Kreuzfahrtschiffe und die Klimafrage: Erste Brennstoffzellen-Tests kommen

Allen Unkenrufen zum Trotz – es tut sich einiges in der Cruise-Industrie: Erste Reedereien erproben bald eine wichtige, zukunftsträchtige Technologie.
Die Aida Nova testet erste Brennstoffzellen. © Aida
Beat Eichenberger, TRAVEL INSIDE Cruise-Spezialist

Der Klimawandel setzt auch die Kreuzfahrt unter Zugzwang. Eine erste Massnahme, die seit wenigen Jahren auf Neubauten zu Anwendung kommt, ist der Ersatz des traditionellen Treibstoffes Schweröl und des umweltfreundlicheren Marine Gasoil durch Flüssigerdgas (LNG, Liquefied Natural Gas). Allerdings: LNG steht längst nicht weltweit zur Verfügung, zudem können ältere Einheiten nicht einfach umgerüstet werden.

LNG darf als derzeit sauberster Schiffskraftstoff bezeichnet werden, der vor allem Luftschadstoffemissionen wie Schwefeloxide (zu 99 Prozent), Stickoxide (zu 85 Prozent) und Feinstaub (zu 98 Prozent) eliminiert. Die CO2-Emissionen werden um rund 20 Prozent reduziert, weshalb LNG in Bezug auf die Treibhausgas-Diskussion als Übergangslösung bezeichnet wird.

Weitere CO2-Ansätze

Eine andere Lösung, die inzwischen auf ersten Schiffen zum Einsatz kommt, ist die Nutzung elektrischer Energie durch Batteriespeicher. Solche Systeme sind aber noch zu gross, zu schwer und zu leistungsschwach, um allen Anforderungen grosser Schiffe zu genügen. Sie kommen deshalb vorerst nur ergänzend und während weniger Stunden auf kleineren Einheiten zum Einsatz oder decken Lastspitzen ab.

Ein Schritt hin zu einer CO2-Reduktion ist auch die Möglichkeit, während des Hafen-Aufenthalts Landstrom zu nutzen. Immer mehr Schiffe verfügen heute über diese Möglichkeit, aber noch sind längst nicht alle Häfen entsprechend ausgerüstet. Zudem stellt sich die Frage, wie «grün» der bezogene Strom ist.

Schliesslich zielen auch bauliche Massnahmen (z.B. Form des Schiffsrumpfs) und neue Bord-Systeme zur Einsparung (oder Wiedergewinnung) von Energie in dieselbe Richtung, indem der Treibstoffverbrauch reduziert wird.

Hoffnungsträger Brennstoffzelle

Seit Jahren schon wird von Experten die Brennstoffzellen-Technologie als höchst wahrscheinlich zukunftsträchtigste Lösung in der Schifffahrt zur Eliminierung von Kohlenstoffdioxid (CO2, Treibhausgas) bezeichnet. Während ein herkömmlicher Verbrennungsmotor sich auf fossile Kraftstoffe abstützt (und dabei u.a. CO2-Emissionen auslöst), erzeugen Brennstoffzellen Energie auf der Basis von Wasserstoff, was keine Schadstoffemissionen zur Folge hat.

Genutzt werden dabei meist Träger wie Methan, Methanol oder Erdgas, weil diese Treibstoffe einfacher zu handhaben sind als reiner Wasserstoff. Solcher Brennstoff wird dabei vor der Zelle in einem Reformer zu Wasserstoff umgewandelt, der in der Zelle in einem elektrochemischen Prozess mit Sauerstoff Strom und Wärme erzeugt, aber kein CO2.

Die Brennstoffzellen-Technologie ist schon seit Jahren bekannt, aber noch nicht so ausgereift, dass sie in grossem Massstab mit grosser Leistung eingesetzt werden könnte – daran wird heute intensiv gearbeitet. Erste Reedereien haben inzwischen entsprechende Entwicklungsschritte bekannt gegeben:

Frühjahr 2022: Aida Nova

Schon vor Corona hat Aida Cruises bekannt gegeben, dass man auf der Aida Nova erstmals die Brennstoffzellen-Technologie testen will. Das Vorhaben wurde durch die Covid-Krise verzögert, doch bald soll es nun umgesetzt werden.

«Im Frühjahr 2022 werden wir im Rahmen des Zukunftsprojekts Pa-X-ell2 an Bord der Aida Nova als weltweit erste Kreuzfahrtreederei ein mit Wasserstoff betriebenes Brennstoffzellensystem mit einer Leistung von 200 Kilowatt in der Praxis testen. Dabei wird der Wasserstoff an Bord aus flüssigem Methanol gewonnen», bestätigt Aida auf Anfrage.

Effizient, emissions-, geräusch- und vibrationsfrei – diese Vorteile bezeichnet Aida als die unschlagbaren Eigenschaften einer Brennstoffzelle. Dazu wurde gemeinsam mit der Meyer Werft, der Freudenberger Fuel Cell e-Power Systems und weiteren Partnern ein dezentrales Energienetzwerk und ein hybrides Energiesystem mit einer neuen Generation von Brennstoffzellen entwickelt.

Dezember 2022: MSC World Europa

Derzeit werden auf den Chantiers de l’Atlantique in St. Nazaire/F die ersten zwei LNG-Schiffe für MSC Cruises gebaut: Die MSC World Europa ist auf Dezember 2022 terminiert, die MSC Euribia soll 2023 folgen. In unserem Zusammenhang von besonderem Interesse: Auf der MSC World Europa wird eine Pilotanlage für Brennstoffzellen mit dem Namen «Blue Horizon» eingebaut

«Diese Technologie nutzt Flüssigerdgas (LNG) um Treibstoff in Elektrizität umzuwandeln und erzeugt Strom und Wärme an Bord mit einem der höchsten Wirkungsgrade aller heute verfügbaren Energielösungen», teilt MSC mit. Die ausgewählten Brennstoffzellentechnologie ist die von Bloom Energy entwickelte «Solid Oxide Fuel Cell» (SOFC).

«Die SOFC wird den Ausstoss von Treibhausgasen im Vergleich zu einem herkömmlichen LNG-Motor um weitere 30 Prozent reduzieren, ohne dass Stickoxide, Schwefeloxide oder Feinstaub ausgestossen werden. Ein weiterer Vorteil ist die Kompatibilität mit LNG und verschiedenen kohlenstoffarmen Kraftstoffen wie Methanol, Ammoniak und Wasserstoff», führt MSC weiter aus.

Sommer 2023: Silver Nova

Das erste Schiff der neuen Evolution-Klasse für Silversea, die Silver Nova, entsteht derzeit auf der Meyer Werft in Papenburg/D. Der auf Sommer 2023 terminierte Neubau will sich gemäss Reederei als «erstes hybrides Luxuskreuzfahrtschiff» positionieren, das im Hafen keine Emissionen ausstösst. Dies wird durch den Einsatz von Brennstoffzellen und Batterien erzielt.

Als Hauptbrennstoff nutzt die Silver Nova Flüssigerdgas (LNG). Die neue Hybridtechnologie soll nicht nur im Hafen greifen, sondern die insgesamte Treibhausgasemission im direkten Vergleich zur vorherigen Muse-Schiffsklasse um 40 Prozent senkten.

Die Landstromversorgung ermöglicht es zudem dem Schiff, seine Hauptgeneratoren in ausgewählten Häfen abzuschalten und an die Energieversorgung an Land anzuschliessen, wodurch die lokalen Emissionen an Bord auf null reduziert werden. Weitere nachhaltige Innovationen der Nova-Klasse sind ein Mikro-Autovergasungssystem, das das Abfallvolumen an Bord reduziert, was zu geringeren Verbrennungsemissionen führt.

Allen Unkenrufen zum Trotz

Wie in der gesamten Mobilität ist der anspruchsvolle Paradigmawechsel weg von fossilen zu klimafreundlichen Energieträgern auch in der Cruise-Industrie die ganz grosse Herausforderung der kommenden Jahre. Erste Beispiele zeigen, dass man sich aller Unkenrufen zum Trotz auch in der Schifffahrt sehr wohl diesem langen und schwierigen Weg stellt – er könnte wegweisend werden.

Beat Eichenberger