Hotelplan-Pfammatter: «Die Hauptarbeit sind immer noch Stornierungen»

Nicole Pfammatter, Director Distribution&Marketing, zur aktuellen Lage in den Reisebüros von Hotelplan Suisse.
© Hotelplan Suisse

Hotelplan Suisse hat das schlechteste Geschäftsjahr seiner 85-jährigen Geschichte hinter sich. Was passiert in dieser Corona-Zeit in den 86 Filialen des grössten Schweizer Reiseanbieters?

TRAVEL INSIDE hat bei Nicole Pfammatter, Director Distribution&Marketing, nachgefragt.


Nicole Pfammatter, wie wird jetzt konkret in den Filialen gearbeitet?

Unsere Filialen sind rund 20 Stunden pro Woche geöffnet, je nach Standort. 15 Filialen haben wir temporär – vorerst bis Ende Dezember 2020 – geschlossen und die Mitarbeitenden sind weiterhin in Kurzarbeit. Der physische Kontakt mit den Kunden hat stark abgenommen, mehrheitlich erhalten wir Anrufe und E-Mails. Wir machen auch Video-Calls, allerdings noch in einem ganz kleinen Rahmen.

Werden jetzt noch Reisen verkauft?

Ja, wir verkaufen immer noch Reisen. Das ist wichtig. Ehrlicherweise muss ich allerdings sagen, dass die Hauptarbeit immer noch Stornierungen von Reisen an Winterdestinationen sind, die vor Corona gebucht worden sind und jetzt stattfinden sollten. Diese Reisen nun annullieren zu müssen, schmerzt natürlich.

Aktuell gibt es viele Unsicherheiten, Reiserestriktionen und instabile Flugpläne. Kann man da überhaupt vernünftig buchen?

Wir haben unsere Mitarbeitenden angewiesen, wenn möglich nur noch kurzfristige Buchungen entgegenzunehmen. So können Unannehmlichkeiten mit Quarantänelisten und anderen Reiserestriktionen der Schweiz, aber auch an den Destinationen, minimiert werden.

Wie kurz ist bei Ihnen kurzfristig?

Wir raten den Kunden, die Ferien rund zwei Wochen im Voraus zu buchen, bei Fernstrecken maximal vier Wochen.

Haben Sie seit der die faktischen Aufhebung der Einreise-Quarantäneliste des Bundes eine Zunahme der Buchungen verspürt?

Nein. Einerseits sind wir zwar glücklich, dass die Quarantäneliste aktuell so gut wie gefallen ist, denn sie macht aus unserer Sicht keinen Sinn. Aber das hat nicht dazu geführt, dass wir mit Buchungen überhäuft wurden.

Was erwarten Sie für den kommenden Frühling und Sommer?

Wir gehen davon aus, dass es bis Mitte Februar sehr ruhig bleiben wird. Der Buchungs-Boom, der normalerweise im Januar stattfindet, wird wahrscheinlich ausbleiben. Ich denke, unsere Kunden werden beim Buchen vorsichtiger sein. Ab März, nehmen wir an, werden Sommerferien gebucht. Dann wird man eher eine Vorstellung davon haben, wie die Situation in den verschiedenen Destinationen aussehen wird.

Was für ein Angebot können Sie bei all den Unwägbarkeiten jetzt für nächstes Jahr vorbereiten?

Im Angebot haben wir eigentlich alles, was wir immer im Angebot haben. Die Airlines haben uns ihre Angebote und Flugpläne freigeschaltet. Aber es wird sich zeigen, ob wir unsere Angebote, zum Beispiel für Zypern, letztendlich durchführen können.

Und wie sind die längerfristigen Perspektiven was die Destinationen betrifft?

Das Mittelmeer ist und bleibt ein Renner in der Schweiz. Allein schon weil es nahe liegt und auch viel bietet, was wir im eigenen Land nicht haben – Meer, Sand an den Füssen, mediterranes Essen. Dieses Feeling haben wir alle tief in uns drin und viele vermissen das jetzt ganz stark. Auch wenn viele Kunden die letzten Monate wunderbare Ferien in der Schweiz verbracht haben und es genossen haben, das eigene Land neu zu entdecken.

Was hat Corona mit den Kunden und ihren Ansprüchen und Erwartungen gemacht?

Die Erwartungen der Kunden an unsere Reisebüros und an uns als Reiseveranstalter sind bezüglich der Qualität des Produkts, der Beratung und der Betreuung ganz klar gestiegen. Wir müssen auch jetzt, wenn alle Mitarbeitenden ausser der Geschäftsleitung in Kurzarbeit sind, nach dreimal Klingeln den Hörer abnehmen. Die Kunden wollen sicher sein, wohin ihr Geld geht – an ein seriöses Unternehmen, bei dem sie keine Angst haben, dass es Konkurs gehen könnte. Und schliesslich will der Kunde auch sicher sein, dass jemand für ihn da ist, wenn auf der Reise etwas Unvorhergesehenes passiert. Er will 24 Stunden jemanden erreichen können, und zwar auf Schwyzerdütsch,

Und was erwarten die Kunden künftig bezüglich der Destinationen, hat Corona ein Umdenken in Richtung Nachhaltigkeit und weniger Ovtourism gebracht?

Wir sind überzeugt, dass die Themen Overtourism und Klimaschutz wieder ins Zentrum rücken werden, sobald die Coronakrise einigermassen überstanden ist. Das Thema Nachhaltigkeit wird uns weiter beschäftigen, weil wir Sorge zu dem tragen müssen, was wir unseren Kunden anbieten, und dass wir möglichst viel in einem möglichst natürlichen Rahmen weiterhin erleben dürfen.

In der Corona-Zeit haben sich viele Leute noch mehr auf Online-Shopping und Online-Kommuniktion eingestellt. Wird es die jetzt noch 86 Hotelplan- und Travelhouse-Filialen noch brauchen?

Es gibt seit Corona neu eine Hürde, den physischen Kontakt zu suchen. Und die Mehrheit der Reisehungrigen sucht ihre Inspirationen online, das stimmt. Danach braucht es jedoch eine Person, welche die Reise konkret konzipiert. Wir sind überzeugt, dass der stationäre Vertrieb eine Zukunft hat. Gerade bei komplexen Buchungen sind Ansprechpersonen wichtig, beispielsweise um persönliche Tipps für Restaurants oder Sehenswürdigkeiten zu erhalten. Wir möchten dem Kunden weiterhin möglichst viele Entry-Points zu bieten, um auf unser Angebot zuzugreifen. Sei dies im Reisebüro, online, per Telefon oder E-Mail und auch via Video-Konferenz.

Stichwort Service und Beratung: In der Corona-Zeit wird bis heute in den Reisebüros viel Gratisarbeit geleistet, für Umbuchungen und Stornierungen. Wird Hotelplan Suisse die Bezahlung für diese Dienstleistungen künftig einfordern und höhere Gebühren verlangen?

Es braucht eine Bearbeitungsgebühr. Wer keine Beratung wünscht, kann bei Hotelplan oder Migros Ferien online buchen und verzichtet damit darauf, mit einem unserer Mitarbeitenden zu sprechen. Wenn wir im Call-Center einen Anrufer haben, der sich zum Beispiel den Unterschied zwischen drei Hotels erklären lassen will, dem bieten wir heute die Wahl: Entweder wir schicken ihm einfach die Kriterienlisten der Hotels und er kann sich selbst ein Bild machen, ob ihm das Angebot gefällt. Oder wir bieten ihm an, mit einem unserer Filialmitarbeitenden zu sprechen, der ihm die Unterschiede erklärt. Dafür bezahlt der Kunde dann ein Beratungshonorar.

(Interview: Christian Maurer)