Mit dem Schiff unter dem Meeresspiegel

Eine aussergewöhnliche Flussfahrt mit der Emerald Dawn durch Holland und Belgien – inklusive van Gogh-Landschaften.
Schiff
Die Emerald Dawn vor Maastricht mit eingeklapptem Deck vor einer niedrigen Brückendurchfahrt.

Fast mitten in der Stadt hat die Emerald Dawn in Amsterdam, Beginn und Ende der so ganz besonderen einwöchigen Cruise, fest gemacht. Wir liegen im «Päckchen», das heisst, die Passagiere von zwei anderen Schiffen, die neben uns liegen, müssen über unser Foyer einsteigen. Hämisch freuen wir uns dabei über die Begeisterung dieser «Übersteiger», die sich meist fassungslos umschauen, stehen bleiben und ausrufen: «Ach, wie schön! Warum fahren wir nicht mit diesem Schiff?» – «Tja, falsch gebucht», sagt ein Deutscher resigniert zu seiner Frau und hilft ihr auf das Nachbarschiff. Recht hat er.

GLAS UND HELLIGKEIT

Wir Passagiere, ob Schweizer oder Deutsche, sind selbst begeistert von unserer schönen Emerald Dawn. Das beginnt schon beim Einchecken. Nein, eigentlich schon vorher. Denn die so ganz andere, fast nur aus Glas bestehende Silhouette, vorne Salon und Restaurant, dann die Doppelreihe der Kabinen mit Panoramafenstern und das raffiniert verglaste Heck, in dem sich der phänomenale Swimmingpool verbirgt, lässt sie unter den anderen Flussschiffen wie eine Diva wirken. «Da hat Rivage Flussreisen schon ein Schätzchen an Land gezogen», freuen sich Gäste, die gerade mit den zwei Schlienz-Bussen angereist sind und, geduldig an der Rezeption wartend, sich staunend umsehen in der Lobby, die unglaublich hell ist durch die Glaswände. Weiss ist der Fussboden, aus weissem Glas die Treppen, die hinauf und hinunter führen. In grossen Spiegeln reflektieren die tausend kleinen Birnen der drei grossen Leuchtkugeln, so dass ein schier unendliches Raumgefühl entsteht.

Das setzt sich fort in den Kabinen mit wandbreiten Panoramafenstern, deren oberer Teil sich durch Knopfdruck zur Hälfte herunterfahren lässt. An einer Seite der Fensterwand neben der Sitzgruppe bietet der ebenfalls deckenhohe Spiegel einen faszinierenden Landschaftseffekt nach vorn und zurück, den man auch vom Bett aus bequem geniessen kann. Warum soll man eigentlich aufstehen und frühstücken? Doch auch das elegante Restaurant ist voll verglast, in dem morgens und mittags verführerische Buffets keine Ausrede dulden. Abends wird vom bestens geschulten, netten Personal à la Carte serviert. Der Sommelier hilft bei der Wein-Auswahl.

Bedienung
Charmante Bedienung inbegriffen.

DER ERSTE ABEND

Doch das alles zu entdecken, braucht seine Zeit. Am ersten Abend stellt Kapitän Costica Zamfir aus Rumänien seine Offiziere im eleganten Salon vor, der natürlich ebenfalls voll verglast ist und im Bug eine windge-schützte Terrasse vorgelagert erhielt. Danach informiert die holländische Reiseleiterin Hanneke Steenbergen über «ihr» Land, das eigentlich, wie auch Belgien, unter dem Meeresspiegel liegt, wie sie sagt. Ungläubiges Staunen. Wieso das? «Ach so, deshalb Niederlande!», geht einer Dame vom Zürichsee ein Licht auf. «Stimmt!», schmunzelt Hanneke. «Doch übermorgen in Kinderdijk, das zum UNESCO-Kulturerbe gehört, werden Sie es selbst sehen», spannt sie uns auf die Folter.

DIE SACHE MIT HOORN

Am nächsten Vormittag ziehen wir bei einer Bootsfahrt durch die Grachten, wie die Kanäle kreuz und quer durch die Stadt heissen, einen Vergleich mit Venedig. An den Kais liegen Hausboote, die niemals fahren, sondern bewohnt sind. Schöne alte Kaufmannshäuser künden vom früheren Reichtum der Besitzer. Fahrräder über Fahrräder auf den Strassen. Gegen Mittag heisst es: Leinen los. Stolz wie ein Schwan gleitet die Emerald Dawn an den anderen Flussschiffen vorbei über das Markermeer zum mittelalterlichen Handelsstädtchen Hoorn. Aus Hoorn stammt Kapitän Schouten, erfahren wir, der 1616 erstmals die südlichste Spitze von Feuerland umsegelt hat und das Kap nach seinem Heimatort «Hoorn» nannte, also mit Doppel-o. Hoorn ist ein schmuckes mittelalterliches Städtchen wie aus dem Bilderbuch. Davon, dass schon vor Jahrhunderten hiesige Kaufleute über die Meere fuhren, künden an einigen Fassaden Handelsflotten im Relief.

VAN GOGH UND HAFENKRÄNE

Nach dem lukullischen Dinner auf der Emerald Dawn staunen wir bei der Weiterfahrt über die Region, die flach ist bis zum Horizont. Sie hat gerade deswegen für Schweizer einen besonderen Charme. «Ein Maulwurfshügel ist hier schon eine Sensation! », scherzt ein Gast aus Schmerikon. Am nächsten Morgen das mit Spannung erwartete Kinderdijk. Zu Beginn des Ausfluges erklärt die örtliche Führerin vor dem Hintergrund vieler Windmühlen deren Funktion: Statt Korn zu mahlen, pumpen die am Rand der Kanäle stehenden Windmühlen durch ein kompliziertes Schöpfsystem das Wasser in den nächsten Fluss. In einer Windmühle wird dieser Vorgang demonstriert. Über 40 Prozent Hollands liegt unter dem Meeresspiegel, das niedrigste Gebiet mit 6,76 m bei Rotterdam. Unfassbar, was die Menschen seit 500 Jahren leisten, um bewohnbares Land dem Meer abzutrotzen. Danach bleibt noch Zeit, mit den von der fleissigen Mannschaft bereit gestellten Velos auf dem Deich durch die Mühlen-Landschaft zu radeln – wie durch ein Gemälde von van Gogh.

Auf der kurzen Fahrt nach Rotterdam am Rhein-Maas-Delta geniessen wir vom Sonnendeck aus, erfrischt durch einen Apero, die Windmühlen-Wiesen-Kuh-Szenerie. Kaum amKai angelegt, steigen wir um auf ein Ausflugsschiff durch einen der weltweit grössten Seehäfen mit einem Labyrinth von Ladekränen und Frachtschiffen aus aller Welt. Ebenso faszinierend aber ist in Rotterdam die teils gewagt wirkende Architektur vieler Gebäude. Beeindruckend ist die erst im Herbst 2014 eröffnete Markthalle mit einer himmelhohen, gewölbten Decke, bemalt mit Blumen und Gemüse. Verwirrend sind die kubischen Wohnhäuser gleich daneben. Denn: Wie wohnt man dort? Bis kurz vor Mitternacht haben wir Zeit, urige Bars kennen zu lernen.

Holland
Windmühlen im Freilichtmuseum Zaanse Schans.

ANTWERPEN UND BRÜGGE

Am Morgen wachen wir in Belgien auf. Durch die Panorama-Scheiben begrüsst uns Antwerpen, die Stadt des berühmten Malers Rubens. Von der Emerald Dawn aus ist es ein Katzensprung ins Zentrum mit dem Rathaus am Markt, das in einem Blumenmeer versinkt. Prächtig sind die Fassaden mittelalterlicher Zunfthäuser, gewaltig die Liebfrauenkathedrale, in der vier Gemälde von Peter Paul Rubens hängen und die ebenfalls UNESCO-Weltkulturerbe ist. Niemand lässt sich nachmittags den Busausflug ins malerische Brügge entgehen – eine Stadt, als sei das Mittelalter stehen geblieben. Zentrum auch hier der grosse Marktplatz mit dem hoch aufragenden, schönsten Glockenturm Belgiens. Genau davor werden an einem Stand die berühmten, doppelt frittierten belgischen Pommes probiert. Wir erfahren, dass zu jedem der vielen belgischen Biere ein spezielles Glas gehört.

DIE GRÖSSTE STURMFLUTWEHR

Heute ist Gelegenheit, die Nacht durchzumachen. Denn am fünften Tag steht ein Busausflug zu den Deltawerken auf dem Programm, der weltweit grössten Sturmflutwehr. Immer wieder gab es schreckliche Hochwasserkatastrophen mit vielen Toten – die letzte 1953. Im Museum erklären zunächst Filme, wie in nur neun Jahren dieses Bollwerk gegen die tobende Nordsee entstand. Danach dürfen wir einen Teil dieser Monsteranlage begehen – mit doch etwas mulmigem Gefühl, denn man spürt die Wucht der Elemente in leichten Vibrationen.

Endlich bleibt am Nachmittag Zeit, den grossartigen Infinity-Swimmingpool am Heck des Schiffes ausgiebig zu testen, der mit der kräftigen Gegenstromanlage dazu anspornt, über’s Heck hinaus zu schwimmen. Auch kann man in bequemen Stühlen vom salonartigen, verglasten Poolraum Blick und Bar-Service geniessen. Neben dem Pool lockt das kleine Gym, auf dem Sonnendeck – ausser zum Faulenzen – die Joggingstrecke und der Minigolfbereich zu einigen Schlägen.

Hausboot
Typisch Amsterdam: Hausboot mit Terrasse.

«HOLLÄNDISCHE SCHWEIZ»

Nach dem wie immer üppigen Frühstücksbuffet für jede Geschmacksrichtung und Sekt aus einer Kellerei in Trier wird, nun wieder in Holland, Maastricht an der Maas besichtigt, Hauptstadt der Provinz Limburg. «Hier wurde 1992 der Euro erfunden », meint etwas ironisch ein Herr aus Köln. Auch Maastricht ist ein Juwel mittelalterlicher Bauten und verlockt zum Shopping. Verblüfft hörenwir, dass der Südosten von Limburg «Holländische Schweiz» genannt wird. «Oh ja!», lacht die Stadtführerin. «Der Vaalsberg ist für uns Holländer Schwindel erregende 322,5 m hoch!» Vor der Abfahrt von Maastricht noch ein spannendes Erlebnis: Das Sonnendeck wird gesperrt, alles wird eingeklappt, weil wir gleich eine extrem niedrige Brücke durchfahren – sogar die Brücke der Emerald Dawn wird hydraulisch soweit runter gefahren, dass für Kapitän Costica Zamfir nur ein Sehschlitz zum Navigieren bleibt.

Und schon naht nach der ideenreichen Crew-Show und dem Captains Dinner der letzte Tag dieser ungewöhnlich interessanten Fluss-Cruise «und mit der gourmetmässig schrecklich guten Küche», streicht sich Kurt aus St.Gallen über den stattlichen Bauch. Seine Frau widerspricht nicht. Dieser Tag gehört Amsterdam. Im Freilichtmuseum Zaanse Schans erleben wir geballt alle Klischees von Holland: Windmühlen jeder Art, darunter auch Senf-, Öl-, Farb- und Sägemühlen, Zugbrücken, Holzschuhe, Tulpen, Käseräder, «Meisjes» (Mädchen) in Tracht und eine Diamantschleiferei. «Wieso sind wir eigentlich eine Woche über Kanäle und Flüsse durch das Land gefahren? – Weil wir mit der Emerald Dawn mehr sehen wollten als Klischees!», ist der letzte treffliche Dialog.

pool
Nicht alltäglich: Ein Pool auf einem Flussschiff.

Wissenswertes zur Emerald Dawn

Das moderne Flussschiff mit einer Länge von 135 m und einer Breite von 11,4 m kann maximal 180 Gäste beherbergen. Auf drei Passagierdecks stehen 92 Kabinen und Suiten in drei Kategorien sowie zwei Einzelkabinen im Unterdeck zur Wahl. Alle verfügen über Safe, Minibar und einen grossen Flatscreen. Ein Fahrstuhl verbindet die Passagierdecks, zum Sonnendeck nur Stufen. Alle Mahlzeiten finden in einer Sitzung statt (gesetzte Tischordnung). Speziell ist der Infinity-Pool (6 x 8 m) mit Gegenstromanlage, zudem Gym, Friseur, Massage, Beauty, Boutique und auf dem Sonnendeck Joggingbahn und Minigolf. Für Ausfahrten stehen 16 Damen- und Herren-Fahrräder kostenlos zur Verfügung, Gratis-WLAN auf dem ganzen Schiff. Sind Gruppen an Bord, steht zu vereinbarten Zeiten für Meetings, Tanz oder Gymnastik auch tagsüber für ein bis zwei Stunden der Pool-Salon zur Verfügung. Bei allen Fahrten im Preis inkludiert ist die An- und Rückreise mit Schlienz-Busreisen (in zwei Kategorien: Premium und de Lux), optional kann auch ein Flug gebucht werden. Die kompetente, in Luzern wohnende holländische Reiseleiterin Hanneke Steenbergen wird auch 2016 alle von Rivage Flussreisen mit der Emerald Dawn durchgeführten Flussfahrten begleiten. www.rivage-flussreisen.ch