Holigay und Gaycation: LGBTQIA+-Reisende zwischen Vorsicht und Zuversicht

Reisestudie zeigt die speziellen Bedürfnisse der Community – und wie sie die Reisebranche erfüllen kann.
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©Booking.com

Die bisher umfangreichste Umfrage zu LGBTQIA+-Reisen von Booking.com beleuchtet die wachsende Besorgnis um die persönliche Sicherheit. Sie zeigt  aber auch, wie aktive Allies in der Reisebranche dazu beitragen, das Vertrauen der Reisenden zu stärken.

Obwohl die Reisebranche den Umfang und die Vielfalt der Community zunehmend anerkenne, begegneten viele LGBTQIA+-Reisende weiterhin enormen Herausforderungen, schreiben die Studienautoren. Vor dem Hintergrund polarisierender politischer Entscheidungen in den letzten 12 Monaten sei die persönliche Sicherheit noch nie so wichtig wie heute.

Vier von fünf LGBTQIA+-Reisenden weltweit geben an, dass sie bei der Wahl ihres Reiseziels ihre Sicherheit und ihr Wohlbefinden als queere Person berücksichtigen müssen – ein deutlicher Anstieg gegenüber 64% im Jahr 2022. Dies gilt auch für intersexuelle (90%), genderfluide (90%), transfeminine (89%) und transmaskuline (87%) Reisende weltweit.

Die Umfrage wurde unter 11’555 LGBTQIA+-Reisenden in 27 Ländern und Regionen, darunter 1000 in der Schweiz, durchgeführt. Sie zeigt auch, dass Mainstream-Nachrichten – etwa über Probleme bei grossen Sport- und Musikveranstaltungen oder zum Sponsoring von Prominenten und Unternehmen – diskriminierende Gesetze und Ansichten für viele ins Rampenlicht gerückt haben.

Diese Nachrichten wirken sich auch auf die Ferienentscheidungen der Befragten aus: 71% der LGBTQIA+-Reisenden geben zu, dass Kontroversen in den Nachrichten über die Wahrnehmung der queeren Community sowie über Diskriminierung und Gewalt gegenüber Menschen, die sich als LGBTQIA+ identifizieren, einen grossen Einfluss auf ihre Wahl des Reiseziels hatten. Am vorsichtigsten sind dabei LGBTQIA+-Reisende aus Australien (84%), Hongkong (82%) und den USA (79%).

64 Tabu-Ziele 

Diese Entwicklungen bedeuten, dass die persönliche Sicherheit für queere Personen bei der Reiseplanung ein verstärkter Diskussionspunkt ist, insbesondere für Transgender. Weltweit gibt es immer noch 64 Länder, die gleichgeschlechtliche Beziehungen kriminalisieren – darunter elf, in denen die Todesstrafe verhängt werden kann.

Folglich kommen diese Reiseziele für die Mehrheit der LGBTQIA+-Reisenden nicht in Frage, obwohl in einigen der Länder grosse globale Veranstaltungen stattfinden. Zwei Drittel (64%) der Befragten geben an, dass konkrete Reiseziele für sie völlig tabu sind. Dies gilt sogar für nahezu drei Viertel (74%) der Transgender-Reisenden, die Berichten zufolge einer unverhältnismässig höheren Rate an Diskriminierung und Gewalt ausgesetzt sind.

Auch nach der Buchung von Reisen bleiben LGBTQIA+-Reisende wachsam: 41% der Befragten haben im vergangenen Jahr eine Reise abgesagt, weil das entsprechende Land Menschen, die sich als LGBTQIA+ identifizieren, nicht unterstützt. Für Transgender liegt diese Zahl mit 6 % noch deutlich höher.

Diskriminierung bleibt eine zentrale Sorge beim gesamten Reiseerlebnis. 6 von 10 (58%) Befragten haben auf Reisen bereits Diskriminierung erlebt. Bei transfemininen (86%) und transmaskulinen (83%) Personen liegt der Anteil global gesehen deutlich höher.

Zusätzliche Hürden im Pass

Für Transgender kann das Reisen mit zusätzlichen Hürden verbunden sein, beispielsweise wenn ihre Geschlechtsidentität, ihr Name oder ihr Aussehen nicht mit den Angaben im Reisepass übereinstimmen. Während 62% der LGBTQIA+-Reisenden sagen, dass die Zugehörigkeit zur LGBTQIA+-Community Einfluss darauf hat, wie sie sich auf Reisen mittels Kleidung und Make-up präsentieren, liegt dieser Wert bei allen weltweit Befragten für Transgender bei 75%.

Ausserdem haben 19% der LGBTQIA+-Reisenden erlebt, dass jemand ihr Geschlecht oder ihre Pronomen falsch verwendet hat. Bezogen auf die weltweiten Umfrageergebnisse, haben doppelt so viele (38%) Transgender-Reisende diese Erfahrung gemacht.

Während Reisen ein Gefühl von Freiheit und Selbstentfaltung vermitteln kann, fühlt sich ein erheblicher Teil der LGBTQIA+-Community immer noch eingeschränkt. Fast ein Drittel (32%) haben das Gefühl, dass sie ihr Verhalten ändern müssen, um eine voreingenommene Beurteilung oder unangenehme Interaktionen mit anderen zu vermeiden (gegenüber 22% im Jahr 2022).

Um diese Dinge zu vermeiden, fühlen sich ein Viertel der Befragten dazu gezwungen, ihr Aussehen zu verändern (gegenüber 16% im Jahr 2022). Davon ist vor allem die jüngere Generation betroffen: Zwei von fünf (40%) der LGBTQIA+-Reisenden der Generation Z haben das Gefühl, dass sie ihr Verhalten ändern müssen, und ein Drittel (32%) verspüren die Notwendigkeit, ihr Aussehen zu verändern.

Herausforderung als Stärke

Trotz der Schlagzeilen und der grossen Herausforderungen, die an vielen Reisezielen weiterhin bestehen, haben 71% der Befragten das Gefühl, dass ihre Zugehörigkeit zur LGBTQIA+-Community sie als Reisende selbstbewusster macht (gegenüber 62% im Jahr 2022). Global betrachtet sind transfeminine (83%) und transmaskuline (81%) Personen die selbstbewusstesten Reisenden unter den verschiedenen Gender-Identitäten sind.

Erfreulich ist auch, dass sich in Bezug auf Erlebnisse im Urlaub 83% der LGBTQIA+-Reisenden sicher fühlen, an allen Aktivitäten teilzunehmen, die sie möchten. Die Mehrheit der Befragten (65%) sucht eher nach Attraktionen und Aktivitäten, die auf die queere Community zugeschnitten sind.

Auch positive Reiseerlebnisse werden häufiger und stärken zweifellos das Selbstvertrauen der LGBTQIA+-Community. Über vier Fünftel (82%) der LGBTQIA+-Reisenden geben an, dass sie positive Interaktionen erlebt haben – insbesondere, wenn es um Interaktionen mit Unterkünften geht. 42% der Befragten haben vor der Ankunft eine freundliche und informative Korrespondenz mit der Unterkunft geführt. 47% sagen, dass sie bei der Ankunft einen grossartigen ersten Eindruck hatten, gegenüber 31% im Jahr 2022.

Aktive Allies in der Reisebranche

Die Reisebranche spielt eindeutig eine Rolle bei der Veränderung von Sichtweisen und Wahrnehmungen. Über drei Viertel (78%) der LGBTQIA+-Reisenden fühlen sich aufgrund der zunehmenden Inklusivität der Reisebranche beim Reisen wohler, bei genderfluiden oder genderqueeren Reisenden sind es 87%. Ausserdem geniessen 78% der LGBTQIA+-Reisenden die eigentliche Reisebuchung – das sind nur 5 Prozentpunkte weniger als in der Umfrage zu Reisetrends von Booking.com, bei der alle Reisenden befragt wurden.

Dennoch zeigt die Umfrage, dass noch viel mehr getan werden muss, um den Bedürfnissen der LGBTQIA+-Reisenden gerecht zu werden. Während beim Check-in häufig Tipps und Informationen zur Umgebung gegeben werden (40%), sind spezielle Tipps für LGBTQIA+-Reisende viel seltener – nur 16 % haben dies erlebt.

34% der Befragten möchte LGBTQIA+-relevante Informationen über die örtlichen Gegebenheiten erhalten, wie beispielsweise Gesetze, religiöse Rahmenbedingungen und Tipps für sichere Orte. Bei Reisenden, die sich als trans* und genderfluid oder genderqueer identifizieren, steigt dieser Anteil auf 51%.

Es bestehe ein klarer Bedarf für Reiseunternehmen, als Allies aktiv zu werden und Richtlinien umzusetzen, die für LGBTQIA+-Reisende inklusiv und einladend sind, halten die Studienautoren fest. 65% der informieren sich vor der Reise über Reisemarken und -erlebnisse, um herauszufinden, wie diese Menschen unterstützen, die sich als LGBTQIA+ identifizieren.

Zwei Drittel der LGBTQIA+-Reisenden (66 %) geben an, dass sie Reisen und Erlebnisse eher bei Marken buchen, die Personen aus der Community gehören (gegenüber 55% im Jahr 2022). Queere (73%) und pansexuelle (71%) Reisende achten noch stärker darauf.

69% der Befragten stimmen zu, dass sie eher Fluggesellschaften und Marken mit inklusiven Richtlinien, z. B. geschlechtsneutralen Uniformen, bevorzugen. Dieser Anteil steigt bei transmaskulinen Reisenden auf 86% und bei transfemininen Reisenden auf 83%.

«Reisebranche soll Vorbild sein»

«In einer Welt zunehmender Widersprüche und Instabilität ist es keine Überraschung, dass die LGBTQIA+-Reisenden von heute gleichzeitig vorsichtiger und selbstbewusster sind», sagt Arjan Dijk, CMO und Senior Vice President bei Booking.com. «Ich verstehe das Selbstvertrauen, das daraus entsteht, als schwuler Mann aufzuwachsen und zu lernen, sich in der Welt zurechtzufinden, sowie die zusätzlichen Gedanken und Bedenken rund um das Thema Sicherheit und Wohlbefinden, mit denen sich LGBTQIA+-Reisende in dieser Umfrage weiterhin auseinandersetzen.»

Obwohl die Sichtbarkeit, das Verständnis und die Akzeptanz von LGBTQIA+-Personen in den letzten Jahren gestiegen sei, könne man diesen Fortschritt nicht als selbstverständlich betrachten. «Die Reisebranche sollte danach streben, ein Vorbild für Inklusion zu sein, und dazu beitragen, ein Umfeld zu schaffen, in dem sich alle entfalten können, egal ob sie in der Nähe oder ans andere Ende der Welt reisen.»

Training für inklusive Gastfreundschaft

Seit 2021 bietet Booking.com den Unterkunftspartnern im Rahmen des Travel Proud-Programms kostenlose Trainings für eine inklusive Gastfreundschaft an. Diese sollen dabei helfen, ein besseres Verständnis für die spezifischen Herausforderungen zu entwickeln, mit denen LGBTQIA+-Reisende konfrontiert sind.

Ausserdem erfahren Unterkunftspartner, was sie konkret tun können, damit sich alle Gäste willkommener fühlen, unabhängig davon, woher sie kommen, wen sie lieben oder wie sie sich identifizieren. Das Training ist aktuell auf Englisch, Italienisch, Französisch, Spanisch und brasilianischem Portugiesisch sowie seit Ende Mai 2023 auch auf Deutsch verfügbar.

In diesen Sprachen werde das Training jeweils mindestens einmal pro Woche angeboten. Mittlerweile gibt es laut eigenen Angaben des Unternehmens weltweit mehr als 33’000 durch das Programm zertifizierte Unterkünfte auf der Plattform. Travel Proud-Aufenthalte seien in 122 Ländern und Gebieten sowie in über 9000 Städten verfügbar. (TI)