Glanzvolles 50-Jahre-Jubiläum von Scylla

Die Schweizer Reederei Scylla gab auf einer exklusiven Jubiläums-Kurzkreuzfahrt von Wien nach Bratislava Einblicke in ihr wenig bekanntes Geschäftsmodell.
Arno (rechts) und Robert Reitsma der Scylla-Eignerfamilie. ©BE

Die Viva Two, das neuste Scylla-Schiff des eigenen Veranstalters Viva Cruises, erwartete in Wien die geladenen Gäste. Die festliche 2-Nächte-Rundfahrt zum 50-Jahre-Jubiläum der Reederei nach Bratislava mit Geschäftspartnern, Freunden der Familie und einigen ausgewählten Medien geizte nicht mit Höhepunkten.

Operetten-Schmankerl mit tollen Stimmen, ein exzellentes Wein-Tasting in der prächtigen Philharmonie von Bratislava oder unterwegs eine nächtliche Light- und Lasershow an Deck überraschten ebenso wie das köstliche Gala-Dinner. Gutgelaunt unterhielten sich die Gäste an Bord und pflegten ihre Kontakte.

Und natürlich gab es von Arno und Robert Reitsma, der in Belgien lebenden zweiten Generation der Eigner-Familie, einiges zu erfahren. Scylla wurde 1973 von ihren holländischen Eltern André und Martha Reitsma in Basel gegründet; Martha Reitsma gestaltet noch heute das Bord-Interieur der Schiffe mit. 1974 nahm das erste Personenschiff, die Scylla, unter Schweizer Flagge Fahrt auf.

Eine Geschichte der Innovationen
Festliches Dekor.

«Unser Vater André steuerte die Scylla als Kapitän, unsere Mutter Martha kümmerte sich um das Hotelmanagement», erzählte Arno Reitsma, seit 2007 CEO des Unternehmens. Und sein Bruder Robert Reitsma, Chief Technical Officer, ergänzte: «Ich verbrachte die ersten Jahre meiner Kindheit mehrheitlich auf dem Schiff – eine unvergessliche Zeit».

Weitere Meilensteine der Scylla-Geschichte sind unter anderem 1978 die Inbetriebnahme des zweiten Schiffs Calypso, und 1988 setzte die Switzerland mit ihrem neuartigen Komfort und einer neuen Antriebstechnik Massstäbe auf dem Fluss. 1992 befuhr die Switzerland II als erstes Passagierschiff den neuen Main-Donau-Kanal.

Eine weitere Premiere war 1996/97 die Olympia (heute Venezia), das erste Flussschiff auf dem Po. Mit der Swiss Crown begründete Scylla 1999/2000 eine neue, spektakuläre Generation von Flussschiffen, 2010/11 sorgte die neue Alina als erstes Schiff mit einer Länge von 135 Metern für Aufsehen.

Das spezielle Geschäftsmodell
Lightshow auf der Donau.

Das Geschäftsmodell von Scylla kurz zusammengefasst: Das Unternehmen plant und entwickelt neue Flussschiffe, kümmert sich um die Finanzierung und lässt die Schiffe auf einer Werft in Holland bauen, bereedert sie mehrheitlich und verchartert sie an Flussreisen-Veranstalter in verschiedenen Märkten.

Diese Veranstalter vermarkten die Scylla-Schiffe unter ihrem eigenen Namen, die  Marke «Scylla» tritt in der breiten Öffentlichkeit somit kaum in Erscheinung und ist wenig bekannt.

«Wir haben über all die Jahre gelernt, die besten Flussschiffe zu bauen und wirken im ganzen Bauprozess vollumfänglich mit. Daraus entstanden viele wertvolle und langjährige Partnerschaften in der ganzen Industrie, was für uns als Familienunternehmen eine sehr grosse Bedeutung hat», sagte Robert Reitsma.

Inzwischen beträgt das Portfolio von Scylla 38 Flussschiffe, mit der Seaventure, der 2020 übernommenen einstigen Bremen von Hapag-Lloyd Cruises, gehört zudem ein Expeditionsschiff zur Reederei. Die Seaventure wird saisonal von Polar Latidudes und Island Pro Travel gechartert.

«Vor Corona hatten wir Pläne für weitere Expeditionsschiffe», sagte Arno Reitsma, der seit Juli auch als Präsident der IG River Cruise amtet. Diese wurden inzwischen etwas zurückgestuft, doch gänzlich ausschliessen möchte man bei Scylla eine weitere Expansion im Bereich Hochsee nicht, offenbar werden auch entsprechende Gespräche geführt.

Lichtdurchflutetes Flaggsschiff Viva Two.

Dafür ist auf dem Fluss starkes Wachstum angesagt. 2024 werden die neue Viva Enjoy, ein Schwesterschiff der Viva Two, sowie ein Douro-Schiff ausgeliefert. Danach sind zwischen 2025 und 2028 jährlich drei Neubauten mit einer Länge zwischen 110 und 135 Meter geplant, die Scylla-Flotte wird also auf über 50 Einheiten anwachsen.

«Die Nachfrage nach Corona ist auch in den angelsächsischen Märkten zurück und wird weiter ansteigen, alle unsere Partner benötigen mehr Kapazitäten», sagte Arno Reitsma zur Entwicklung. Dabei stehen nicht immer noch luxuriösere Schiffe mit grösseren Kabinen und mehreren Restaurants im Fokus, sondern auch etwas einfachere Produkte zum Beispiel für Radfahrtouren-Anbieter.

Ein anderes Segment wären kleinere neue Schiffe für kleinere Wasserstrassen – für Reitsma ein schwieriges Thema: «Die Baukosten und die operationellen Aufwände würden zu einem Preis führen, der im Markt kaum Akzeptanz findet», urteilt er.

Charter-Partner von Scylla sind u.a. deutsche Veranstalter wie Phoenix und Nicko Cruises, amerikanische Veranstalter wie Tauck Tours oder die englische Riviera Travel. Mit Viva Cruises betreibt Scylla zudem seit 2018 eine eigene Veranstalter-Marke, die natürlich mit Scylla-Schiffen fährt.

Charterpartner Thurgau Travel
Hans Kaufmann (l.) und Daniel Pauli (r.) von Thurgau Travel mit Guido Laukamp (Nicko Cruises).

Auch der Schweizer Flussfahrt-Spezialist Thurgau Travel kann auf eine mehr als 30-jährige Partnerschaft mit Scylla zurückblicken. «Beliebte Schiffe von Scylla, die wir unter langjährigen Charterverträgen führen, sind etwa die Edelweiss oder die Thurgau Prestige und die Thurgau Rhône», sagte Daniel Pauli, Geschäftsführer von Thurgau Travel, der wie Gründer Hans und Ernestine Kaufmann ebenfalls an Bord war.

Die allermeisten ihrer Schiffe bereedert Scylla selber und stellt sowohl das Personal für die Nautik wie für die Hotellerie – «dieses umfassende Konzept vom Bau bis zum Betrieb macht Scylla einzigartig», unterstrich Arno Reitsma. Dabei Ist aber auch für Scylla der Fachkräftemangel im Bereich Hospitality derzeit eine Herausforderung.

Je nach Saison beschäftigt Scylla heute zwischen 2500 und 3000 Mitarbeitende – «die Seele unserer Schiffe», wie man bei Scylla die Bedeutung der Crew unterstreicht. Wurden früher in der Nautik und Hotellerie vor allem Saisonverträge abgeschlossen, sind es heute vorwiegend Jahresverträge.

Nebst dem Hauptsitz der Reederei in Baar (in Basel führt Scylla kein Büro mehr) sind weitere Aktivitäten in Düsseldorf (u.a. Viva Cruises), Belgien (Nautik und Hotellerie), Holland (Bau) und Zypern (Recruiting) angesiedelt.

Die Scylla-Schiffe kommen von ihren Charter-Partnern heute auf nahezu allen grossen Wasserstrassen Europas zum Einsatz, darunter nebst dem Rhein mit seinen Nebenflüssen und der Donau auch auf der Seine, Rhône und Saône.

Auch Viva Cruises jubiliert
Arno Reitsma und Andrea Kruse.

2018, vor fünf Jahren, begründete Scylla eine eigene Vertriebsmarke, Viva Cruises. Dazu holte man mit Andrea Kruse eine erfahrene Cruise-Expertin an Bord, die zuvor u.a. bei Silversea tätig war und heute mit CEO Arno Reitsma als Chief Operating Officer (COO) die Entwicklung von Viva massgeblich vorwärtstreibt. In einem Doppelmandat ist sie zudem Chief Commercial Officer (CCO) von Scylla.

«Mit Viva wollen wir eine Angebots-Lücke schliessen und neue Ideen entwickeln, die von unseren vor allem national ausgerichteten Charter-Partner nicht abgedeckt und somit von Viva auch nicht konkurriert wird», sagte Andrea Kruse zu dem anfänglich da und dort von Partnern kritisch kommentierten Schritt von Scylla.

Aber auch eine bessere Auslastung von Schiffen, die von kleineren Veranstaltern nur sporadisch gechartert wurden, war ein Beweggrund. Mit Viva Cruises kann Scylla flexibler und in Eigenregie auf solche Lücken reagieren und spontan Produkte auf den Markt bringen.

Die Besonderheit von Viva Cruises liegt einerseits in der internationalen Ausrichtung: Rund die Hälfte der Gäste stammen aus internationalen europäischen Märkten wie Skandinavien, Benelux oder Spanien, die übrige Hälfte aus den DACH-Märkten. «Das ist eine einmalige Positionierung, die es bis anhin im Markt nicht gab», sagte Kruse. Bordsprachen an Bord der Viva-Schiffe sind Deutsch und Englisch.

Als weiteres Unterscheidungsmerkmal unterstreicht Andrea Kruse das umfassende All-inklusive-Konzept von Viva Cruises und die einfache, stabile Preisstruktur. «Ein wichtiges Element sind zudem die Gruppenreisen kleinerer Veranstalter, die nicht unbedingt einen Vollcharter suchen und gegen 60 Prozent des Geschäfts bringen», sagte Kruse.

Der besondere Viva-Stil
Elegante Tea-Time.

Der Start von Viva Cruises erfolgte 2018 mit der Tiara, die darauf komplett renoviert wurde und den Viva-Look begründete: Ein heller, moderner skandinavischer Stil mit dezenten und verspielten Blautönen, lichtdurchfluteten Räumlichkeiten und eleganter Möblierung.

2019 wurde die Flotte punktuell mit weiteren Schiffen ergänzt, bis Corona dem Start-up einen Strich durch die Rechnung machte. «Wir kehrten aber sehr früh im Sommer 2020 wieder mit Kurzkreuzfahrten auf den Markt zurück, die sehr gut ankamen», so der Blick zurück von Andrea Kruse.

Inzwischen führt Viva Cruises acht Flussschiffe auf, darunter die 2018 erbaute Viva Moments, die 2022 erbaute Viva One und die 2023 erbaute Viva Two, die mit ihrer neuen Umwelttechnologie den Gold Green Award erhielt. Bereits im nächsten Jahr folgt mit der Viva Enjoy ein Schwesterschiff der eleganten Two-Bauklasse. Viva Cruises betreibt zudem mit «Viva Riverside» eine Abteilung, welche Flussschiffe als Hotelschiffe vermietet.

Viva Cruises ist auf allen wichtigen Flüssen und Wasserstrassen Europas unterwegs, speziell sind etwa winterliche Kurzkreuzfahrten auf dem Rhein von Januar bis März, die Themen wie Wellness aufgreifen, oder die beliebten Krimi-Kreuzfahrten mit der Swiss Ruby.

Andrea Kruse, die u.a. von Patrick Ell als Direktor Marketing & Digital unterstützt wird, plant den Schweizer Markt aktiver zu bearbeiten: «Wir sind überzeugt, dass unser internationales, modernes Produkt in der Schweiz Potenzial hat und werden bald eine eigene Vertreterin für den Markt Schweiz bekannt geben».

Beat Eichenberger, Basel