Petra Hubler-Schäfer: «Verdienen kommt von dienen»

Petra Hubler-Schäfer, Inhaberin und Geschäftsführerin von El Travel in Solothurn, über den Fachkräftemangel, die Filialnetze der grossen TO und ihr Unternehmen.
Petra Hubler-Schäfer

Petra Hubler-Schäfer, Jahrgang 1965, hat Anfang der 1980er ganz klassisch eine Reisebürolehre bei Vollenweider Reisen AG in Solothurn in Angriff genommen.

Als sie das Reisebüro bei einem Stadtbummel von aussen betrachtete, wurde sie neugierig: «Nach einwöchigem Schnuppern bekam ich den Zuschlag für die Lehre.» Bereits dazumal gab es auch einiges, das gegen eine Reisebürolehre gesprochen hätte: «Bei einer Versicherung oder auf einer Bank hätte ich bessere Arbeitszeiten gehabt und auch mehr verdient – also die gleichen Themen wie heute.»

«Inspiration war schon immer mein Weg, und so bin ich mit dieser wunderbaren Branche in Berührung gekommen.» In der Lehre war Hubler-Schäfer keine Top-Schülerin. «Es war keine einfache Zeit für mich, darum wollte ich nach der Lehre einfach nur weg von der Reisebranche.» Aus diesem Grund hat sie nach der Reisebürolehre andere Wege eingeschlagen. 

Letztlich musste sie sich gestehen, dass die Reisebranche eigentlich ganz cool war. Dann wurde sie von ihrer damaligen Lehrmeisterin kontaktiert, man hätte sie gerne wieder zurück. Von da an ging es für sie in der Branche bergauf. «Ich wurde endlich richtig gefördert, habe extrem viel gelernt und bin bis Januar 1998 dageblieben.

Familie und Arbeit unter einen Hut bringen

Daraufhin hat sich Petra Hubler-Schäfer auf die eigene Familie konzentriert. «Fertig Reisebranche, als mein Sohn acht Monate alt war, habe ich mich gefragt – was jetzt? – ich war gut organisiert und habe mich informiert, wie ich Familie und Arbeit unter einen Hut bringe.» 1998 war schwierig Teilzeit zu arbeiten. «Ein 70-80-Pensum war vielleicht möglich, aber so 20-30% zu arbeiten, war praktisch undenkbar – das gab es einfach nicht.»

In Biberist fand sie zwei Reisebüros, wo sie Teilzeit arbeiten konnte. Doch die 20-30% haben nicht lange ausgereicht und so hat sie ständig etwas an Pensum aufgestockt. «Ich hatte schon da viele Stammkunden. Die Reisebranche ist ein People-Business und ich bin in der Region sehr gut verankert und auch engagiert, das hat sich bei mir ausbezahlt. Ja und irgendwann kam dann die Frage auf, weshalb ich nicht selbst ein Reisebüro eröffne.»

2009 gründete sie in Biberist ‘El Travel einfach luxuriös’. «Ich hatte viele KMU als Kunden, die schöne Reisen bei mir buchten. Ich konnte aber nichts zurückgeben, da ich sie, wenn bei uns Arbeiten anstanden, nicht berücksichtigen konnte. Das ist über Grosskonzerne gegangen und das war mir immer sehr unangenehm. Zum anderen hat mir die eigene Firma ermöglicht, dass ich Job und Familie, mit zwei Kindern, weiterhin unter einen Hut bringen konnte.»

Bereits von Anfang an hatte sie Verstärkung im Betrieb mit Teilzeitangestellten. Der personelle Aspekt war das Schwierigste. «Es war schon ein Krampf in den ersten fünf Jahren.» Durch ihr privates Engagement und ihre gute Vernetzung in der Region, durch Fleiss, Verzicht und auch Glück, sind auch schnell viele neue Kunden hinzugekommen.

Nach acht Jahren in Biberist ist sie 2017 mit El Travel in die Vorstadt nach Solothurn umgezogen, wo ihr Reisebüro bis heute gut platziert ist. Jetzt sei sie bereits fünf Jahre hier und es laufe tiptop und dies trotz der grossen Konkurrenz in Solothurn. «Es gibt in Solothurn zu viele Reisebüros. Wir haben hier Travelino, Travelhouse, Kuoni, Knecht. TUI Solothurn wurde kürzlich geschlossen und in Längendorf gibt es im Einkaufscenter noch eine Hotelplan-Filiale.»

Von einer Abwanderung hat sie keine Angst. «Wenn wir unseren Job gut machen, damit meine ich wirklich gut, auch wirtschaftlich, gibt es keinen Grund abzuwandern. Unsere Kunden kommen auch wegen dem Persönlichen zu uns.» Wichtig sei es auch ‘lokal loyal’ zu sein – man müsse auch was zurückgeben und für die Kunden auf der Matte stehen. «Verdienen kommt von dienen.»


Petra Hubler-Schäfer, wie unterscheidet sich Ihr Unternehmen von anderen Anbietern?

Rein vom Angebot her unterscheiden wir uns nicht. Wir kochen alle mit dem gleichen Wasser. Die anderen machen sicher auch einen guten Job – was wir besser machen, müssen Sie wohl unsere Kunden fragen. Aber was ich so von unseren Kunden höre und die Feedbacks, die ich erhalte, ist sicher unsere Verlässlichkeit ein grosser Pluspunkt.

Wir sind immer da für unsere Kunden und denken auch über den Tellerrand hinaus, sind ehrlich und reden Kunden auch mal Ideen aus. Die Kunden vertrauen uns – also im Endeffekt wieder das angesprochene Persönliche, das wir unserer Kundschaft bieten.

Was bedeutet Reisen für Sie im Allgemeinen – was sind Ihre Favoriten, was steht noch auf Ihrer Bucket List?

Das hat sich in den Jahren immer wieder verändert bei mir. In den jungen Jahren waren es vor allem Fernreiseziele. Ich war in Australien, Asien und Amerika und das hat mich zu dieser Zeit auch am meisten fasziniert. Ungefähr mit 40 kam ein Knick, das hatte auch damit zu tun, dass ich dann eine Familie und Kinder hatte. Man reist plötzlich anders und hat auch andere Bedürfnisse. Europa und nähere Ziele wurden plötzlich interessanter.

Heute ist es noch einmal etwas anders. Wir haben Corona hinter uns und das war eine unglaubliche anstrengende Zeit für mich, so dass ich kaum die Kraft hatte, überhaupt einen Koffer zu packen. Das Organisieren von Reisen ist extrem kompliziert geworden und es hört erst auf, wenn die Kunden wieder zurück sind. Daher bin ich auch froh, einfach auch nur zuhause zu sein. Sonst mag ich aktive Reisen, Reisen, wo ich mich bewegen kann – Europa im Allgemeinen ist für mich eines der schönsten Reiseziele geworden. Europa ist vielfältig und es bietet alles, was ich mir wünsche und es ist einfach näher an der Schweiz.

Ferien waren früher ein Luxusgut und heute werden sie oft nur noch konsumiert. Ich möchte das für mich persönlich aber auch für meine Kunden Ferien etwas Spezielles bleiben.

Sie haben Corona erwähnt, wie haben Sie die Krise erlebt?

In der Reisebranche haben wir die Möglichkeit in andere Länder zu blicken und zu beobachten, wie sie leben und überleben. Mit diesem Wissen, wie sich Menschen in anderen Ländern täglich durchs Leben kämpfen, ist mir bewusst geworden, in was für einer absoluten Wohlfühloase wir uns eigentlich befinden. Wir hatten sofort Hilfe vom Staat, es gab Kurzarbeit usw.

Ich als Arbeitgeberin hätte mich auch einfach zurücklehnen können. Das kam aber nicht in Frage und darum habe ich mich auf andere Stellen beworben. Ich habe gegenüber im Restaurant im Service und in der Küche gearbeitet, um nebenbei noch etwas zu verdienen können. Das Büro war ja trotzdem geöffnet, also musste ich darauf meinen Fokus legen. Zusätzlich habe ich mich dann im Bürgerspital Solothurn in der Covid-Administration beworben, wo ich anderthalb Jahre im Angestelltenverhältnis mit verschiedenen Pensen gearbeitet habe.

Was ich damit sagen möchte, ist, dass wir in der Schweiz eine sehr verwöhnte Situation hatten und wie viel trotzdem gejammert wurde. Ich habe in dieser Zeit viel Bequemlichkeit angetroffen. Ich habe in der Schweiz die Eigenverantwortung zu ‘überleben’ vermisst.

Was ist Ihnen im Umgang mit Ihren Angestellten wichtig?

In erster Linie bin ich sehr froh, dass ich sehr gute Leute in meinem Team habe. Während und gegen Ende der Krise war es immer mit einem gewissen Risiko verbunden, Mitarbeitende einzustellen oder die Pensen zu erhöhen – mit dem Gedanken, dass wenn es plötzlich wieder richtig losgeht, musste ich aber auch bereit sein. Daher war eine gute und offene Kommunikation mit meinen Angestellten immer sehr wichtig.

Carmen Flury hat durch die Krise immer mit verschiedenen Pensen gearbeitet und im März 2022 habe ich mit Dunja Kiefer eine weitere Stelle besetzt. Das war ein Risiko, dass sich im Endeffekt ausbezahlt hat. El Travel hat Topprofis und wir sind gut aufgestellt.

Wie haben sich die Arbeitspensen verändert durch diese Zeit bis jetzt?

Während der Krise habe ich alles auf null heruntergefahren. Carmen Flury arbeitet jetzt wieder 80%, dies wurde aber von einem 30%-Pensum step by step hochgefahren. Dunja Kiefer arbeitet 60%. Mein Pensum ist nicht wirklich messbar, budgetiert bin ich etwa bei 80-100% – das ist aber sehr schwierig zu messen. Ich bin eigentlich immer hier. Wir hatten noch nie so viele Stellenprozent wie jetzt.

Wie begegnen Sie und Ihr Unternehmen dem Fachkräftemangel, was muss die Branche Ihrer Meinung nach diesbezüglich besser machen?

Unsere Branche macht sehr viel und hat sich auch entwickelt. Ich vermisse ein positives Marketing für unsere Branche. Unser Beruf ist spannend, vielseitig und wir haben ein positives Thema. Das macht Freude. Wir haben nicht einfach keine Fachkräfte mehr wegen Corona. Wir haben Babyboomer, Dinosaurier, die jetzt immer mehr wegfallen. Wir haben Frühpensionierte und generell viel zu wenig Nachwuchs, beziehungsweise unser «neues» Schulsystem bringt uns keinen Nachwuchs.

Früher war es für viele ein Traum in einem Reisebüro arbeiten zu können. Heute wissen viele nicht einmal mehr, dass es überhaupt noch Reisebüros gibt. Und früher waren die Bedingungen nicht besser. Es gab auch schon früher strenge Arbeitszeiten und weniger Verdienst und trotzdem wollten viele in der Reisebranche arbeiten.

Heute ist es eigentlich sogar besser geworden. Die Arbeitszeiten haben sich verbessert, viele Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zahlen anständige Löhne und die Leistungen sind auch besser als früher. Wir haben gute Anstellungsbedingungen und wer das nicht sieht, muss sich mal in andere Branchen umsehen. Viele sehen heute gar nicht mehr, was sie eigentlich haben. Ich frage mich manchmal, ob es heute überhaupt noch möglich ist Zufriedenheit bei Fachkräften zu schaffen, wenn keiner mehr arbeiten möchte.

Wie stehen Sie zum Thema Nachhaltigkeit – brauchen wir eine CO₂-Flugsteuer?

Nachhaltigkeit ist sicherlich ein wichtiges Thema. Dies hat aber auch immer mit Verzicht und auch mit Kosten zu tun. Wer will das? Eigentlich niemand. Daher muss das jeder für sich entscheiden.

Auch was André Lüthis Forderung betrifft, ich bin da weder dafür noch dagegen. Ich finde Lüthi macht generell einen guten Job und wenn die Mehrheit für eine solche Flugsteuer ist, dann ist es auch so und dann wehre ich mich auch nicht dagegen. Ich finde aber man kann alles übertreiben. Nachhaltig ja, aber im Rahmen.

Wie stehen Sie als Inhaberin eines unabhängigen Reisebüros zu den grossen Schweizer TO und vor allem zu ihren Filialen?

Ich habe nicht den Eindruck, dass uns die TO das Leben schwermachen, ich habe sehr gute Kooperationen mit TO. Die Zusammenarbeit mit dem TO ist eine Partnerschaft die auf gegenseitigem Respekt und Anstand basiert. Wir sind aufeinander angewiesen. Aber im Anbetracht der Situation – Fachkräftemangel etc. – müssen wir vielleicht darüber nachdenken, neue Wege zu gehen.

Das heisst, enger miteinander zu arbeiten, sprich brauchen die grossen Schweizer TO wirklich überall dieses ausgeprägte Filialnetz? Klar, das ist in erster Linie eine finanzielle Überlegung, diese Filialen heben auch die entsprechenden Marken in den Vordergrund, aber das machen wir unabhängigen Reisebüros ja ebenfalls. Wir haben auch Prio-Partnerschaften.

Was spricht denn gegen dieses Filialnetz?

Durch den Fachkräftemangel muss man sich überlegen, ob es nicht Sinn machen würde, das gewisse Filialen und unabhängige Reisebüros zusammengelegt werden. Wegen den nicht vorhandenen personellen Ressourcen müssen wir früher oder später über genau diese Dinge sprechen.

Wie diese Zusammenschlüsse im Endeffekt aussehen, müsste man genau anschauen, aber ich denke, da führt in Zukunft kaum ein Weg daran vorbei. Mit dieser Veränderung könnte nicht nur Miete eingespart werden, man könnte auch Fachkräfte effektiver einsetzen.

Gibt es also Ihrer Meinung nach zu viele Reisebüros?

Es gibt im Moment vor allem zu wenig Leute für die Anzahl Reisebüros und das wird in Zukunft noch schlimmer werden. Wenn also grosse und vor allem kleinere Marken überleben wollen, müssen sie sich genau diese Gedanken machen.

Zurück zu El Travel: Wie erfolgreich war das Reisejahr 2022 im Vergleich zu Vor-Corona?

Sehr gut. Wir haben 2022 mehr Umsatz gemacht als vor der Pandemie.

Wo sehen Sie die Trends für dieses Jahr?

Ich sehe die Trends bei den Fernreisedestinationen, weil sie in den vergangenen Jahren gar nicht oder nur schwer bereisbar waren. Das Interesse und der Nachholbedarf sind nach wie vor sehr gross.

Wie werden sich die äusseren Einflüsse (Klima, Krieg, Krisen usw.) auf das Kundenverhalten niederschlagen?

Die Menschen suchen Ruhe. Die Leute haben genug und wollen diesen Einflüssen entfliehen. Deswegen ist das für uns auch eine grosse Chance.

Werden die Preise bei Ihnen in diesem Jahr ansteigen?

Auf jeden Fall. Gott sei Dank gehen die Preise nach oben. Es müssen wieder vernünftige Preise für Reisen her. Klar, müssen auch die Erhöhungen der Preise in einem vernünftigen Rahmen sein. Reisen sind nicht teurer geworden, das ist eine falsche Formulierung. Reisen war einfach jahrelang zu billig.

Wie sind Ihre Erwartungen für 2023?

Wir erwarten eine weitere Umsatzsteigerung in diesem Jahr. Wie es dann in den darauffolgenden Jahren aussieht, wird sich zeigen – dann kommt es auch darauf an, wie gut die Branche in Zukunft die Ressourcen bündeln kann.

Yannick Suter, Solothurn