DMO müssen umdenken

Ein vom SECO in Auftrag gegebener Grundlagenbericht fordert von den DMO ein Umdenken weg von der Destinationssteuerung hin zur Projektlogik.
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Der unter der Leitung von Prof. Dr. Christian Laesser von der Universität St. Gallen erarbeitete Grundlagenbericht beleuchtet die Strukturen und Aufgaben sowie Herausforderungen und Perspektiven von Tourismusdestinationen und gibt Empfehlungen für das zukünftige Destinationsmanagement ab.

Management- und Marketingpraktiken greifen zu kurz

Destinationsmanagement und -marketing sind zwei Begriffe jüngeren Datums, die sich an die Idee anlehnen, dass ein beliebig geographisches Gebiet (Tourismusdestination) sich wie
ein Unternehmen führen lässt und gleichzeitig wie ein Konsum-/Gebrauchsgut vermarktet
werden kann.

Die daraus abgeleiteten Praktiken des Managements und des Marketings
greifen im Alltag zu kurz, als dass diese Gebiete tatsächlich die durch die sich damit beschäftigenden Akteure erwünschte Entwicklung erfüllen können. Die Suche nach dem ‘heiligen Gral’ der guten Planung, des erfolgreichen Führens und Managens eines geographischen Gebietes (mit mehr oder weniger Reisenden und somit mit mehr oder weniger auffälligem Tourismus) geht weiter.

In der Zwischenzeit wurden Tourismusorganisationen auf verschiedenen administrativ-geographischen Ebenen, zuerst durch Akteure der Branche, heute auch seitens der Öffentlichkeit, als passende organisatorische Gefässe bestimmt, um die zunehmenden Praktiken des Destinationsmanagements und -marketings auszuführen und um den obenerwähnten Wunsch (gesamtheitliches touristisches Management und Marketing eines Gebietes) zu erfüllen.

Von der Erbringung von Informationen und ergänzenden Dienstleistungen vor Ort und für die Reise haben sich diese Organisationen in der Erwartungshaltung der Anspruchsgruppen 16 Tourismus Destinationen: Strukturen und Aufgaben sowie Herausforderungen und Perspektiven und in ihrer Selbstwahrnehmung zu den designierten Institutionen weiter entwickelt, welche Koordination, Struktur und Ordnung in einem durch Reisende geschaffenen Kontext schaffen sollen.

Erwartungen der Leistungsträger

Die Erwartungen der Leistungsträger an die DMO (Destination Management Organisation) haben sich in dieser Zeit kaum verändert: Im Zentrum stehen klassische Aufgaben, wie die Gästebetreuung und -information digital und vor Ort, sowie die Vermarktung der Destination.

In einer Zeit, in welcher der Tourismus aufgrund von äusseren Bedingungen – Klimawandel, sich verändernde Gästebedürfnisse, neue Märkte, Personalmangel, usw. – einer grossen Dynamik und damit einem Veränderungsdruck unterliegen, wird die Anpassungsfähigkeit an die neuen Bedingungen wichtiger.

Eine kritische Diskussion über den Nutzen der bisherigen Aufgaben, aber auch über den zunehmenden Anspruch an die DMO, strategische Entwicklungs- und Steuerungsaufgaben zu übernehmen, ist vor dem Hintergrund knapper Ressourcen notwendig.

DMO reagieren auf den Veränderungsdruck mit professionelleren Strukturen und dem
Wunsch, die Entwicklungsrichtung der Destination aktiv zu beeinflussen. Gedanklich wird
die strategische Steuerbarkeit der Destination mit der DMO als leitender Akteur angestrebt.
Diese Haltung muss jedoch aus verschiedenen Gründen hinterfragt werden.

Verantwortung ohne Kompetenz

DMO können ihre eigene Erwartung und jene der Leistungsträger nicht bzw. nur beschränkt erfüllen, eine stringente strategische Entwicklung der Gesamtdestination zu erwirken. Dafür gibt  es verschiedene Gründe:

  • Verantwortung ohne Kompetenz: DMOs haben keinen Durchgriff auf die Leistungsträger. Sie können nur motivieren, anregen, koordinieren und unterstützen, nicht jedoch eine bestimmte Entwicklungsrichtung vorgeben und durchsetzen. Der direkte
    Einflussbereich von DMOs beschränkt sich auf eigens kontrollierte Aufgabenbereiche,
    wie beispielsweise der digitale Auftritt oder die Vermarktung der Destination sowie
    Gästebetreuungsaufgaben vor Ort.
  • DMO haben kaum eigene finanzielle Mittel, die sie frei einsetzen können. Damit
    sind sie immer davon abhängig, welche Ziele durch die Geldgeber – also von der öffentlichen Hand und schliesslich auch durch die Leistungsträger selbst – erwünscht
    sind.
  • DMO agieren tendenziell konsensorientiert und sind gedanklich ‘allen’ Leistungsträgern in der Destination oder mindestens einer Mehrheit verpflichtet. Bei der unterschiedlichen Interessenlage der Leistungsträger bedeutet dies nicht selten, den kleinsten gemeinsamen Nenner zu suchen

DMO sehen sich dennoch mehrheitlich im Lead, wenn es um den Wunsch nach übergeordneter, strategischer Steuerung geht. Die resultierenden Destinationsstrategien enthalten nicht selten diffuse Zielbilder, Visionen und Schlagworte und bleiben – wenig überraschend – oftmals wirkungslos. Destinationen als komplexes Konstrukt aus unterschiedlichen Akteuren und Interessengruppen sind durch DMO in der Regel nicht steuerbar.

Im Grundlagenbericht werden weiter verschiedene, die Branche stark beschäftigende Themen wie die Auswirkungen der Pandemie und postpandemische Tourismustrends, wirtschaftliche Aspekte, Digitalisierung, Demographie, Klimawandel und Fachkräftemangel beleuchtet.

Schlussfolgerungen

DMO müssen sich von der kollektiven Illusion der Steuerbarkeit der Destination lösen und
sich stattdessen auf einzelne Massnahmen rund um Kernprozesse auf unterschiedlichen
Wertschöpfungsketten konzentrieren. Solche Massnahmen beinhalten stets einen Willensbildungsprozess sowie einen Umsetzungsprozess.

Die DMO kann minimal einen Prozess moderieren, bei dem sich eine Gruppe oder sogar eine Mehrheit der Leistungsträger und Akteure auf die gemeinsame Planung und Umsetzung von konkreten Massnahmen oder einem Bündel an Projekten verständigt und bei dem eine Verbindlichkeit für die involvierten Akteure angestrebt wird.

Gegebenenfalls können sie sodann auch die Koordination der Umsetzung oder einzelne Umsetzungsschritte übernehmen. Dieser Ansatz impliziert letztlich eine Projektlogik, wobei jedes Projekt inhaltlich unterschiedliche Inputs, Outputs und antizipierte Outcomes haben kann.

Trotz dieser Verschiedenartigkeit besteht eine gemeinsame Klammer:  Lenkungsstrukturen und Regelsysteme, wie ein einzelnes Projekt oder gegebenenfalls ein Verbund von synergetischen Projekten abläuft und umgesetzt werden kann. Eine Projektlogik erhöht die Granularität und Spezifität, wer was weshalb genau macht. Darüber hinaus nimmt die Komplexität ab, da Massnahmen besser portioniert werden.

Handlungsempfehlung

Die Autoren schlagen ein Verfahren vor, für welches im Destinationsmanagement (bspw. Management von Besucherströmen) und in der Schweiz generell (bspw. direktdemokratische Lenkungsstrukturen und Regelsysteme) schon lange Vorbilder bestehen.

Zur Umsetzung wird es jedoch eine Reihe von Arbeiten benötigen. Während diese in Bezug auf Inhalte aufgrund der unterschiedlichen Kontexte destinationsspezifisch sind, können sie zur Schaffung dieser Inhalte notwendigen Prozesse destinationsübergreifend sein. Die Autoren des Grundlagenberichts regen  hierzu eine Community of Practice an, bspw. in Form eines Innotour-Projekts und den Prozess, der mit diesem Bericht begonnen wurde, fortzusetzen. (MICE-tip)