«Es kann nicht sein, dass wir gratis arbeiten»

Was sind die Restart-Herausforderungen für die Kreuzfahrt-Spezialisten? TRAVEL INSIDE sprach mit George Studer, Inhaber und Geschäftsführer von Cruise Center.
George Studer. ©BE/TI

Herr Studer, immer mehr Kreuzfahrtschiffe nehmen wieder Fahrt auf – wie wirkt sich das auf Ihren Geschäftsgang aus?

Ja, der Nebel lichtet sich allmählich wieder und die Planung wird verlässlicher. Vor allem bei kurzfristigen Buchungen ist aber immer noch das Risiko vorhanden, dass plötzlich ein Zielland die Einreisebedingungen ändern kann. Auf der anderen Seite haben wir gesehen, dass sich die Covid-Schutzkonzepte der Reedereien bewähren.

Wie hat sich die Nachfrage bisher entwickelt?

Im Januar und Februar zeichnete sich ein gewisser Optimismus ab, im März zogen die Buchungen dann stark an. Dies auch dank einem speziellen Angebot, das wir auf den Markt gebracht haben. Der April war erneut etwas schwächer, im Mai und Juni ging es nun wieder aufwärts, wobei sich aber noch nicht alle Erwartungen erfüllt haben.

Was wird denn jetzt gebucht? Fahrten noch für dieses Jahr oder eher mittel- und langfristige Seereisen?

Wir sehen zwei Buchungsmuster: Die treuen Stammkunden, oft erfahrene Seereisende, buchen jetzt schöne, längere und eher hochwertige Kreuzfahrten weltweit für 2022 oder 2023 – man leistet sich wieder etwas. Auf der anderen Seite möchten ferienhungrige Kunden so rasch wie möglich wieder zurück aufs Meer und buchen kurzfristige Reisen vor allem im Mittelmeer zu aktuell attraktiven Preisen.

Wobei gerade bei kurzfristigen Fahrten das Storno-Risiko nach wie vor nicht gänzlich vom Tisch ist. Wie kulant sind die Reedereien noch?

Die Stornobedingungen sind weiterhin ein wichtiger Faktor, wobei es uns die Reedereien nicht immer einfach machen: Fast jeder Anbieter kennt andere oder nicht immer sehr transparente Bestimmungen. Auffallend ist zudem, dass die «Goodies» für eine Umbuchung zurückgefahren werden. Gab es zuvor einen Future-Cruise-Credit über 125 Prozent, so kann dieser heute bei 110 Prozent liegen. Oder ein An-Bord-Guthaben von einst 500 Franken wurde auf 100 Franken gekürzt. Das ist aber nachvollziehbar, müssen die Reedereien doch dringend wieder Erträge generieren.

Kann man auch kostenlos von einer Buchung zurücktreten, so wie dies der eine oder andere Reiseveranstalter propagiert?

Von solchen Angeboten halte ich gar nichts. Wohin soll das führen, wenn die Leute aufs Geratewohl zwei, drei verschiedene Arrangements buchen und dann alles kostenlos sausen lassen können, weil sie doch lieber am Hallwilersee baden möchten? Wie kann ein Veranstalter so die aufgelaufene Arbeit seiner Angestellten bezahlen? Geld zurück oder eine kostenlose Umbuchung gibt es bei den Kreuzfahrten nur, wenn eine Reise durch die Reederei abgesagt oder massiv abgeändert wird.

Und was ist, wenn ein Kunde wegen Corona oder aus Angst davor eine gebuchte Kreuzfahrt annullieren möchte?

Das ist dann ein Fall für die Annullationsversicherung, wobei die Angst vor Corona wohl bei keiner Versicherung gedeckt ist. Die von uns angebotene Allianz-Rücktrittsversicherung deckt sowohl die Erkrankung oder Quarantäne vor der Abreise ab wie als Plus auch mögliche Covid-Folgekosten während der Reise.

Das ganze Thema Storno, Annullation, Umbuchung und Rückerstattung ist letztlich mit viel Arbeit für das Reisebüro verbunden – wer honoriert diese?

Das ist der springende Punkt. Deshalb haben wir in der Pandemie eine Bearbeitungsgebühr eingeführt, die wir dem Kunden verrechnen. Will der Kunde bei einer Stornierung oder Änderung durch die Reederei nicht Umbuchen sondern von der Buchung zurücktreten, erstatten wir ihm das Geld zurück abzüglich einer Bearbeitungsgebühr von 160 Franken pro Dossier.

Und das wird von den Kunden verstanden und akzeptiert?

Zum grössten Teil schon, denn es ist ja nicht das Reisebüro, das für den zusätzlichen Aufwand und die Umtriebe, die auf der Pandemie beruhen, haftbar gemacht werden kann. Reisen beinhaltet immer auch gewisse Risiken, dessen muss man sich bewusst sein. Das haben ja auch die Versicherungen aufgezeigt, die neue Policen mit Covid-Schutz entwickelt haben unter der Bedingung eines Selbstbehalts – weshalb soll das bei unbeeinflussbaren Situationen und Ereignissen nicht auch für die Reisebranche gelten?

Sollte da nicht auch die Reederei ihren Anteil dazu beisteuern?

Im Vermittlungsgeschäft entschädigt die Basisprovision der Reederei den Beratungsaufwand des Vermittlers und dessen Abwicklung der Buchung, unabhängig davon, ob die Reise stattfindet oder nicht. Alles andere darf schlichtweg nicht sein. Mit einer zusätzlichen Honorierung für all die aufwendigen Arbeiten, die im Zusammenhang mit Stornos oder Änderungen anfallen, tun sich viele Reedereien aber schwer.

Was heisst das?

Eine gewisse Kulanz zeigen vor allem kleinere und hochklassigere Reedereien, während es im Mainstream-Segment eher harzt. Es ist auch ausgesprochen mühsam, wenn eine bekannte Grossreederei unsere Leute während Stunden in der Warteschlaufe hängen lassen. Ein solcher «Service» zeigt doch, dass das Management der Situation nicht gewachsen ist. Fakt ist, dass sich für uns der Aufwand bei kurzfristigen Buchungen nicht mehr lohnt, wenn wir nicht all die sich ständig verändernden Informationen der Reedereien rasch und unkompliziert an die Kunden weitergeben können.

Die Pandemie ist somit auch ein Prüfstein für die Partnerschaft mit den Reedereien.

Durchaus, denn man hat nun auch gesehen, dass nicht überall ein gleich gutes Krisenmanagement vorhanden ist. Während der Support für die Vermittler in dieser schwierigen Zeit bei den meisten amerikanischen Reedereien klappt, treten bei einigen europäischen Reedereien Mängel zu Tage – einige lassen uns gar im Regen stehen. Da und dort hat man nicht erkannt, welche Konsequenzen die Stornos und Änderungen für die Vermittler haben und dass die Future-Cruise-Credits und Gutscheine, die wir in den Büchern haben, eine tickende Zeitbombe sind.

Ebbt denn die Zeit der Stornos und Änderungen nicht jetzt allmählich ab?

Diese Situation betraf in letzter Zeit vor allem noch Kreuzfahrten in Nordeuropa, die abgesagt wurden. Das ist ein herber Schlag, denn wir hatten 2020 ein beträchtliches Buchungsvolumen für den Norden, das wir dank den Future-Cruise-Credits zum grössten Teil auf 2021 umbuchen konnten, nun aber erneut um ein Jahr verschieben müssen. Das hat viel Zusatzarbeit zur Folge. Nein, das Thema ist noch längst nicht vorbei, denn es gibt auch für 2022 und 2023 laufend Änderungen, indem etwa Schiffe ausgetauscht werden.

Sind denn die Programme für 2022 und 2023 überhaupt einigermassen gesichert?

Das hängt natürlich weiterhin von den behördlichen Massnahmen der jeweiligen Destinationen ab. Gewisse Länder dürften noch für einige Zeit keine Kreuzfahrten oder Landgänge zulassen. Ich denke dabei etwa an Asien oder die Südsee, auch Südamerika ist noch unsicher. Zudem haben gewisse Reedereien angefangen, ihre Kapazitäten und Fahrtgebiete zu optimieren, um die Rentabilität zu verbessern. Dadurch entstehen erneut Stornierungen, welche durch eine garantierte Basiskommission, bzw. eine Aufwandsentschädigung an uns vergütet werden müsste. Es kann doch nicht sein, dass wir hier weiterhin gratis arbeiten. Ein anderer Aspekt: Gewisse Märkte buchen bereits wieder stark, deshalb empfehlen wir unseren Kunden, die mittelfristig eine Kreuzfahrt ins Auge fassen, jetzt zu buchen. Nicht zuletzt auch, weil die Preise wohl tendenziell eher steigen werden

Wie beurteilen Sie die Impf-Vorschrift vieler amerikanischer Reedereien?

Das könnte einiges verändern und etwa in Griechenland oder in der Karibik wieder individuelle Landgänge ermöglichen. Erste Reedereien arbeiten bereits an diesem Szenario, so etwa Royal Caribbean, die mit der Jewel of the Seas ab Zypern das östliche Mittelmeer befährt. Auch die Maskenpflicht an Bord könnte bald fallen, was ohne Zweifel das Ferienerlebnis aufwerten würde.

Zeichnet sich somit auch für euch Spezialisten eine gewisse «neue Normalität» ab?

Diese ist in einem entscheidenden Punkt noch weit entfernt. Damit spreche ich die Perspektiven für das Personal an. Die Zeit ist nach wie vor nicht einfach: Man arbeitet permanent unter Zeitdruck, möchte den Kunden einen Top-Service bieten, auf der anderen Seite ist der Kontakt mit den Reedereien oft recht schwierig – dies alles ist belastend. Auch der Informationsfluss im Team ist mit Homeoffice und Zoom kompliziert. Schliesslich hat in der Pandemie die virtuelle Beratung eine neue Bedeutung erhalten, neue Arbeitsfelder geschaffen und ist vor allem auch im technischen Bereich eine Herausforderung. Das grösste Problem ist aber: Unsere Kassen sind leer. Welches Reiseunternehmen kann derzeit frisch fröhlich in neue Technologien und das Personal investieren? Die Frage nach den Perspektiven für das Personal in unserer Branche beschäftigt mich derzeit stark.

Wobei das Cruise Center vor gut einem Jahr technologisch aufrüstete und eine neue Lösung implementierte.

Ja, Ende 2019 haben wir unsere eigene Buchungsmaschine durch das System von Cruise Host abgelöst, was sich während der Pandemie als Glücksfall entpuppte: All die Anpassungen und Änderungen hätten wir mit unserer Manpower nie selber umsetzen können, während Cruise Host das stets in ausgezeichneter Weise hinkriegt.

Letzte Frage: Was ist die grosse Herausforderung für die Kreuzfahrten nach der Pandemie?

Abgesehen von der Personal-Frage ist es ohne Zweifel das Thema Nachhaltigkeit. Die ganze Industrie muss sich ernsthaft mit diesen Fragen auseinandersetzen und ist gefordert, das Image entsprechend positiv zu beeinflussen. Es wird bereits viel getan, doch dies muss dem breiten Publikum verstärkt offen, klar und nachvollziehbar kommuniziert werden.

(Beat Eichenberger)