Garantiefonds-Chef Amos: «Ausser STA noch kein einziger Konkurs»

Der neue Geschäftsführer der grössten Kundengeldabsicherung über den ersten Insolvenzfall in Corona-Zeiten.
Marco Amos. ©TI

Marco Amos hat am 1. September 2020 die Nachfolge von Stefan Spiess als Geschäftsführer des Garantiefonds der Schweizer Reisebranche an. Amos war in diversen Führungsfunktionen für Interhome, Kuoni und TUI, aber auch ausserhalb der Reisebranche bei einer Consultingfirme und der Cornèr Bank tätig. Zuletzt war er Managing Director TUI Italia, wo er die Schliessung abgewickelt hat. Sein Chef war der damalige Chef von TUI Suisse, Martin Wittwer, der auch Vizepräsident des Garantiefonds-Stiftungsrates ist. TRAVEL INSIDE hat Marco Amos zu seinem Start beim Garantiefonds befragt. Was seine Ideen und Ziele für die Kundengeldabsicherung sind, lesen Sie in der nächsten Print-Ausgabe von TRAVEL INSIDE.

Wie waren Ihre ersten zwei Monate als Geschäftsführer des Garantiefonds?

Es war ein steiler Einstieg. Ich habe am 1. September angefangen, am 3. September hat STA Insolvenz angemeldet, am 10. September wurde sie publiziert. Da verschieben sich die Prioritäten für ein paar Monate.

Was bedeutet dieser Konkurs für den Garantiefonds?

Viele unserer Ressourcen sind jetzt für die Abwicklung dieses Falls gebunden. In Zahlen, Stand Ende Oktober: Abgesehen von den Delkredere-Forderungen der Veranstalter haben wir über 800 Kundenanträge für Rückerstattungen im Haus mit einem Gesamtvolumen von etwas mehr als 3 Millionen Franken.

Das ist ungefähr die Hälfte des Stifungsvermögens.

Stimmt. Aber das heisst noch nicht, dass der Schaden so hoch sein muss, er wird sicher kleiner sein. Es sind nicht alle Forderungen berechtigt, es sind nicht gedeckte Einzelleistungen dabei, Stornogebühren, Gutscheine und nicht-touristische Leistungen. Das zu sortieren wird uns ein paar Monate beschäftigen. Damit wollen wir aber nicht das Stiftungsvermögen schützen und möglichst wenig auszahlen, wie mir schon vorgeworfen wurde. Das Stiftungsvermögen ist dazu da, die Kundengelder zu sichern, wir sind dem Endkunden verpflichtet. Aber es ist auch unsere Pflicht abzuklären, ob die Forderungen gemäss Pauschalreisegesetz berechtigt sind.

Ist denn das nicht klar?

Es ist gerade in diesen Corona-Zeiten sehr kompliziert geworden, weil viele Reisen in der Vergangenheit hätten stattfinden sollen und vom Kunden annulliert, vom Reisebüro storniert, sonstwie verschoben worden oder mit Gutscheinen oder Gutschriften ersetzt oder ergänzt worden sind. Und angekündigte Reisen können aus verschiedenen Corona-bedingten Gründen nicht stattfinden. Das ist im Gesetz so nicht vorgesehen. Dort geht es einfach nur um gebuchte Reisen, die in der Zukunft gemacht werden. Der Pandemie-Fall ist nicht vorgesehen.

Spielen die Reiserestriktionen der Länder eine Rolle?

Wir lassen jetzt die Frage juristisch prüfen, ob Reisen, die wegen behördlicher Auflagen nicht stattfinden konnten oder können, überhaupt unter das Pauschalreisegesetz fallen. Zum Thema Force Majeure  gibt es unterschiedliche Meinungen.

Und wie steht es mit den Gutscheinen und Gutschriften, die für nicht stattfindende Reisen ausgegeben wurden?

Da herrscht relativ grosse juristische Einigkeit, dass Gutscheine und Gutschriften keine Pauschalreisen sind und damit nicht unter das Gesetz fallen.

Das heisst: Wenn ein Kunde einen Gutschein akzeptierte, bekommt er kein Geld zurück. Und wenn er statt dessen seine Reise verschob, wird er entschädigt?

Ja, das ist grundsätzlich so. Im Detail kommt es immer auf den Einzelfall an. Was war der Wille des Kunden? Und wie ist das allgemeine Vorgehen der Firma? Das alles kann auch eine Rolle spielen.

Auch wenn nicht alle Forderungen berechtigt wären, ein Teil des Garantiefonds-Vermögens ist mit dem STA-Konkurs weg und es bleibt weniger für mögliche weitere Konkurse. Macht Ihnen das keine Sorgen?

Im Moment mache ich mir keine grossen Sorgen. Der Schaden wird wie gesagt bei Weitem nicht so hoch sein wie die Forderungen und STA hat einen relativ hohe Einzelgarantiesumme auf dem Sperrkonto.

Die milliardenschweren Diethelm Keller Holding hat STA fallen gelassen. Können Sie dort noch Geld holen?

Aus meinem Gerechtigkeitsgefühl habe ich persönlich Mühe, dieses  Vorgehen zu verstehen und zu akzeptieren. Aber STA ist in Konkurs geschickt worden, da kann man nichts machen. Ob alles mit rechten Dingen zugeht, muss das Konkursamt prüfen. Wir haben keine rechtliche Handhabe.

Und was passiert, wenn ein grösserer als STA in Konkurs geht – das übersteigt doch die Mittel des Garantiefonds inklusive Rückversicherung bei Weitem?

Ich halte es nicht für sehr wahrscheinlich, dass einer der ganz Grossen Konkurs geht. Und auch wenn, es ist nicht voraussehbar, was dann passieren würde. Wenn nur noch wenige Verbindlichkeiten vorhanden sind, zum Beispiel alle Rückzahlungen aus der Vergangenheit an die Kunden schon geleistet wurden und keine neuen Buchungen vorhanden sind, könnte das weniger schlimm sein als es auf den ersten Blick wirkt. Umgekehrt mit vielen neuen Buchungen, dann wäre das Problem riesig. Das könnte der Garantiefonds nicht mehr stemmen.

Könnte in diesem Fall der Bund einspringen, damit die Endkonsumenten zu ihrem Geld kommen?

Wir sind im Gespräch mit dem Seco und anderen Stellen darüber, wie man das Gesetz erfüllen kann, wenn kein Geld mehr da ist. Wir hoffen da auch auf die Unterstützung von Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga als ehemalige Konsumentenschützerin.

Wie viele Konkurse, ausser STA, haben den Garantiefonds seit Ausbruch der Corona-Krise beschäftigt?

Wir hatten bisher noch keinen einzigen anderen Konkursfall ausser STA. Das stimmt mich ein bisschen optimistisch. Aber wir haben ordentliche Schliessungen von Reisebüros gehabt, vielleicht ein paar mehr als sonst.

Kritisiert wird in diesem Zusammenhang oft, dass es sehr lange dauert, bis Garantiesummen freigegeben werden.

Vertraglich festgelegt ist die Auszahlung der Garantie 18 Monate nach der Schliessung. Damit sind Risiken für bereits verkaufte, aber noch nicht gemachte Reisen gedeckt. Wenn aber keine solchen Risiken mehr vorhanden sind oder an ein anderes Reisebüro übergegangen sind, kann die Garantie auch früher freigegeben werden. Solche Fälle hatten wir jetzt.

(Interview: Christian Maurer)