ITB-Chef Ruetz: «Die ITB Berlin 2021 wird auf jeden Fall stattfinden»

Der Schweizer David Ruetz, Head of ITB Berlin, im Interview mit TRAVEL INSIDE über die Vergangenheit und die Zukunft der grössten Reisemesse der Welt.
David Ruetz, Head of ITB Berlin © ITB

Welche Auswirkungen hatte die Absage der ITB 2020 – auch langfristig betrachtet?

Die Auswirkungen waren und sind enorm. Das was wir im Frühling erlebt haben, glich einem Krimi. Es fiel uns extrem schwer, diese Messe abzusagen, vor allem so kurz vor Veranstaltungsbeginn. Letztlich hatten wir aber keine andere Wahl. Die Entscheidung über die Durchführung oder Absage der ITB konnte nur auf der Grundlage der Anweisung der zuständigen Fachbehörden erfolgen. Unmittelbar bedeutete die Absage für uns den Verlust eines zweistelligen Millionenbetrags.

Wie hat sich die ITB mit den Ausstellern 2020 finanziell geeinigt, gab es Entschädigungen wegen der sehr kurzfristigen Absage?

Wir haben uns in der Tat mit den Ausstellern geeinigt. Die gezahlten Gebühren für die geplante Teilnahme haben wir ihnen selbstverständlich vollumfänglich erstattet. Der Verlust durch diese pandemiebedingte Absage war so unglaublich vielschichtig, weil so viele Unternehmen an der gesamten Wertschöpfung beteiligt gewesen sind.

Wird die ITB 2021 nach jetzigem Stand stattfinden?

Eines ist sicher: Die ITB Berlin 2021 wird auf jeden Fall stattfinden. Wir bereiten uns auf drei Szenarien vor. Der Idealfall hängt von einem möglichen Impfstoff ab. Dann findet die Veranstaltung in gewohntem Umfang mit allen Fach- und Privatbesuchern statt. Darüber hinaus gäbe es eine hybride Variante, bei der wir analoge und digitale Inhalte stark miteinander verknüpfen. Die dritte mögliche Umsetzung wäre ein rein digitales Event. Davon gehen wir allerdings am wenigsten aus.

Bis wann fällt die finale Entscheidung, ob die ITB 2021 durchgeführt bzw. abgesagt wird?

Jeder, der die aktuelle Newslage weltweit verfolgt, weiss: Wir können nicht in eine Glaskugel schauen. Wir müssen flexibel bleiben – daher kann ich da leider kein fixes Datum nennen. Die gesamte Branche wird dynamisch mit der Situation umgehen müssen. Digital wird die ITB aber auf jeden Fall stattfinden. So bauen wir unsere globale Plattform auf itb.com laufend aus.

Unter welchen Umständen wäre eine Durchführung im nächsten Jahr überhaupt möglich?

Nehmen wir an, es gäbe rasch einen Impfstoff. Dann dürften die Reisebeschränkungen schnell wieder fallen. Dass Vor-Ort-Messen aber grundsätzlich auch während einer Pandemie möglich sind, hat gerade die IFA erfolgreich bewiesen. Dreh- und Angelpunkt sind die digitale Anmeldung sowie Registrierung beim Betreten und Verlassen des Geländes. Zudem wird es feste Laufrichtungen geben und Mitarbeiter, die auf die Mindestabstände hinweisen. Stände werden entsprechend entzerrt, vor Hallen wird es ein Ampelsystem geben, das Gästen zeigt, ob diese bereits ausgelastet sind. Zudem erhöhen wir die Taktung bei der Reinigung und stellen zahlreiche Desinfektionsspender auf. Besucher, Aussteller und Veranstalter werden einfach umlernen müssen, um sich der neuen Normalität anzupassen. Wir sind jedoch sicher, auch unter der Einhaltung von Distanz- und Hygiene-Massnahmen ist ein gewinnbringender menschlicher Kontakt in der Zukunft möglich.

Ist auch eine virtuelle Austragung eine Option?

Absolut. In all ihren Abstufungen. Die ITB ist in der Lage, den Anteil digitaler Inhalte je nach Bedarf in den nächsten Monaten anzupassen. Es ist keine Frage, ob wir virtuellen Content anbieten, sondern in welchem Umfang. Unser globaler Hub, ITB.com, ist schon jetzt eine echte Erfolgstory. Aufgrund der durch Covid-19 beschleunigten Digitalisierung hat auch die Plattform einen erneuten Schub bekommen. Mitglieder der Reisebranche tauschen sich hier aus und vernetzen sich. Zudem halten wir hier wichtige Branchen-News für die User bereit und versorgen sie monatlich mit Expertenwissen aus unserer Virtual-Convention-Reihe. Wir haben bereits einige Fach-Sessions mit hochkarätigen Interviewpartnern angeboten. Diese wurden überaus gut angenommen. Einige User bevorzugen es, sie live zu verfolgen, andere streamen sie im Nachgang.

Wie ist die bisherige Nachfrage der Aussteller für das kommende Jahr?

Das Interesse der Aussteller an einem Live-Event vor Ort ist bereits sehr gross. Zum jetzigen Zeitpunkt haben sich etwa 30 Prozent von ihnen für die ITB Berlin 2021 angemeldet. Reine Online-Meetings können den persönlichen Kontakt keineswegs ersetzen. Face-to-Face-Kontakte sind für viele Branchenplayer wichtiger als je zuvor. Das war auch eines der Ergebnisse aus einer Online-Umfrage, die wir unter unseren Ausstellern durchgeführt haben. Für mehr als die Hälfte der Aussteller ist der persönliche Austausch genauso wichtig wie vor der Corona-Pandemie. 28 Prozent schreiben der Face-to-Face-Begegnung sogar mehr Bedeutung als vorher zu.

Wie viele Besucher verträgt es überhaupt?

Da haben wir momentan eigentlich ganz klare Vorgaben durch den Gesetzgeber. Pro Halle sind 1000 Besucher erlaubt. Hochgerechnet bedeutet das für uns 42’000 Besucher für das gesamte Gelände. Damit können wir wirtschaftlich arbeiten und logistisch ist es ebenfalls machbar.

Welche Ideen, Erfolgsfaktoren und Neuerungen haben Sie, damit die ITB 2021 ein Erfolg wird?

Nachdem die ITB und auch das Berlin Travel Festival (BTF) dieses Jahr leider ausfallen mussten, organisieren wir noch dieses Jahr gemeinsam mit dem BTF vom 16. bis 18. Oktober ein hybrides Event für Privat- und Fachbesucher in der Arena Berlin. Die Veranstaltung ist für uns auch ein guter Gradmesser, um wichtige Erkenntnisse für die ITB im März zu gewinnen und uns auch das Konzept Messe heranzutasten. Ausserdem wird es auch ein Indikator dafür sein, ob und wie das Publikum solche Events in der Pandemiezeit annimmt. Langfristig führt die aktuelle Lage zu einem Umdenken für uns und unsere Branche. An das analoge Messeformat glauben wir ganz fest, aber digitaler Content und digitales Matchmaking als Ergänzung zum Live-Event werden zukünftig eine viel grössere Rolle spielen.

Wie wird Corona als Thema behandelt und was sind die anderen grossen Themen und wer ist Gastland?

Corona wird inhaltlich selbstverständlich eine grosse Rolle spielen – insbesondere im Kongressbereich. Es wird unter anderem  auch um die Veränderungen der globalen Reisenachfrage mit und nach der Pandemie gehen. Wie verändern sich Reiseströme, Kundenpräferenzen und wo sehen Experten mögliche Wachstumssegmente? Darüber hinaus werden Digitalisierungs- und Nachhaltigkeitsthemen sicher enorm an Bedeutung gewinnen. Die Aspekte sind mit Corona verwoben. Die Gastlandfrage kann ich zum aktuellen Zeitpunkt leider nicht beantworten. Ich kann jedoch bestätigen, dass wir diesbezüglich mit Oman und Sachsen im Gespräch sind. Eine entsprechende Pressemeldung ist bereits in Abstimmung. Das Gastland für 2021 wird offiziell verkündet, sobald ein finaler Vertrag fixiert ist.

(Interview: Yannick Suter)