weit sind. Wir sind gut positioniert im X-, Y- und Z-Bereich. X steht für die externe Produktion, wo Komponenten und Fremdsysteme hinzu paketiert werden. Wir liefern das Hotel, Datamix bzw. Traveltainment liefert den Flug. Das wird gebündelt und als Paket verkauft. Y ist für uns all das, wo wir schon im Vorfeld dynamische Komponenten in unseren statischen Kontent – den Z-Kontent – einfliessen lassen. Z ist all das, was wir selbst kontraktiert haben, seien es Flüge oder Hotels.
Wir kaufen beispielsweise Hotels und Flüge zum Preis X an, die Leistungsträger unterbieten diese Preise jedoch teilweise. Wenn wir nicht in der Lage wären, dies abzubilden, wären wir im Nachteil. Für mich ist es darum wichtig, dass wir in allen Bereichen – Flug und Hotel – über X, Y und Z produzieren können.
Da in der Schweiz Traveltainment nicht stark verbreitet ist, mussten wir in die Y-Produktion einsteigen, und die Pakete dann so an Cets ausliefern.
Wir sind über die gängigen Plattformen wie Cets oder Tour Online buchbar, überlegen uns aber auch, in den andern Formaten zuzuliefern. Heute stellen wir die Daten beispielsweise auch im Traveltainment-Format Kati bereit und steigen nun auf eine XML-Datenlieferung im OTDS- Format. Da wird es diese bekannten Player geben, die mit den Daten befüllt werden, welche die Vertriebssysteme wiederum über die Player/Hub-Struktur abfragen.

Wie lange ist dynamische Produktion für FTI in der Schweiz schon ein Thema? Haben die Schweizer Veranstalter hierbei den Anschluss etwas verpasst?
Wir vertreiben das dynamische Produkt schon seit ungefähr drei Jahren in der Schweiz. Ich denke, die Schweizer Unternehmen haben dem Thema bislang vielleicht nicht die Bedeutung zugeordnet und müssen jetzt teilweise nachrüsten.

Wodurch unterscheidet sich die dynamische Produktion von FTI gegenüber Angeboten von andern Anbietern?
Gewisse Unternehmen bündeln erst nach der Abfrage. Beispielsweise können auch Plattformen wie X-Helvetictours, Ebookers oder Expedia aufgrund ihrer Hotel- und eine Flugdatenbank dynamisch produzieren. Das Problem ist nur, dass Kunden zuerst eingeben müssen, wann sie wohin reisen wollen und erst dann beginnt das System, die Pakete zusammenzustellen. Wir wissen hingegen schon im Vorfeld, was wir morgen anbieten werden, denn wir machen ein Prebundling, damit der Kunde bei uns stöbern kann – und zwar ohne zu wissen, wann und wohin er verreisen möchte. Hier haben wir den Vorteil, dass wir technisch in der Lage sind, dies umzusetzen. Wir können dabei auch einen Transfer einbinden, wozu andere Plattformen noch nicht in der Lage sind.

Versteht die Branche den eigentlich, worum es bei dieser dynamischen Produktion mit X, Y und Z überhaupt geht?
Es gibt leider keine klaren Standards. Allenfalls steht in Deutschland das X für den Standard, aber bei Y wird es dann schon verschwommen. So ist es bei vielen Themen. Dann gibt es Begriffe wie «Player», die unterschiedlich ausgelegt werden. Im Grunde geht es weniger um die Technik als vielmehr um das Verstehen von Prozessen, Geschäftsmodellen und Veränderungen im Markt.

Ist es heute noch möglich, mit dem klassischen Veranstaltergeschäft zu überleben?
Ja, mit dem Veranstaltergeschäft lässt sich nach wie vor Geld verdienen, allerdings muss man diese X-, Y- und Z-Produktion beherrschen. Also nicht nur statisch – selbst eingekauft –, sondern man muss auch dynamisch paketieren. Denn sonst sind sie ausschliesslich im Vermarktungsrisiko und es kann eng werden, wenn es Strömungsabrisse in der Nachfrage gibt. Es braucht diese Flexibilität um ergebnisoptimiert zu arbeiten.

Haben es Ihrer Meinung nach Spezialisten einfacher, weil sie sich in einer Nische bewegen?
Wir betreiben ja das Volumen- wie auch das Spezialgeschäft. Beides ist wichtig und richtig. Man kann in einer Nische sehr erfolgreich sein, aber es ist sicherlich hilfreich, wenn man einen Konzern im Rücken hat, der günstige Services anbietet, d.h. wenn beispielsweise die Strukturkosten bereits durch das Volumengeschäft gedeckt sind.

Wie sind Ihre Erfahrungen mit Etrips?
Das ist ein guter Kunde von uns und wir haben sehr gute Erfahrungen gemacht.Vor allem werden auch Technologien eingesetzt, die Abfragen für Reisen mit Abreisedatum von über 75 Tagen erlauben. Die grossen drei Schweizer TOs haben sich jedoch etwas schwer damit getan, ihre Langfristdaten zu liefern und hatten somit nirgendwo – auch nicht im Preisvergleich von Cets – Daten mit Abreise über 75 Tage hinterlegt. Die Reisebüros mussten also für den direkten Vergleich die Systeme der einzelnen Anbieter abfragen und miteinander vergleichen. Ich bin der Meinung, dass der Handel nicht weniger wissen darf als der Endkunde. Wenn das passiert, macht sich der Handel irgendwann überflüssig.
Diese Verweigerungen im langfristigen Bereich sind nun gefallen, d.h. es sind nun auch Daten mit über 75 Tagen Laufzeit in Cets. Nun ist das Reisebüro mehr oder weniger zum ersten Mal in der Lage, langfristige Preisvergleiche zu machen.

Wenn die Schweizer TOs in den Preisvergleichen nicht erscheinen, ist das doch ein Vorteil für FTI.
Man muss die Grenzen abbauen und verstehen, dass der Markt transparent ist und der Kunde die Möglichkeiten hat, sich diese Informationen zu besorgen. Man sollte seine Produktionssysteme dann dahingehend umstellen, dass das Unternehmen in diesem Marktumfeld bestehen kann. Künstliche Grenzen und Mauern zu ziehen, das funktioniert nicht mehr – zumindest nicht nachhaltig.

Aber läuft man durch die Preisvergleiche nicht Gefahr, dass die Veranstalter letztlich Zusatzleistungen wie Transfers oder Mahlzeiten aus den Angeboten nehmen, um günstigere Basisangebote zu haben?
Das hat der englische Markt so gemacht. Das kann auch ein Weg sein, aber ist es der schlechteste? Ich weiss es nicht. Wir bieten in dieser dynamischen Welt verschiedene Pakete: Flug/Hotel, Flug/Hotel/Transfer, Flug/Hotel/Privattransfer und Flug/Hotel/Mietwagen.

GOOGLE ALS GRÖSSTER KONKURRENT?
Der FTI Group-COO ist davon überzeugt, dass Google in Zukunft eine grosse Rolle in der Reiselandschaft spielen wird. «Man muss sehr genau beobachten was passiert und sich entsprechend anpassen und arrangieren. Nur dagegen zu sein ist zu einseitig und kann Schmerzen bereiten.» Obwohl Google durchaus auch Möglichkeiten bieten wird, ist Raoul davon überzeugt davon, dass es – vor allem auch im OTA-Bereich – Verschiebungen und Veränderungen geben wird.
«Momentan reicht der Blick über die Grenze, um zu sehen, was mit dem Hotel- und dem Flug-Finder passiert. Wenn die Tools irgendwann in Google Places eingebaut werden, dann erscheint nach der Flugsuche gleich das passende Hotel, ein Restaurant-Tipp, usw. Dann braucht man nicht lange weitersuchen.

BNZ