Gastkommentar: «Klimadebatte hat auch vor Airlines keinen Halt gemacht»

Der TRAVEL INSIDE Kolumnist und Branchen-Insider Erich Witschi arbeitet für Globetrotter und betreut die Helpline.

Sobald die Pandemie weiter abklingt, oder gar – man darf ja hoffen – fast gänzlich verschwindet, wird das Thema Klimawandel wieder die Headlines für sich in Anspruch nehmen. Leider hat die Klimadiskussion in den letzten Jahren, ganz besonders in den Monaten vor der Pandemie, einen beinahe religiösen Unterton bekommen und hierdurch eine rationale Diskussion weitgehend verhindert. Die restlichen Umweltprobleme (z.B. Verschmutzung der Meere, etc.) wurden und werden in den Hintergrund gedrängt, oder genauer gesagt verdrängt.

Die Klimadebatte hat auch vor den Flugzeugherstellern und Airlines keinen Halt gemacht. Noch vor wenigen Jahren war der Einsatz eines elektrischen Passagierflugzeugs reine Utopie. Jetzt kommt aber Bewegung in die Sache, nicht zuletzt auch dank immer besseren Batterien für Elektrofahrzeuge. Fast jeder kleine und grosse Flugzeugbauer hat eigene Forschungsabteilungen für den Elektro- und/oder Wasserstoffantrieb geschaffen und werkelt mit Hochdruck an der Entwicklung von elektrischen Passagierflugzeugen für den kommerziellen und privaten Bereich.

Neben den bereits etablierten Herstellern, hat die neue Technologie auch diverse Start-ups auf den Plan gerufen und im Jahr 2020 wurden die ersten Typenzulassungen für elektrische Kleinflugzeuge erteilt. Sollte der endgültige Durchbruch in den nächsten zwei bis drei Jahren gelingen, wird dies zwar in naher Zukunft nicht die gesamte Zivilluftfahrt umkrempeln, aber es dürfte sehr grossen Einfluss auf die Entwicklung zukünftiger Flugzeugmodelle haben – ähnlich wie in der Autoindustrie.

Es stehen auch Hybridmodelle zur Diskussion, die während des Starts herkömmliche Verbrenner einsetzen und während Reiseflug und Landeanflug auf voll elektrisch umstellen könnten. Während überall noch geforscht, erprobt und entwickelt wird, haben bereits die ersten Airlines voll elektrische Flugzeuge bestellt. DHL, der weltweit tätige Paketbote, respektive die deutsche Niederlassung des Kurier-Giganten, gab kürzlich bei der Firma Eviation 12 E-Flugzeuge des Typs «Alice» in Auftrag. Eviation ist eine in Israel gegründete Firma, jedoch mit Hauptsitz in den USA.

«Alice» soll noch dieses Jahr den Erstflug absolvieren; ein Auslieferungsdatum an DHL ist noch nicht bekannt. «Alice» verfügt über zwei Elektromotoren mit je 650 kW Leistung. Die Reichweite beträgt ca. 800 km und die maximale Geschwindigkeit liegt bei etwa 400 km/h. Die Ladezeit wird mit den gegenwärtig verfügbaren technischen Möglichkeiten bei rund 30 Stunden liegen. Diese Bestellung hat weltweit nicht viel Staub aufgewirbelt und wurde von den Medien kaum beachtet, oder nur als Randnotiz erwähnt.

Eine Order von United Airlines jedoch sorgt momentan für einiges Aufsehen in der Luftfahrtbranche. Experten sind sich nicht einig, was von der momentanen Kaufwut des US-Carriers zu halten ist. Die Bandbreite der Meinungen reichen vom tosenden Applaus bis zum ungläubigen Kopfschütteln. In den Kommentaren fallen Worte wie «weitsichtig» oder «grössenwahnsinnig». Ausgelöst wurde das Ganze durch eine wahre Flut von Bestellungen neuer Flugzeuge. Der Warenkorb enthält unter anderem 200 Boeing 737Max und 70 Airbus A321Neo.

Die wahre Sensation ist jedoch eine Bestellung von zwei weiteren Flugzeugtypen, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Da wäre zum einen der Kauf von 50 «Ouverture»-Überschallflugzeugen der Firma Boom – der Name ist Programm – und zum anderen eine Absichtserklärung für den Kauf von 100 E-Flugzeugen des Typs ES-19 der schwedischen Firma Heart Aerospace sowie weitere 100 Exemplare des gleichen Typs für die Partnerin Mesa Airlines. Die ES-19 ist ein 19-plätziges Kurzstreckenflugzeug mit einer Reichweite von 400 km und dürfte hauptsächlich auf US-Zubringerstrecken mit geringem Passagieraufkommen eingesetzt werden.

Auch Air Greenland, Braathens, SAS und Wideroe beabsichtigen bei Heart einzukaufen. Vorsichtig optimistisch darf man mit einem Einsatz ab 2026 rechnen. United Airlines beteiligt sich gleichzeitig an einer Finanzspritze von USD 35 Mio. für Heart Aerospace.

Wie erwähnt, die Meinungen zu diesem zweifelsohne waghalsigen Schritt sind geteilt. Es braucht aber immer risikofreudige Unternehmen um neuen Technologien zum Durchbruch zu verhelfen – man denke an das Beispiel Tesla, SpaceX, etc. Eine weitere «neue» Technologie an der momentan von Airbus und anderen Herstellern emsig gearbeitet wird, ist der Wasserstoffantrieb; entweder als Direktverbrenner mit minimalen Emissionen, oder als «Futter» für Brennstoffzellen für den elektrischen Antrieb.

Die Erforschung dieser Antriebsart ist jedoch keinesfalls neu. Bereits in den 1950er Jahren wurde in den USA an einem Wasserstoffantrieb gebastelt. Das Projekt wurde jedoch 1958 wieder eingestellt. In der ehemaligen Sowjetunion waren es Ingenieure von Tupolev, die eine TU-154 mit einem Wasserstoff-Triebwerk ausstatteten und damit zahlreiche Testflüge absolvierten; die anderen 2 waren herkömmliche Kerosin Verbrenner.

Das Projekt wurde nach dem Zerfall der UdSSR eingestellt. Diese Antriebstechnik ist jedoch gegenüber dem Elektroantrieb in Sachen Forschung und Entwicklung mindestens fünf bis zehn Jahre im Rückstand und dürfte frühestens in der 2030er Jahren zum Thema werden. Ich rechne vorerst mal damit in ca. zehn Jahren das erste mal in einem Elektroflugzeug zu sitzen – sofern ich dann noch reisen kann. In zehn Jahren kann sich sehr viel verändern, wie man in den letzten beiden Jahren feststellen konnte.

(Erich Witschi)