«Es gibt Leute, die es echt gerne echt streng haben»

Immer mehr Touristen suchen den Thrill auf Reisen – doch wie gefährlich und anstrengend darf das Abenteuer sein? TRAVEL INSIDE hat bei drei Anbietern in der Schweiz nachgefragt.
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Abenteuerreisen liegen im Trend. Es muss ja nicht gleich eine Tiefseetauchfahrt sein, wie sie letzthin tragisch mit dem Tod aller Passagiere des U-Boots Titan endete. Abenteuerreisen stehen laut einer Studie für weltweit USD 282 Mrd. Umsatz im Jahr 2021 – bis 2030 sollen es laut Prognosen jedes Jahr 15 % mehr werden.

EGAL OB MIT DEM MOUNTAINBIKE,

dem Campervan oder dem SUP: immer mehr Menschen finden bei Abenteuerreisen in der Natur ihren Ausgleich. Auch für 2023 ist kein Ende des Outdoor-Booms in der Reisebranche in Sicht. Neben den klassischen Abenteuer-Destinationen in Nordund Südamerika oder Australien bieten sich auch nähere Regionen wie das Emirat Ras al Khaimah als Abenteuer-Destination an.
Doch wie extrem darf es auf der Abenteuerreise denn sein? Und was unterscheidet sie von einer Erlebnisreise – wo doch jede Reise an sich schon ein Erlebnis sein sollte? TRAVEL INSIDE hat bei drei Schweizer Anbietern von Abenteuer- und Erlebnisreisen nachgefragt. Ihre Antworten sind in einem Punkt praktisch identisch: Jede Reise ist ein Erlebnis! Und was ein Abenteuer ist, liegt im Auge des Betrachter – hängt also vom Erleben der Reisenden ab.
Sebastian Kickmaier, Director Tour Operating Travelhouse, formuliert es so: «Es kommt auf die Definition von Abenteuer an. Für die einen ist es ein Abenteuer, in Südafrika auf Safari zu gehen, für die andern eine Rundreise durch den Dschungel von Costa Rica. Und wiederum andere fühlen sich schon fast wie Christoph Kolumbus, wenn sie mit einem Expeditionsschiff durchs Meer fahren. Das Abenteuer oder Erlebnis ist ein individuelles Empfinden.»

GERADEZU PHILOSOPHISCH

geht Globetrotter Travel Service die Frage an. Kein Wunder, schliesslich gilt das Unternehmen seit seinen Anfängen als Inbegriff für abenteuerliches Reisen und Erleben. «Wir definieren Abenteuer mit einer Reise im Grenzbereich. Dieser Grenzbereich ist jedoch bei jedem Menschen verschieden. Reisen hat viel damit zu tun, aus Gewohnheiten auszubrechen, neue Erfahrungen zu sammeln, die eigene Komfortzone zu verlassen. Ob dies nun ein Erlebnis oder Abenteuer ist, entscheidet jeder für sich selbst. Und ja, wir finden, dass jede Reise ein Erlebnis sein soll», schreibt Sandra Studer im Namen von GTS.

GANZ PRAGMATISCH

geht es Alex Bähler von Media Reisen an: «Als Abenteuerreise bezeichne ich eine Reise, die hier und dort ins Unbekannte, Nicht-Organisierte führt. Eine Reise, bei der sich Details nicht bereits schon planen lassen, eine Reise, die ein hohes Mass an Flexibilität und auch Improvisation erfordert.»
Unterschiedlich sehen die drei dagegen die Frage, wie gefährlich eine Abenteuerreise sein darf. Studer schliesst Extremtourismus in der Art eines Tiefseetauch- oder Weltall-Expedition kategorisch aus. «Reisen mit hohem Todesrisiko bieten wir nicht an. Aus diesem Grund sind wir zum Beispiel nie ins 8000er Expeditionsgeschäft eingestiegen. Wir bieten auch keine Reisen in ‹War Zones› an», hält Studer von GTS fest. Vage bleibt Kickmaier von Travelhouse: bei der Frage, wie viel Gefährlichkeit es vertrage. «Dies ist ganz individuell und kommt auf die Reise an.»
Anders Bähler: «Wir bieten solche Abenteuer nicht aktiv an, aber auf Kundenwunsch würde ich mich bestimmt auf die Suche nach Möglichkeiten machen und diese dann entsprechend übermitteln, allenfalls vermitteln.» Nuanciert sieht er auch den Gefährlichkeitsgrad: «Wie gefährlich eine als Abenteuerreise betitelte Reise ist, lässt sich nicht verallgemeinern. Aber nur weil eine Reise irgendwo kommerziell angeboten wird, lässt sich nicht daraus schliessen, dass sie nicht gefährlich sei. Schlussendlich denke ich aber, dass der mündige Kunde bzw. die mündige Kundin selber entscheiden muss, welche über das normale Lebensrisiko hinausgehenden Risiken er oder sie eingehen will.»

EINIG SIND SICH

die drei Anbieter dann wieder bei der Frage, wie viel körperliche Fitness sie von den Kundinnen und Kunden verlangen dürfen – oder müssen: Es kommt auf die Reise wie auch die Kundschaft an. Auf jeden Fall müssen sich Kunde oder Kundin bewusst sein und informiert werden, wenn eine Reise mit erheblicher körperlicher Anstrengung verbunden ist.
«Für Trekkings, Bikereisen oder Tauchen muss eine Grundfitness vorhanden sein», stellt Studer klar. Aber Reisen mit Boot-Camp-Charakter würden nicht angeboten. Bei Travelhouse können Reisen wie Camping und Kanu in Alaska oder die Besteigung des höchsten Berges in Brasilien «Elemente eines echten Abenteuers in der Wildnis aufweisen», aber auch da sei das Empfinden ganz individuell, meint Kickmaier.

AUCH FÜR BÄHLER

ist der Fitnessstand individuell. Es komme halt sehr auf die Art des Abenteuers an – und «ein Abenteuer muss ja nicht per se sportlicher Natur sein», gibt er zu bedenken. Wer eine Abenteuerreise bucht, ist meist auch bereit, körperliche Strapazen auf sich zu nehmen, weiss der Reiseleiter für Sportgruppen aus eigener Erfahrung: «Da gibt es Leute, die es echt gerne echt streng haben.»

Christian Maurer