Legal Matters: Unangemessene Einmischungen?

Die Reiserecht-Kolumne von Dr. iur. Peter Krepper, Rechtsanwalt und Mediator.
Peter Krepper ©zVg

Am Ende der letzten Kolumne Legal Matters rief ich dazu auf, den Strukturwandel in der Reisebranche in sozialer, tier-ethischer und ökologischer Hinsicht für Ihr Geschäft zu nutzen. Solche Aufrufe kosten nichts und befriedigen den Aufrufenden selbst: mein (zu be-scheidener?) Beitrag zu einer besseren Welt… wo aber steht die Branche heute damit?

Umfrage TRAVEL INSIDE zur «nächsten GV des SRV in Ras Al Khaimah: Richtig, oder völlig daneben?» Gerne hätte ich geantwortet: «Richtig daneben!», doch einen solchen Klick gab es nicht. Bevor ich, statt wie andere auch die info-Email von TI damit beglücke, verbreite ich mich hier in dieser Kolumne: Darf ein simpler Jurist sich als solcher dazu äussern?

Hierauf liesse sich antworten, dass ich immerhin Passiv-Mitglied im SRV bin und seit vielen Jahren Unternehmen der Reisebranche aus rechtlicher Sicht unterstützen darf. Und es lässt sich auf «die Wissenschaft» referenzieren, der dieser Tage im Kontext Klimawandel ebenso unangemessene Einmischung vorgehalten wird, was m. E. unangemessen ist.

Nun denn: Dieser Tage sehen wir hoffnungsfroh dem Ende des Pandemie-Lockdown entgegen, die Impfungen schreiten voran, die Grenzen fallen wieder, aller Damen und Herren Länder erwarten uns TouristInnen schon bald wieder zu Hauf. Allerdings, mit den Damen ist das so eine Sache, zum Beispiel in den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Wussten Sie, dass zum Beispiel Vergewaltigungen in Ras Al Khaimah nicht nach zivilem Strafrecht, sondern nach der Scharia verfolgt werden? Konkret bedeutet das, dass das Opfer eines solchen kaum zu überbietenden Verbrechens die erlittene Tat selbst beweisen muss, andernfalls es (sie) riskiert, wegen ausserehelichem Sex gar selbst gesteinigt zu werden?

Als Rechtsanwalt war ich für einen TO mit der Vergewaltigung einer Schweizer Touristin durch einen einheimischen Angestellten des Hotels an einer anderen arabischen Destination befasst. Dass die Kundin dort zwar knapp mit dem Leben davonkam, jedoch in keinster Weise zu ihrem Recht, erinnert mich heute an einen meiner schlimmsten Fälle überhaupt.

Die VAE haben noch anderes zu bieten. Neben der gesellschaftlichen und rechtlichen Diskriminierung der Hälfte ihrer Bevölkerung, der Frauen, fördern sie den weltweiten Ölver-brauch und wurden darob eines der reichsten Länder der Welt. Ihre wüsten, pardon Wüsten-Retorten-Städte spotten jeglicher nachhaltiger Entwicklung in Sachen Energieverbrauch Hohn.

Bevor mir nun aber Verantwortliche des SRV einmal mehr an den Kragen gehen: Ja doch, man kann auf Wikipedia nachlesen, dass die UNO den VAE eine «sehr hohe menschliche Entwicklung» attestiert. Dabei geht es leider aber vor allem um das Pro-Kopf-Einkommen; richtigerweise müsste das wohl Pro-Mann-Einkommen heissen.

Doch nochmals ja, auch dies: Es mag sein, dass touristische Bemühungen letztlich auch zu einer besseren Verständigung der Bevölkerungen von Einheimischen und Besuchern beitragen. Nach Erfahrung als Reisender wird uns All-inclusive-Horden jedoch kaum je ein ungeschminkter Zugang dazu gelegt, sondern gerade in arabischen Ländern eher davon abgeraten (Kopf unters Tuch!).

Und um von der Ökonomie nochmals auf die Ökologie zurückzukommen: Wir alle wissen sehr genau, dass das mit den fossilen Energieträgern ein baldiges Ende haben muss, wenn wir Menschen, zumindest ein guter Teil, nicht selbst ein Ende haben wollen. Keine monotheistischen Apokalyptiker tun uns dies kund, sondern – glaubwürdige Wissenschafter.

Damit schliesst sich der Kreis zurück zur TI-Umfrage. Ist es ein richtiges Zeichen vom SRV, der Einladung aus den VAE zu folgen, und die Jahresversammlung der Reisebranche des reichsten Landes der Welt ausgerechnet dort abzuhalten? Glaubt der SRV wirklich an die hehre Kraft solch völkerverständigender Verbesserung der Menschenrechte in Arabien?
Soll die Kundschaft künftig insbesondere Destinationen wählen, an denen zudem ein völlig veraltetes ökologisches Nach-mir-die-Sintflut-Denken vorherrscht?

Zu billig wäre der Witz, dass eine solche Flut diesen Wüstenstaaten und ihren Siedlungsbemühungen wohl unter die Arme griffe. Nein, an die GV nach Ras Al Khaimah fliege ich zum allseitigen Glück nicht hin.


Dr. iur. Peter Krepper lebt und arbeitet als Rechtsanwalt und Mediator in Zürich.

Fragen an pk@ksup.ch