Carmen Breuss: «Darauf legen Schweizer Reisende besonders Wert»

Die Head of Market Development bei Österreich Werbung weiss, worauf Schweizer Reisende achten.
Carmen Breuss, Direktorin Österreich Werbung Schweiz ©Stefan Weiss

Carmen Breuss, die seit 27 Jahren Tourismuswerbung für Österreich betreibt, sprach in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger» über die Unterschiede im Reiseverhalten zwischen Österreichern und Schweizern.

Breuss, die seit 1982 für Österreich wirbt und seit 1997 als Market Managerin Switzerland tätig ist, hat in den letzten Jahrzehnten umfassende Einblicke in die Präferenzen der Schweizer Gäste gewonnen und weiss, wie sie sich von ihren Nachbarn unterscheiden.

Die Vorarlbergerin, die kürzlich neu die Position als Head of Market Development bei Österreich Werbung übernommen hat, ist ein grosser Schweiz-Fan und erklärt, warum die Schweiz und Österreich attraktive Reiseziele sind.

Enger Bezug zur Schweiz

Breuss wuchs zwei Kilometer von der Schweizer Grenze in Vorarlberg auf und hatte schon früh eine enge Verbindung zur Schweiz. Ihre Familie fuhr mittwochs oft in die Schweiz zum Einkaufen.

Zudem verbrachte die Familie Ferien im Berner Oberland und im Tessin, erzählt die passionierte Touristikerin. In ihrer Kindheit habe sie weniger oft Ferien in Österreich gemacht, da ihre Familie von den Naturerlebnissen und Ferienhausangeboten der Schweiz begeistert war, so Breuss.

Bei der Frage mit welchem Ort sie das Tourismusland Schweiz am stärksten verbindet antwortet Carmen Breuss: «Nicht mit einem Ort, sondern eher mit der Kombination aus der majestätischen Bergwelt und den Pionierleistungen der Technik – den Bergbahnen. Die Schweiz hat viele, die in Spitzenrankings auftauchen, wie die Gelmerbahn, die Brienzer-Rothorn-Bahn und natürlich die Bahn aufs Jungfraujoch.»

Für Carmen Breuss verkörpert der Vordenker Jost Krippendorf am stärksten das Tourismusland Schweiz. Seine Bücher ‘Der Landschaftsfresser’ und ‘Die Ferienmenschen’ hätten bereits in den 1970er und 1980er Jahren Themen aufgegriffen, die laut Breuss heute noch aktuell seien.

Krippendorf habe schon damals betont, wie wichtig es sei, achtsam mit Ressourcen umzugehen und den Tourismus sozialverträglich zu gestalten. Er sei seiner Zeit voraus gewesen, so die Herzblut-Touristikerin.

Für Breuss repräsentiert das imperiale Wien das Tourismusland Österreich hingegen am besten. Wien vereine Geschichte und Kultur und sei gleichzeitig modern, erklärt Breuss.

«Der Österreicher ist ein Urlauber, der Schweizer ein Reisender.»

Während die Schweizer mehr planen und meistens besser vorbereitet seien, neigen die Österreicher eher zur Improvisation, erklärt Carmen Breuss weiter. Sie seien es gewohnt zu geniessen, was der Tag bringe – eine Lockerheit, die auch von den Gästen in Österreich geschätzt werde.

Diese Unterschiede spiegeln sich laut der Tourismus-Expertin auch in den Reisegewohnheiten wider: Schweizer Reisende, die Ferien in Österreich verbringen, legen laut Breuss Wert auf Gastfreundschaft, Erholung und Gemütlichkeit. Der Schweizer Reisende wähle die Destination wegen der Natur/Landschaft, Hotel/Unterkunft sowie aufgrund touristischer und gastronomischer Angebote.

«Über 60 Prozent der Schweizer Gäste übernachten in einem Vier- oder Fünfsternhotel», fügt Breuss an. Auch die Infrastruktur und die familiäre Führung des Hotels sei dabei wichtig und über allem stehe die Gastfreundschaft.

Bei der Frage was Österreicher und Schweizer beim Reisen verbinde und trenne antwortet Breuss: «Sie verbringen beide häufig Ferien im eigenen Land und reisen gerne in die Nachbarländer. Unterschiede sehe ich bei den Reisen in entferntere Destinationen: Die Schweiz ist weltweit bestens angebunden, geprägt von der internationalen Wirtschaft. Hier treffe ich öfter Leute an, die für längere Zeit verreisen und dafür ihre Stelle einfach kündigen. Das kennt man in Österreich kaum. Insgesamt scheint mir der Österreicher eher ein Urlauber, der Schweizer ein Reisender zu sein.»

Sicherheit und Diversifizierung

Auch in Österreich gebe es das Problem des Personalmangels. Laut Breuss setzt Österreich Werbung auch deshalb auf den Ganzjahrestourismus. «Eines unserer Ziele ist es, den Ganzjahrestourismus zu stärken. Schaffen wir das, würde es helfen, Mitarbeitende zu finden, denn ganzjährig eine sichere Stelle zu haben, macht die Berufe attraktiver. Auch verlangen die Investitionen in die Infrastruktur nach einer ganzjährigen Auslastung», erklärt die Head of Market Development.

Bei der Frage, ob es Overtourismus auch in Österreich gibt antwortet Breuss: «Das Land insgesamt hat kein Problem damit. Aber bestimmte Punkte werden zu gewissen Zeiten von zu vielen Menschen gleichzeitig besucht.»

«Wir müssen Lösungen finden, damit die Bereisten ihren Lebensraum weiter geniessen können. Es gibt verschiedene Initiativen. In einem Projekt der Stadt Wien wurden Orte, die auf Bewertungsplattformen sehr schlecht weggekommen sind, wunderbar inszeniert, um zu zeigen, dass man nicht nur an die auf den sozialen Medien bestbewerteten Orte reisen soll», schliesst Carmen Breuss ab. (TI)