Die Branche muss sich bei Arbeitnehmern bewerben

Der Fachkräftemangel in der deutschen Touristik ist kein neues Phänomen, aber die Pandemie hat ihn noch weiter verschärft.
Norbert Fiebig auf der DRV-Jahrestagung an der Costa Navarino © DRV

Das Image der Reisebranche als ein attraktives Arbeitsfeld hat weiter an Glanz verloren. Der Mangel an Fachkräften wächst, verschärft durch Corona, an, die Suche nach neuen Mitarbeitern und Nachwuchskräften wird immer schwieriger.

Nach Angaben des Deutschen Reise Verband (DRV) schätzten 70 Prozent der im Rahmen des Branchencheck Befragten eine Verschlechterung der Situation durch die Pandemie. Die Zahl der Ausbildungsplätze sei weiter gesunken, zwei Drittel der Unternehmen hätten in diesem Jahr keinen Platz angeboten, die Hälfte wolle aber immerhin im kommenden Jahr wieder Auszubildende einstellen. Ein weiteres Problem, denn in Anbetracht des demografischen Wandels führt der fehlende ausgebildete Nachwuchs direkt ins nächste Problemfeld.

Dabei haben die Unternehmen im Lauf der Coronakrise nicht nur Mitarbeiter entlassen, viele Touristiker haben ihren Arbeitgeber wegen der wirtschaftlichen Situation und der düsteren Zukunftsaussichten von sich aus verlassen. Dies betrifft die Branche durch alle Bereiche, von Reiseveranstaltern über Reisebüros, Transportunternehmen bis hin zu Hotellerie und Gastronomie.

Die Mehrzahl der Betriebe von ihnen hat zum Teil mächtige Schwierigkeiten neue Mitarbeiter zu finden, da viele der Branche endgültig den Rücken zugekehrt haben. Nach Angaben des Verbands zeige der Branchencheck an, dass rund zwei Drittel der Reiseveranstalter und 50 Prozent der Reisebüros bestätigen, dass sie Mitarbeiter verloren hätten, da diese das Unternehmen verlassen hätten. Dabei seien die Unternehmen auf ihrer Seite aktiv geworden und hätten neue Modelle entwickelt. Die meisten Firmen hätten flexiblere Arbeitszeiten und neue Möglichkeiten geschaffen, im Home Office oder mobil zu arbeiten. Hieran werde in der Zukunft festgehalten.

«Neue Kräfte für unsere Branche zu begeistern, gestaltet sich in der aktuellen Situation äusserst schwierig», sagt DRV-Präsident Norbert Fiebig auf der DRV-Jahrestagung in Griechenland. 60 Prozent der Befragten berichteten über Probleme, offene Stellen neu zu besetzen. «Das ist eine der grossen Herausforderungen der Zukunft und die Frage lautet: Wie können wir diese Entwicklung stoppen, wie können wir ihr entgegenwirken?»

Die Branche stünde vor dem Problem der angemessenen Entlohnung. Die Frage der Nettoeinkommen sei massgeblich. «Was die Bezahlung angeht, können wir mit margenstärkeren Branchen nicht mithalten», erläutert Fiebig Die Branche stehe vor einer vielschichtigen Aufgabe, denn sie müsse sich mit der Organisation der Arbeit, ihrer Entlohnung, ihrem Image und der Zukunftsperspektive auseinandersetzen und Lösungen entwickeln.

Trotz der hohen Anzahl an Fachkräften, die die Unternehmen von sich aus verlassen hätten, sei die Zahl der Entlassungen im Vergleich niedrig gewesen. 70 Prozent hätten keine Entlassungen vornehmen müssen, hier wäre die Kurzarbeiterregelung eine Hilfe gewesen, stellt Fiebig fest. Dennoch seien die Unternehmen nun dringend auf Fachkräfte angewiesen, die Neubesetzung neuer Stellen sei problematisch, die Situation werde durch den demografischen Wandel verstärkt.

Es gehe auch darum, die Bedürfnisse der Mitarbeiter zu erkennen. «Nun müssen sich die Unternehmen bewerben», so Fiebig. Es gehe auch darum, dass die Wertschätzung der Mitarbeiter klar erkennbar sei. «Wir wollen und werden den Reiz der schönsten Branche der Welt wieder selbstbewusster nach aussen tragen.»

(Wolfram Marx)