Inniges Cruise-Feeling auf der Emerald Azzurra

TRAVEL INSIDE-Kreuzfahrtexperte Beat Eichenberger konnte die neue Megayacht, die sich in einer interessanten Kreuzfahrt-Nische positioniert, begutachten.
Die Emerald Azzurra im Hafen von Fujairah. ©BE

Die australische Scenic-Gruppe, bekannt für hochkarätige Flussreisen, stieg bereits 2019 mit der spektakulären Scenic Eclipse in das Hochsee-Segment ein. Teil von Scenic ist auch die Flussfahrten-Marke Emerald Cruises, die im Frühling 2022 mit einer ersten Cruise-Yacht ebenfalls den Sprung aufs offene Meer wagte.

In Dubais Port Rashid steigen wir auf die Emerald Azzurra zu, unweit davon liegt die MSC World Europa. Der Grössenunterschied ist gigantisch: Hier ein schnittiges 5175-BRZ-Schiff für maximal 100 Gäste, dort ein bulliger 215’000-BRZ Megaliner für maximal 6762 Gäste. Zwei Welten, die letztlich beide unter dem Begriff «Kreuzfahrt» segeln.

Eine Yacht, kein Cruiseliner

Doch dies lässt Julian Burgess, jovialer englischer Kapitän der Emerald Azzurra, so nicht gelten: «Das hier ist kein Kreuzfahrtschiff, sondern eine Yacht!». Mit einer Länge von 110 Metern, einer Breite von 16 Metern und sechs Passagierdecks bewegt sich die Emerald Azzurra tatsächlich in einem Bereich, in dem sich nur ganz wenige Warmwasser-Megayachten tummeln.

Prächtig gelegene Sky Bar. ©BE

Wobei: Die Bord-Infrastruktur weist durchaus einen umfassenden und eleganten «Kreuzfahrt»-Standard auf, wie ein erster Rundgang zeigt: Auf Deck 3 das Restaurant La Cucina mit Aussenterrasse, die Amici Bar & Lounge, die Reception und ein kleiner Shop. Auf Deck 4 vorne eine kleine Observation-Lounge mit Bibliothek, auf Deck 5 hinten der Infinity-Pool mit Liegen und das Aqua Café, ganz oben herrlich auf Deck 7 gelegen die Sky Bar mit Whirlpool und Liegen.

Zuunterst auf Deck 2 befindet sich gar ein kleiner Sauna-, Spa- und Fitness-Bereich mit Hairdresser und der Arzt. Dieses Deck mündet baulich hinten in eine Marina, eine Plattform für allerlei Wassersport und Zodiac-Ausflüge unterwegs. Eine weitere Besonderheit: Fast zu jeder Zeit ist die Brücke offen für Besucher, die dem Kapitän und seiner Crew über die Schultern schauen können.

Elegantes Design und Meeresnähe
Amici Bar & Lounge. ©BE

Das Innendesign des übersichtlichen Schiffs ist modern und schnörkellos, die Farbgebung wird von aparten Grau- und Anthrazittönen dominiert. Passend dazu da und dort Glas, Spiegel und silbriges Metall, farbenfrohe Kissen und Blumen sorgen in der Lounge für Kontrapunkte, fehlen jedoch in den Kabinen.

Diese sind in sechs Kategorien unterteilt: Die sechs Ocean Staterooms mit Fenster auf Deck 3 sind 17 bis 19 qm gross, die Balcony Suiten auf Deck 4 und 5 weisen 26 bis 28qm auf, die grössere Suiten auf Deck 5 und 6 zwischen 35 und 67qm und die zwei Owner’s Suiten auf Deck 6 voraus mit grosser Terrasse gar 110qm. Alle sind mit jedem Komfort inklusive Kaffeemaschine ausgestattet.

Es ist die ständige Nähe zum Meer, die für ein ganz spezielles Cruise-Erlebnis sorgt: Aus allen Innenbereichen fällt der Blick automatisch auf die Weite des Wassers, die Aussenbereiche des La Cucina, auf dem Pool- und Sky-Deck werden ergänzt durch grosse Deckflächen voraus. Dass diese keine echten Teak-Planken aufweisen, ist zu verkraften: Die Emerald Azzurra will sich nicht als exaltiertes Luxus-Schiff verstanden wissen, sondern als elegante, intime Yacht im gehobenen Segment.

Ungezwungen-schicke Atmosphäre

Dieser Anspruch spiegelt sich in der ungezwungenen, freundlichen und familiären Bordatmosphäre, welche die Emerald Azzurra auszeichnet. Man kennt sich bald, Gespräche keimen auf und man teilt gerne die gemeinsamen Erfahrungen. Bordsprache ist Englisch, die meisten Gäste auf der Emerald Azzurra stammen aus angelsächsischen Ländern.

(v.l.) Sarah Föhn, Achim Weber und Dominika Lange. ©BE

«Der kontinentaleuropäische Markt ist im Aufbau, wobei derzeit noch die DACH-Märkte, Benelux und Skandinavien im Vordergrund stehen», sagt Dominika Lange, die seit Oktober 2021 als General Manager Sales & Marketing EMEA bei Scenic und Emerald diese Arbeit vorantreibt. Sie ist ebenso an Bord dieser Reise wie Sarah Föhn, Head of Marketing EMEA und Achim Weber, Head of Sales DACH.

Für die Emerald Azzurra sieht Lange viel Potenzial bei einem jüngeren Publikum, das eine internationale Atmosphäre in einem intimen, gehobenen Rahmen liebt und für neue Destinations-Erfahrungen offen ist. Der durchschnittliche Tagespreis pro Person liegt zwischen CHF 500 und 600, wobei die Getränke zu den Mahlzeiten, die Trinkgelder und Transfers inbegriffen sind. Zum Vergleich: Auf der luxuriösen Scenic Eclipse sind die All-inklusive-Tagesansätze rund doppelt so hoch.

Relaxtes Bordleben ohne Spektakel

Shows und Spektakel darf man an Bord der Emerald Azzurra nicht erwarten, dafür spielt abends der exzellente Gitarrist und Sänger Omar Portillo, hin und wieder begleitet von der vergnügten Cruise-Direktorin Chloë Ashton-Milton, die auch über eine grossartige Stimme verfügt. Vorträge in der Lounge, mal ein Quiz oder oben im Aqua-Café eine Disco sorgen weiter für kurzweilige Abende. Zum Sonnenuntergang treffen sich Yoga-Aficionados an Deck.

Gut gelauntes Galley-Team. ©BE

Rund 70 Staff-Mitglieder aus aller Welt kümmern sich um den sicheren Betrieb des Schiffes und sehr aufmerksam und freundlich um die Gäste. Für die Hotel-Crew ist Hotel Direktor Cristian Castro zuständig, ein erfahrener Profi mit einer langen Cruise-Karriere u.a. bei Silversea und Seabourn. «Viele Mitarbeitende verlängern die Verträge stets wieder», freut er sich über die gute Stimmung hinter den Kulissen.

Die Küche von Chef Li und seinem 12-köpfigen Galley-Team darf gelobt werden: Im La Cucina wird morgens und mittags ein feines Buffet zubereitet, am Abend A-la-Carte gespiesen. Mediterrane Küche herrscht vor, und «alles wird stets a-la-minute zubereitet», wie Li unterstreicht, der auch schon auf der Scenic Eclipse das Küchen-Zepter schwang. Im Aqua Café stehen mittags und nachmittags alternativ Snacks und Salate zur Wahl.

Dass die Emerald Azzurra, die auf der Halong Shipyard in Vietnam erbaut wurde, allen heute geforderten Umwelt-Anforderungen entspricht, darf und muss erwartet werden. Das Schiff fährt mit schwefelreduziertem Marine Diesel (MGO) und verfügt über einen Katalysator; die durchschnittliche Reisegeschwindigkeit beträgt rund zehn Knoten. Modernste Anlagen zur Abwasserreinigung und gezieltes Abfall- und Recycling-Management sind ebenso selbstverständlich wie etwa das Vermeiden von Plastik.

Warmwasser-Ziele abseits der Massen

Bei der Routenphilosophie der Emerald Azzurra stehen die schönsten Warmwasser-Ziele im Mittelpunkt. Nach dem Arabischen Golf und dem Roten Meer geht es ab März und bis im Herbst auf unterschiedlichen acht- bis elftägige Fahrten im östlichen und westlichen Mittelmeer und in der Adria weiter. Im November wechselt das Schiff für eine Wintersaison in die Karibik über – auch die Seychellen sind in der Planung.

Die Emerald Azzurra in Maskat (re.), links die «Yacht» des Sultans von Oman! ©BE

«Unbekannte Ziele in bekannten Regionen», so lautet das Reise-Motto. Seetage gibt es wenige, das Schiff legt fast jeden Tag in kleineren Häfen und Destinationen abseits der Massenziele an, wo Landausflüge angeboten werden. Dies waren auf unserer Arabien-Reise Khasab, Fujairah und Maskat. Nicht ausgeschlossen sind auch mal spontane Routenänderungen, die einen Mehrwert versprechen.

Bereits Anfang August nimmt Emerald Cruises mit der Emerald Sakara eine zweite, identische Cruise-Yacht in Dienst, die ebenfalls im Mittelmeer und in der Karibik unterwegs sein wird. Zwei weitere Einheiten sind in der Pipeline – bei Emerald Cruises zweifelt man nicht am Potenzial in der Nische eleganter, intimer Yacht-Seereisen.

Beat Eichenberger, Maskat