Nachhaltigkeit: «Gesetze führen zu schnelleren Ergebnissen»

CEO Roland Birchmeier zum durchwachsenen Ergebnis einer Kundenbefragung von BTA First Travel.
Roland Birchmeier, CEO BTA First Travel. ©TI

Wie haben es Schweizer Firmen wirklich mit der Nachhaltigkeit. Genauer wissen wollte das die Hotelplan-Geschäftsreisetochter BTA First Travel. Die TMC befragte ihre Kunden, darunter viele KMU, wie wichtig ihnen Nachhaltigkeit beim Buchen von Geschäftsreisen ist.

Das Resultat: Nachhaltigkeit ist zwar ein Thema, aber sehr viel getan dafür wird nicht. Nur für jeden zehnten ist sie ein Kriterium bei der Buchung selber. Die grösste Hürde bei der Nachhaltigkeit ist der Preis dafür.

«Business Traveltip» hat Roland Birchmeier, CEO von BTA First Travel, gefragt, wie er das Umfrageergebnis interpretiert und welche Lehren er daraus zieht.


Roland Birchmeier, wozu so eine Umfrage, wo Sie das Buchungsverhalten ja ohnehin kennen?

Aus einer Umfrage können noch viele Erkenntnisse gewonnen werden. Die Ergebnisse zeigen, dass das Buchungsverhalten nicht immer dem entspricht, was die Kundschaft grundsätzlich anstrebt.

Natürlich sind wir sehr nah an unseren Kundinnen und Kunden, den Travel Managern, dran. Aber wir wollten uns einen Überblick verschaffen. So können wir unseren Ansatz noch besser an die Kundenbedürfnisse anpassen. Es gab auch Ergebnisse, die ich in dieser Deutlichkeit nicht erwartet hätte.

Das Resultat sieht so aus: Wasser predigen, Wein trinken. Das hat Sie wohl nicht überrascht, Sie buchen ja entsprechend für Ihre Kunden?

Überrascht hat mich, bei wie vielen unserer Kundinnen und Kunden niemand für Nachhaltigkeit zuständig ist. Oder wie viele Teilnehmende angaben, nicht zu wissen, wer diesen Bereich verantwortet.

Es gibt also Travel Manager, welche die Nachhaltigkeitsverantwortlichen nicht kennen?

Die Travel Manager sind hier durchaus im Bilde. Aber viele unserer Kundinnen und Kunden sind KMU und haben keine Travel Manager im eigentlichen Sinn. Unsere Ansprechpartnerinnen und -partner sind teilweise im HR, manchmal im Procurement oder in der Finanzabteilung angesiedelt. Und diese haben uns ehrlich geantwortet, dass sie nicht wissen, ob jemand oder wenn ja wer genau für Nachhaltigkeit zuständig ist.

Warum, denken Sie, ist das Ergebnis so, wie es ist – mangels Interesse, mangelnde Aufmerksamkeit oder kein Interesse?

Das generelle Interesse ist sicher da, sonst hätten diese Kundinnen und Kunden kaum an der Umfrage teilgenommen. Meine Interpretation ist: Es ist eher eine Frage der Priorisierung.

Wir waren bis vor kurzem noch in einer Krise, viele Firmen mussten sich neu organisieren oder gar neu erfinden. Exportorientierte Unternehmen stehen vor vielen Herausforderungen. Und natürlich sollten Nachhaltigkeitsbestrebungen vom Management initiiert und kommuniziert werden.

Wo und wie pushen Sie als TMC Ihre Kunden proaktiv in Richtung Nachhaltigkeit – oder lassen Sie es gleich bleiben, weil der ganze Geschäftsreisebereich letztlich kostengetrieben ist?

Bleiben lassen? Natürlich nicht. Wir beraten unsere Kundinnen und Kunden ganzheitlich, schreiben ihnen aber nicht vor, welche Massnahmen sie ergreifen sollen. Wir können Bewusstsein schaffen, indem wir aufzeigen, mit welchen Massnahmen der CO2-Fussabdruck verkleinert werden kann. Das fängt bei der Travel Policy an und geht bis zu konkreten Massnahmen wie zum Beispiel dem Kauf von Sustainable Aviation Fuel (SAF).

Am Anfang steht also das Wissen, was möglich ist. Viele Kundinnen und Kunden haben keine Vorstellung von ihrem CO2- Fussabdruck. Vor allem diejenigen, die nicht alle ihre Reisen über den TMC buchen, haben keine Kontrolle oder Übersicht.

Bei diesen Unternehmen stellen wir ein stark wachsendes Interesse für die Beratung durch TMC fest. Wir kennen die Unternehmenskultur der Kundinnen und Kunden und können einschätzen, was sinnvoll ist – sprich mitgetragen und gelebt wird.

Was können Sie als TMC jenen Kunden anbieten, bei denen Interesse, aber kein Wissen und keine Kontrolle vorhanden sind?

Mit einem selbst entwickelten und in den letzten Jahren verfeinerten Tool können wir Unternehmen ein umfassendes Monitoring anbieten. Die über BTA First Travel on- oder offline gebuchten Leistungen werden damit erfasst und fliessen tagesaktuell in das Nachhaltigkeits-Reporting des Unternehmens ein.

Wie sieht das Tool konkret aus?

Der Kern ist unser Mid-Office-System HIT von Hotelplan Suisse, das wir nutzen. Verbesserungen haben wir bei den vorhandenen Unschärfen bei Umbuchungen und Annullationen eingeführt. Durch die direkte Anbindung an das GDS sind die Werte nun noch genauer. Bei Privatreisen ist dies vielleicht nicht so wichtig, aber bei Geschäftsreisen, wo etwa jede zehnte Reise umgebucht wird, schon.

Welche Standards sind für diese wahren Zahlen hinterlegt?

Grundsätzlich arbeiten wir mit Myclimate zusammen. Wir können aber mit relativ einfachen Umrechnungen jeden anderen Standard verwenden, wenn der Kunde oder die Kundin das wünscht. Für mich gilt: Jeder Standard ist besser als kein Standard, denn eben: im Zentrum steht, ein Bewusstsein für die Auswirkungen der Reisetätigkeit zu schaffen.

Ich gehe davon aus, dass BTA First Travel zumindest einen Teil der Geschäftsreisen der Konzernmutter von Migros und ihren diversen Töchtern abwickelt. Diese haben sich selber sehr hohe Nachhaltigkeitsstandards gegeben – sind die in der Realität einhaltbar?

Über einzelne Kundenbeziehungen kann ich nicht sprechen, aber für die Hotelplan Gruppe, zu der BTA First Travel gehört, kann ich das vollumfänglich bestätigen. Das sehe ich übrigens auch bei unseren Kundinnen und Kunden allgemein: Die Nachhaltigkeitsziele in den Travel Policies sind realistisch und auch in der Praxis umsetzbar.

Nur rund 10% nennen Nachhaltigkeitspunkte als Kriterien bei der Reiseplanung. hat Sie das nicht erstaunt?

Es hat mich tatsächlich ein wenig überrascht. Ich bin aber überzeugt, dass dies zunehmen wird. Gleichzeitig nannten viele Kundinnen und Kunden den Ersatz von physischen durch virtuelle Meetings als wichtige Massnahme.

In der Pandemie eine unumgängliche Notwendigkeit werden vor allem firmeninterne Kontakte nach wie vor virtuell gepflegt. Ehrlicherweise muss man aber auch sagen, dass hier der Kostenvorteil eine wesentliche Rolle spielt.

Glauben Sie, dass die Business Travel Industrie bzw. die Unternehmen selbstverantwortlich mehr für die Nachhaltigkeit unternehmen wird oder braucht es – wie einige sagen – staatliche Vorgaben, sei es national oder supranational, in der EU?

Nach meiner Erfahrung führt eine gesetzliche Regelung, ob sie einem passt oder nicht, durch Zwang schneller zu einem gewissen Ziel, hat aber eine weniger breite Akzeptanz und ist deshalb nicht so geeignet.

Hohe Kosten sind laut der Umfrage ein Hinderungsgrund für nachhaltiges Buchen – wo kann eine TMC da Druck machen bei den Dienstleistern/Suppliern, damit Nachhaltigkeit günstiger wird?

Das “Gesetz” auf Unternehmensebene ist die Travel Policy. Diese kann zum Beispiel ein CO2-Budget vorgeben, das einzuhalten ist. Oder den Kauf von SAF vorschreiben. Häufig ist auch die Vorgabe, bis zu welcher Entfernung der Zug statt des Flugzeugs zu benutzen ist.

Die begrenzte Auswahl an umweltfreundlichen Transport- und Unterkunftsoptionen behindere nachhaltiges Geschäftsreisen – ist es nicht gerade Ihre Rolle als TMC, diese Optionen zu suchen, zu finden und anzubieten?

Ein Beispiel aus dem Bereich Zug: Wir wären froh, wenn wir das in den neunziger Jahren entwickelte Rail Ticketing-System wieder hätten. Zugbuchungen sind heutzutage für eine TMC kompliziert und aufwändig. Etwas überspitzt formuliert: Wenn ich ein Around-the-World-Flugticket schneller gebucht habe als ein Zugbillet nach München oder Hamburg, dann stimmt etwas nicht mit dem System.

Es gibt aber auch Fehlanreize wie die Vielfliegerprogramme. Sind die heute nicht komplett aus der Zeit gefallen und gehören gestrichen?

Natürlich gab es und gibt es Exzesse. Aber man muss das ganzheitlich sehen, denn am ökologisch nachhaltigsten wäre es, gar nicht mehr zu reisen. Aber wir sind soziale Wesen und der persönliche Kontakt liegt in unserer DNA. Aber ich stelle einen Wandel fest: Wer viel geschäftlich fliegt, gilt nicht mehr automatisch als “wichtig”, wie das in der etwas weiter zurück liegenden Vergangenheit der Fall war.

Wie nachhaltig ist BTA First Travel eigentlich selber?

Gute Frage, die musste ja kommen! Wir selbst reisen nicht sehr viel. Unsere Wirkung durch die Beratung unserer Kundinnen und Kunden ist um ein Vielfaches grösser als unser eigenes Reiseverhalten. Wenn wir fliegen, leisten wir seit 2007 einen Klimabeitrag.

Ich selbst reise in der Regel mit dem Zug und habe seit meinem Einstieg bei BTA First Travel im Jahr 2016 noch keinen einzigen Geschäftsflug gemacht. Allerdings sind wir auch kein international tätiges Grossunternehmen. Wichtig ist uns auch, bei vermeintlichen Kleinigkeiten verantwortungsvoll zu handeln, wie beispielsweise den tropfenden Wasserhahn im Büro nicht einfach zu ignorieren.

Nachhaltigkeit breit gefasst, nicht nur Dekarbonisierung?

Oft wird reduziert: Nachhaltigkeit gleich weniger Fliegen. Ich wehre mich gegen diese Vereinfachung. Viele Aspekte der Nachhaltigkeit sind allerdings noch nicht in den Buchungssystemen abgebildet. Hier gibt es noch viel zu tun – und wir sind dazu in einem sehr pointierten Austausch mit den GDS-Anbietern. Ausserdem bezieht sich

Nachhaltigkeit nicht nur auf ökologische, sondern auch soziale, wie auch ökonomische Aspekte. Es ist uns wichtig, das Thema ganzheitlich zu betrachten und uns auf allen Ebenen zu engagieren.

Wir haben dieses Gespräch vor einiger Zeit nach der Ankündigung der Kunden-Umfrage abgemacht. Inzwischen steht Hotelplan und damit auch BTA First Travel zum Verkauf und ich komme nicht um die Frage herum: Wie geht es BTA First Travel in dieser Situation?

Danke der Nachfrage: uns geht es super! Auch der tägliche Kontakt mit den Kolleginnen und Kollegen bei BTA First Travel ist für mich sehr motivierend; die Gelassenheit, mit der sie mit der Situation umgehen, ist beeindruckend. Viele BTA First Travel Mitarbeitende, so auch ich, haben solche Prozesse schon mehrfach durchlaufen und unser Fokus bleibt auch jetzt der Service für unsere Kundinnen und Kunden.

Interview: Christian Maurer

Business Traveltip News

Business Traveltip News

Die Business Traveltip News erscheinen jeden Mittwoch und liefern Ihnen schnell und umfassend die wichtigsten News aus der Businesstravel-Welt.

Email Address