Feedback – Branchenmeinungen zur Coronavirus-Krise

Aktualisiert am 10.06.2020
Die Branche erlebt wohl die bisher massivste Krise mit wirtschaftlichen Folgen, welche alle arg treffen. Da macht sich die Leserschaft von TRAVEL INSIDE grosse Sorgen und reagiert.
3-D-Modell from Coronavirus 2019-nCoV. © Keystone Centers for Disease Control and Prevention

AKTUALISIERT

Barbara Wohlfarth, Inhaberin Reiserezept GmbH, Affoltern am Albis:

«Meine Gedanken zur Verschiebung der Events in der Reisebranche und dem Verhalten der TO: Die Absage der ITB kam von höherer Stelle, unsere Kunden haben das aber wahrgenommen, als hätten wir Angst uns zu treffen. Nun lese ich, dass der Arabian Souk verschoben wird, für mich ein Entscheid, den ich nicht zu 100% nachvollziehen kann.

Es wäre jetzt die Zeit für Schulungen, die Front hätte jetzt vermutlich mehr Zeit wie sonst. Sprich die Front soll dem Kunden sagen, reisen ist problemlos möglich, aber selbst fehlt es am Mut sich zu treffen. Wenn nun die TO sich überlegen, Studienreisen zu canceln, sollte genau diese Flexibilität auch für bestehende Buchungen von Kunden gelten. Sowohl von den Airlines als auch von den TO.

Womit die nächste Problematik da ist, die TO geben nur Kulanz für Neubuchungen von Pauschalreisen, die Stammkunden die früh gebucht haben, gehen noch leer aus, gleiches gilt, wenn wir nur das Hotel via TO gebucht haben. Da gelten die AGB. Wenn ich das Festhalten an den AGB der TO mir ansehe, dürfen die sich nicht wundern, wenn die Front immer mehr selbst zum TO wird.

Bei vielen Bettenbanken oder anderen Partnern können wir Hotels kostenlos stornieren für die Kunden und bezahlen teilweise erst nach der Rückkehr, was das Risiko minimiert, wenn ein TO analog Thomas Cook Konkurs geht. Die TO sollten sich mal überlegen, wo ihr Mehrwert für die Front ist, bei einigen mangelt es selbst an der Fachkompetenz in den Abteilungen. Mein Kommentar, dass wir shiften weg den TO, mehr selbst Tour Operating werden, wurde auf Social Media nicht sehr positiv aufgenommen. Aber das Verhalten der TO bei Corona fördert genau dieses Verhalten von uns. Wir können unsern Kunden einen besseren Service bieten.

Das Coronavirus ist da, die Reisebranche hat die jetzt Chance, sich zu profilieren und die TO zu zeigen, dass sie die Kunden ernst nehmen, mit Ihren Ängsten. Wenn wir jetzt die Kunden ernst nehmen, dann kommt die morgen wieder zurück ins Reisebüro!»

Michael Grütter, Geschäftsführer ETI Express Travel International AG:

«Berichte über den Coronavirus prägen zur Zeit unseren Alltag. Die Presse nutzt jede Gelegenheit über Einzelschicksale die Berichterstattung dramaturgisch aufzuwerten und Leser zu beeinflussen. Auch wenn die Ausbreitung dieses Virus mit allen möglichen Mitteln verhindert werden muss, so erachten wir gewisse Massnahmen als masslos übertrieben.

In der Schweiz werden Sportveranstaltungen bis in den Breitensport abgesagt, Eishockeyspiele werden vor leeren Rängen ausgetragen und sämtliche Events mit über 1000 Personen müssen abgesagt werden. In Deutschland, Österreich, Frankreich, Spanien usw. ist man weit davon entfernt, solche Anlässe oder Grossveranstaltungen in Frage zu stellen. Die hochfrequentierten Flughäfen, Bahnhöfe oder auch andere öffentlichen Orte erfüllen ihre Dienstleistungen ohne die geringste Einschränkung.

Als Reiseanbieter nehmen wir unsere Pflicht wahr, um ein sicheres und entspanntes Reisen zu gewährleisten. Im Hinblick auf gebuchte Arrangements und geplante Ferien weisen wir deshalb darauf hin, dass keinerlei Einschränkungen oder Verbote existieren und alle unsere Zielgebiete ohne jegliches Reiserisiko besucht werden können. Folgedessen, auch in Absprache mit dem Schweizer Reiseverband, sind allfällige Absagen von gebuchten Reisen kostenpflichtig gemäss den Allgemeinen Reise- und Vertragsbedingungen.

Wir bitten Sie, die Lage rund um den Coronavirus mit der notwendigen Vernunft und Ruhe weiter zu beobachten und sich nicht beunruhigen zu lassen.»

Gery Rufener, Uster:

«Hiermit spreche ich Deniz Ugur von Bentour ein Riesen-Kompliment für seine mutige, humane und somit kundenfreundliche Entscheidung aus. Bravo! Bei ihm scheint der gesunde Menschenverstand noch intakt zu sein, was man bei vielen anderen Führungskräften in der Branche leider nicht mehr sagen kann.»

Bernard Kohli, Die Abreise AG, Zürich:

«Was uns in den Reisebüros zusätzlich ärgert ist, dass der Grossteil versucht die Krise auszusitzen. Einerseits werden Sport-Spiele verboten, nun schon zwei Schulklassen unter Quarantäne gestellt, Veranstaltungen abgesagt und die Airlines/Hotels machen einen auf ‘current normal’.  Das geht so einfach nicht. Ich habe ein Konzertticket für April und das weiter weniger als ein Flug kostet und da hat Ticketcorner schon mit personalisierten Schreiben reagiert.

Eigentlich ist die Krise in unserer Branche auch als Marketing-Chance zu sehen, um mit den Kunden in Kontakt zu treten. Das werden wir als Kleinbüro und natürlich auch als Schule gegenüber unseren Kunden und Eltern tun. 

Das Ganze nur auf China zu münzen, greift nun zu kurz. Gründe: Wenn vom Autosalon über die ITB bis hin zur Basel World alles abgesagt wird, vergeht den Leuten auch die Lust auf das Reisen. Unsere Schweizer Handelsschule Tourismus als Beispiel mit der Schüler Reise an die ITB Berlin : Wir werden nun den Eltern schreiben müssen, dass wir nach Berlin reisen müssen, weil wir sonst das gesamte Geld in den Sand setzen. Da ist doch die Krux. Die Airline sendet uns die Check-in-Daten als ob nichts wäre und das Hotel gibt schon Anweisungen für das Check-in. Der Reisegrund, also die ITB ist aber längst abgesagt. 

Der Fokus liegt nun auf ‘Gebuchtes’,  wo die Abreise in den Monaten März/April stattfinden wird.»

Reisebüro Mondial, Hochdorf, Franz Beckmann und Team:

«Das Bestehen der TO auf die aktuellen AGB scheint mir absolut richtig zu sein. Zum aktuellen Zeitpunkt wird man durch kulante Stornobedingungen vielleicht den einen oder andern Buchungswilligen erreichen – volle Auftragsbücher wie von TI in Aussicht gestellt – wird auch das kaum bringen. Im Moment sind die Nachrichten einfach zu negativ als dass gross Reiselust aufkommt. 

Und für den TO entstünden unter Umständen – nebst der personellen Ressourcen – auch konkreter finanzieller Schaden, wenn die Situation weiter kritisch bleibt. Mit der heutigen Entscheidung des Bundesrats zur Absage von Grossveranstaltungen trägt dieser auch nicht gerade zu einer positiven Stimmung bei.»

Sandra-Nathalie Studer, CEO-Office Globetrotter Group, Bern:

«Coronavirus ein Grund für Kurzarbeit» – differenziert und auf den Punkt gebracht. Eine Stimme der Vernunft inmitten der aufgeheizten und panikauslösenden Debatte.»

René Loosli-Welti, Loosli Reisen, Bern: 

«Sie mögen es der Branche gönnen, dass die Mitarbeitenden in den Reisebüros und bei den Veranstaltern nun 24 Stunden auf Draht sein, die Zeitaufwendungen selbstverständlich gratis erbringen müssen und die ARVB zu Gunsten der Kunden keine Beachtung mehr zu finden haben. Ihr Vorschlag auch noch Kulanz zu zeigen, entbehrt jedem vernünftigen Gedanken.

Die von Ihnen erwähnte Kulanz ist dann angebracht, wenn ein Reiseveranstalter oder auch ein Retailer fehlerhaft und unsorgfältig arbeitet und die Sorgfaltspflicht gegenüber dem Kunden vernachlässigt. Dass das Coronavirus aufgetreten ist, dafür kann die Reisebranche weltweit nicht verantwortlich gemacht werden. Es ist als eine Naturkatastrophe zu betrachten.

Wenn das EDA von Reisen in bestimmte Zielgebiete klar abrät, hat der Kunde Anspruch auf Rückerstattung des Arrangementspreises unter Abzug der geleisteten Arbeit, wie dies der Fall wäre, wenn er für eine Beratung das Beratungshonorar bezahlt ohne eine Reise zu buchen. Es kann doch nicht sein, dass unsere Mitarbeitenden gute Dienstleistungen erbringen, die plötzlich wegen Dritteinwirkungen keinen Wert mehr haben sollten.

Es ist mir selbstverständlich klar, dass man keinen Kunden zwingen kann, eine Reise anzutreten, die bei ihm aus politischen oder gesundheitlichen Gründen ein ungutes Gefühl aufkommen lassen. Aber es gelten, und dafür wurden sie auch erstellt, die normalen Annullationsbedingungen.

Ich vermisse konstruktive Lösungen, wie sich die Branche in einer noch selten dagewesenen Situation verhalten könnte. Ich vermisse den Weitblick. Statt nur Forderungen aufzustellen, wäre es angebracht gewesen, sich Gedanken zu machen, wie man allenfalls die ARVB etwas entschärfen könnte. Der Bundesrat legt einen bestimmten Termin für seine Massnahmen fest und beurteilt danach die Lage neu. Ihr fehlender Vorschlag für die Anwendung der ARVB hätte lauten können: Die Leistungsträger mögen sich überlegen, ob man die Fristen für die prozentualen Annullationskosten auf die behördlich festgesetzten Termine anpassen könnte. So erhielte der Kunde, welcher zum Beispiel seine Kreuzfahrt gebucht hat, etwas mehr Zeit, die prekäre Lage zu beobachten und der Leistungsträger würde nicht sofort mit Annullationen zu rechnen haben. Kunden, die trotz dieser aussergewöhnlichen Lockerung der ARVB dennoch annullieren wollen, deren Annullationskosten richten sich nach den geltenden ARVB.»