Der Ukraine-Krieg liegt als dunkler Schatten über allem

Im Vorfeld der virtuell stattfindenden ITB erläutert Norbert Fiebig, Präsident des Deutschen Reiseverbandes (DRV) den aktuellen Stand der Branche im Nachbarland.
DRV-Präsident Norbert Fiebig ©Christian Wyrwa, Diplom-Foto-Designer (FH)

Prognosen für den Verlauf der Sommersaison sind durch den Krieg in der Ukraine schwierig bis unmöglich. Der DRV ist optimistisch, aber zurückhaltend.

Der Deutsche Reiseverband geht aufgrund einer ‘grossen Reiselust’ eigentlich mit Optimismus in die Urlaubssaison 2022, erklärt DRV-Präsident Norbert Fiebig. Doch seit vergangener Woche hat sich die Situation nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine verändert. Es gehe nun darum, dass die Diplomatie nach der ‘brutalen Invasion Russlands’ wieder die Oberhand gewinne, dies müsse im Zentrum alles politischen Handelns stehen.

«Dies gilt auch für unser Arbeiten, da dürfen wir uns nichts vormachen. Aber wie es sich auswirken wird und mögliche Beeinflussungen sind nur schwer zu beurteilen», gibt Fiebig zu bedenken. Zusätzlich zur Pandemie werde der Krieg eine weitere Herausforderung weltweit und für die Reisebranche, doch für detaillierte Prognosen sei es noch zu früh. Bereits jetzt sei ein erhöhter Beratungsbedarf absehbar, die Kunden kämen mit Fragen in die Reisebüros.

Pauschalreisen sorgen für Sicherheit

Dabei war die deutsche Reisebranche vor dem Einmarsch der russischen Truppen in der Ukraine am 24. Februar durchaus guter Stimmung. Nach einem schwierigen Jahr 2021 mit einem Totalausfall der Wintersaison hätten sich die Zahlen für den Sommer 2022 bislang gut entwickelt, so Fiebig. 2021 hatten die Pauschalreisen um 71 Prozent unter den Zahlen der Vor-Coronazeit gelegen, da es keine Fernreisen und große Rückstände bei Kreuzfahrten gegeben hatte.

«Im Sommer sind die Buchungszahlen damals um 134 Prozent nach oben gegangen, das Volumen hat sich auf knapp zehn Milliarden Euro mehr als verdoppelt», lautet Fiebigs Analyse. Die Kunden hätten die Sicherheit der Pauschalreise erkannt und genutzt. Als Rund-um-Sorglos-Pakete böten die organisierten Reisen auch eine deutlich bessere rechtliche Absicherung als einzeln gebuchte Reisebausteine.

Gute Anzeichen für den Sommer 2022

Für 2022 sei eine Trendwende zu erwarten, die Buchungen stiegen deutlich an, so Fiebig. Die Buchungsraten lägen über dem Niveau der Vor-Coronazeit, es könnte ‘ein richtig guter Sommer’ werden. Alles deute auf eine Erholung, 2023 könne dann das Niveau der Vor-Coronazeit erreicht oder übertroffen werden. Die wöchentlichen Buchungszahlen lägen seit Anfang Februar über den Werten von 2019. Das kumulierte Buchungsvolumen liege 48 Prozent unter den Werten der Zeit vor Corona, aber 60 Prozent höher gegenüber 2020.

«Es gibt einen enormen Nachholbedarf und die Buchungen der Familien steigen an. 75 Prozent dieser Neubuchungen sind Pauschalreisen.» An der Spitze der Urlaubsländer stünden wieder die klassischen Mittelmeerziele wie Spanien, Griechenland und die Türkei. Auch seien die Kunden bereit, höhere Preise für Reisen zu bezahlen, die Nachfrage nach höherwertigen Reisen sei angestiegen.

Die Zahlen für die Ostersaison sorgten für Hoffnung, es gebe hohe Buchungszahlen für Ägypten und die Türkei, aber auch die Nachfrage für die Malediven und die Dominikanische Republik sei gut. Nach oben gehe es auch für Hochsee- und Flusskreuzfahrten.

DRV begrüßt das Ende der Hochrisikogebiete

Erfreut zeigt sich der Verband über die Aufhebung der Hochrisikogebiete durch das Robert Koch Institut. «Das war überfällig.» Es gebe nun bei der Einreise nach Deutschland keinerlei Quarantäne- oder Anmeldepflichten mehr. Die Barrieren mit all ihren bürokratischen Folgen müssten dauerhaft weg. «Wir benötigen hier eine Verlässlichkeit, notwendig ist ein konsequentes Handeln.» Der DRV habe diese Rücknahme seit Monaten gefordert und sei froh, dass sie nun entschlossen umgesetzt werde.

Fokus liegt auf der Nachhaltigkeit

Einen Schwerpunkt neben dem Neustart der Branche während der laufenden Coronakrise bildet für den Verband und seine Arbeit der Klimawandel. «Wir bekennen uns zum Klimaschutz, unser Ziel sind klimaneutrale Reisen», zeigt Fiebig deutlich die Vorgaben für die Touristik. Die Reduzierung der Emissionen sei eine große Herausforderung, wichtig sei es hier, die Kunden dafür zu sensibilisieren. Hier liege der Ansatzpunkt.

Es gehe hier um die entsprechende Beratung, die transparent aufgebaut seien müsse und den Kunden klar den CO2-Fußabdruck ihrer Reisen anzeige. Dafür sei die Entwicklung eines verlässlichen Standards zur Ermittlung des CO2-Ausstosses erforderlich, die der Verband in Zusammenarbeit mit der Nachhaltigkeitsinitiative Futouris mit dem Projekt ‘Klimabewusst reisen’ im Februar gestartet hat.

Die Branche sei Teil des Problems, aber auch Teil der Lösung. Die klimaschädlichen Emissionen müssten bis 2030 deutlich reduziert werden, das Ziel für 2050 sei die vollständige Klimaneutralität. Zu langsam gehe es bei der Kompensation. «Die Möglichkeiten müssen ins Zentrum von umfassenden Beratungen rücken.»

Wolfram Marx