Avenir Mobilité: «Tourismus und nachhaltige Mobilität»

Die Mobilität im Zusammenhang mit Freizeit und Tourismus nimmt immer mehr zu und macht einen grossen Teil des Gesamtverkehrs in der Schweiz aus.
Richard Kämpf, Leiter Tourismuspolitik, Seco, an der Dialogtagung.

80 Expert*innen und Interessierte diskutierten kürzlich am Dialoganlass von Avenir Mobilité (Zukunft Mobilität) das hochaktuelle Thema ‘Tourismus und nachhaltige Mobilität’.

Neun hochkarätige Inputreferate, vier aufschlussreiche Breakout-Sessions und ein angeregtes Panelgespräch machten deutlich: Das Spannungsfeld ist da – es braucht rasch Lösungen! Und so ist die Tourismus- und Mobilitätsbranche auf der Suche nach nachhaltigen Lösungen.

Richard Kämpf vom Staatssekretariat für Wirtschaft Seco, Ressort Tourismuspolitik, und Aurelio Vigani vom Bundesamt für Statistik (ARE Arealstatistik) präsentierten die Sicht des Bundes zu den Facts & Figures zum ‘Freizeit- und Tourismusverkehr in der Schweiz’.

«Der Tourismus- und Freizeitverkehr machen inzwischen mehr als die Hälfte des Gesamtverkehrs in der Schweiz aus», so Aurelio Vigani, Wissenschaftlicher Projektleiter Mobilität und Internationales, ARE. Er präsentierte neueste Schätzungen der beiden Bundesämter ARE und Seco.

Schweiz als weltweite Topdestination

Die Schweiz zählt weltweit zu den Topdestinationen, unsere Tourismus-Hotspots werden rund um den Globus auf Social Media mit attraktiven Fotos sowie Videos gratis ‘beworben’ und geniessen den Status von Sehnsuchtsorten.

Der Tourismus-Zustrom aus dem Inland, Europa und den Fernmärkten wird sogar noch steigen, denn dafür sind makroökonomische Faktoren verantwortlich, wie Monika Bandi, Leiterin Forschungsstelle Tourismus an der Universität Bern, erklärte. «Längere Lebenserwartung, kürzere Arbeitszeiten bzw. mehr Freizeit, gestiegener Wohlstand, zunehmende Motorisierung und steigende Verstädterung».

Die Fachleute waren sich einig, es braucht Lenkungs- und Steuerungsmechanismen im Tourismus(verkehr). Wo notwendig, sind Regulierungen und Kontingente, neue Pricing-Modelle, Massnahmen zur Selektion der Gäste und insbesondere andere Marketing-Konzepte einzuführen. 

André Lüthi, Reisepionier und CEO der Globetrotter Group, meinte; «Auch ein Konzert ist irgendwann ausgebucht, oder ein Parkplatz ist voll, dasselbe Prinzip gilt für stark frequentierte Tourismusdestinationen».

Das Seco sieht den Handlungsbedarf ebenfalls, wie Richard Kämpf, Leiter Tourismuspolitik, erklärte: «Bis anhin lautete der Auftrag des Bundes, den Tourismus zu fördern. Neu wird es darum gehen, diesen zu lenken und zu steuern.»

«Wir kommen an Kapazitätsgrenzen »

Valentina Kumpusch, Vizedirektorin des ASTRA, zeigte anhand von Grafiken das steigende Verkehrswachstum, die Staustunden, aber auch die dichte Auslastung der Strasse über den ganzen Tag und die ganze Woche. Sie stellte klar: «Wir kommen an unsere Kapazitätsgrenzen.»

Damit (touristische) Lebensräume und Städte lebenswert und bewohnbar bleiben, brauche es nicht bloss nachhaltige Tourismuskonzepte, sondern eine grundsätzliche Wertedebatte, unterstrich Michael Töngi, Nationalrat Grüne, Luzern: «Solche Diskussionen wurden bereits früher geführt (z.B. bei der Eröffnung der ersten Autobahn oder der Einführung des Automobils usw.) und sind heute wieder notwendig.».

Ein Ausgleich der Bedürfnisse der Einheimischen und des zunehmenden Overtourismus bzw. «unbalanced tourism» herzustellen, ist auch in Österreich ein grosses Thema, wie Martin Reichhart, Leiter Open Innovation, Österreich Werbung, und Katharina Mayer-Ertl, stellvertretende Leiterin Servicestelle Tourismus, im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft, feststellten. Sie unterstrichen die Wichtigkeit, Tourismus- und Verkehrsverantwortliche an einen Tisch zu bringen.

Auch die Schweizer Tourismusverbände haben mittlerweile zahlreiche Nachhaltigkeitskonzepte und konkrete Projekte initiiert, welche bei den lokalen Verantwortlichen auf grosses Interesse stossen, wie Philipp Niederberger, Direktor des Schweizer Tourismus-Verbandes, und Andrea Grossenbacher, Fachexpertin Nachhaltigkeit, Hotelleriesuisse, hervorhoben.

«Wir motivieren unsere Mitglieder, neben dem hektischen Alltag, Massnahmen im Bereich Nachhaltigkeit umzusetzen. Es sind die kleinen Schritte, die schliesslich zum Erfolg führen», zeigte sich Andrea Grossenbacher überzeugt.

Es braucht ein ausgebautes öV-System

Für einen nachhaltigeren Tourismus brauche es insbesondere ein ausgebautes öV-System. «Die Schweiz ist dahingehend bereits weit fortgeschritten», betonte Ueli Stückelberger, Direktor VöV, «es besteht jedoch noch Potenzial, v.a. bei der An- und Abreise und den internationalen Verbindungen».

Maurus Lauber, CEO Swiss Travel System AG, gehört zu den Pionieren des öV-Reisens von Gästen aus den Fernmärkten. Er hob die Bedeutung des Tourismus als weltweit grösste Wachstumsbranche hervor und plädierte für ausgewogene Lösungen.

Das bedeute inskünftig eine viel stärkere Zusammenarbeit zwischen dem Tourismus- und Mobilitätssektor, lautete das Fazit von Martin Bütikofer, Direktor Verkehrshaus Schweiz.

Ueli Seewer, Vizedirektor des ARE, richtete einen Appell an alle: «Wir alle brauchen ein verstärktes Bewusstsein bezüglich nachhaltiger Mobilität, dazu zählt das persönliche Handeln sowie das bewusstere Reisen.» (MICE-tip)