«Nur so wird der Kunde noch erreicht»

Im Interview mit TRAVEL INSIDE verrät Mathias Gerber, welche Hürden auf touristische Unternehmen beim digitalen Marketing warten.
Mathias Gerber, Regional Director DACH von Sojern / zVg

Warum nur wenige touristische Player ein modernes datengetriebenes digitales Marketing allein stemmen können: Ein Interview mit Mathias Gerber, dem Schweizer Regional Director DACH des Marketingdienstleisters Sojern.


Mathias Gerber, auf der Skala von eins bis zehn – wie entwickelt ist das digitale Marketing in der Touristik?
Bei manchen Anbietern auf Stufe neun, bei anderen leider noch auf Stufe zwei. Also im Schnitt irgendwo bei fünf.

So schlecht?
Mitunter fehlt noch das Bewusstsein für einen notwendigen Strategiewandel in Richtung datengetriebenes digitales Marketing. Und mitunter hapert es an der Umsetzung.

Warum ist ein Strategiewandel aus Ihrer Sicht notwendig?
Weil nichts mehr so ist, wie zuvor. Schon vor der Pandemie hatte sich das Informations- und Buchungsverhalten der Verbraucher verändert, seit Lockdown und Co. ist dieser Effekt noch stärker. Die Pandemie ist ein Brennglas. Sie hat den Kunden schneller als je gedacht zu einem digitalen Interessenten gemacht. Das bedeutet für das Marketing, dass es sich dieser neuen Realität stellen und anpassen muss. Es muss digital werden. Nur so wird der Kunde noch erreicht.

Wie hat sich das Verbraucherverhalten konkret verändert?
Abgesehen davon, dass Kurzstreckenziele und Destinationen ‘in der zweiten Reihe’ höher als zuvor im Kurs stehen, ist der Kunde in seinem Verhalten unberechenbarer. Er informiert sich früher und bucht deutlich kurzfristiger und er hat auch nicht mehr diese Bindung etwa zu Zielgebieten, wie er sie die letzten 40 Jahre hatte.

Es ergibt heutzutage auch keinen Sinn mehr, Marketing in bestimmten Zeiträumen zu machen. Der aktuelle Kunde ist immer am Thema Reisen interessiert. Eine optimale Kampagne ist always on und passt sich dynamisch – und in vielen Fällen automatisch – auf die Nachfrage an. Tourismusmarketing von morgen schielt nicht auf Saisonalitäten, sondern triggert permanent Nachfrage.

Die gewinnbringende Strategie lautet: Kontinuierlich statt periodisch. Das gilt nicht zur zeitlich, sondern auch räumlich: Die Marketingsilos müssen eingerissen werden. Der Kunde von heute ist vornehmlich digital unterwegs, man erreicht ihn mit einem Messestand oder mit einer Zeitungsanzeige kaum mehr.

Wo erreicht man ihn stattdessen?
Überall dort, wo er sich digital bewegt und das fängt bei der Informationssuche an. Danach muss er während des gesamten Sales Funnels medial begleitet werden. Und das ist aufwändig.

Wie aufwändig ist das?
Es ist datengetriebenes Marketing, das alle Touchpoints einbezieht und miteinander in Beziehung setzt. Man muss die Reiseabsichten erkennen und ihn an jeder Stufe des Kaufprozesses mit dem passenden Content ansprechen und das über alle Kanäle hinweg. Das schafft man nur mit vielen wertvollen Datenquellen, ausgewiesener Expertise und mit einem System, das mit Hilfe künstlicher Intelligenz die Buchungsvorgänge von Millionen Reisenden analysiert und die Ergebnisse für eine optimale digitale Ansprache zur Verfügung stellt.

Das ist für viele Anbieter nicht leistbar…
Richtig, wenn es der touristische Player selbst machen will. Für alle anderen gibt es Anbieter, die sich auf diese moderne Form der Kundengewinnung spezialisiert haben.
Werben bedeutet heute Datenmanagement. Das moderne Marketing muss datengetrieben sein. Ein strategisch kluges Datenmanagement ist der Nährboden für künftigen Erfolg. Das zeigen viele Beispiele aus unserer Praxis.

Native Ad von Zürich Tourismus / zVg

Gibt es Beispiele aus der Schweiz?
Für das Hotel Castell in Zuoz haben wir eine Direktbuchungsstrategie umgesetzt. Ergebnis: binnen sieben Monaten CHF 75’000 mehr direkter Umsatz. 18% aller Buchungen des Hotels kommen nun über uns, der Anteil an Drittanbietern ist zurückgegangen. Und für Zürich Tourismus haben wir mit einer Gewinnspiel-Kampagne die sehr spezielle Zielgruppe von Feinschmeckern erfolgreich erreicht. Mehr als 2300 User haben die Website von Zürich Tourismus besucht, 84% haben das Gewinnspiel abgeschlossen.

Können kleinere und mittlere Anbieter denn überhaupt einen solchen Aufwand stemmen?
Nur mit einem starken Partner. Denn die Gefahr lauert um die Ecke: Neue Player, etwa OTAs, arbeiten längst erfolgreich datengetrieben und die Mega-Player von Facebook bis Google sind Datenspezialisten die ins lukrative Reisegeschäft gehen. Gegen diese Wettwerber können sich auch kleinere und mittlere Anbieter wehren, sofern sie sich verstärken. Sie konkurrieren somit wieder auf Augenhöhe.

Wie hoch ist der Aufwand, auch mit einem Partner?
Nicht zu hoch, denn es gibt bereits Self-Service-Tools für digitales Marketing und Anbieter nehmen einem viel Arbeit ab. Der Wille und das Bewusstsein müssen da sein, die sind zunächst wichtiger als Ressourcen.

Viele Anbieter arbeiten seit Jahren mit den gleichen Agenturen zusammen. Können die das nicht auch?
Eingeschränkt. Deshalb sollte jeder Touristiker seine Agentur einmal fragen, welches datengetriebenes Marketing sie betreibt. Ob sie Suchverhalten aus tausenden Quellen einbezieht und alle Content-Formate auf allen relevanten Kanälen – von Search, Display, Social über Native bis hin zu Video und etwa Connected TV – in Echtzeit ausspielt und alle Kanäle fortwährend optimiert? Ob man in einem Frontend alle KPIs einsehen und das Marketing monitoren und justieren kann?

Falls ja, ist alles prima. Falls nicht, kann auch die Agentur einen Spezialisten zu Rate ziehen. Agenturen sind dankbare Nutzer von digitalen Marketingplattformen, denn sie bekommen dort One-Stop-Shopping in Sachen Advertising und bespielen alle Kanäle – das Silo-Marketing kann damit begraben werden.

Google wird auf Drängen der Politik Third-Party-Cookies verbieten, funktioniert digitales Marketing dann überhaupt noch?
Das Cookieverbot stellt Werbetreibende in der Tat vor neue Herausforderungen. Werbetreibende müssen sich bereits heute auf die neuen Rahmenbedingungen einstellen. Aber es ist ein weiterer Grund, warum sie starke Marketingpartner brauchen. Unser Haus etwa hat eine Technologie entwickelt, um weiter mit realistischen Kundendaten zu arbeiten. Somit sind unsere Kunden auf alle Eventualitäten vorbereitet.

Interview: Harry Weiland


Über Sojern:
Sojern ist eine nach eigenen Worten führende digitale Marketingplattform für die Touristikwirtschaft. Mit Hilfe künstlicher Intelligenz und viel Wissen über die Reiseabsichten von Nutzern liefert Sojern Multi-Channel-Marketing-Lösungen für den Direktvertrieb. Mehr als 10’000 Hotels, Attraktionen, Destinationen und Reiseanbieter nutzen Sojerns Lösungen, um Reisende auf der ganzen Welt zur Buchung zu motivieren.