Offene Stellen für Reiseprofis sind neu meldepflichtig

Wer eine offene Stelle besetzen will, muss zuerst zum Amt.
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Auf die Reisebüros und Veranstalter kommt 2022 ein weiterer Papiertiger zu. Auf den 1. Januar des kommenden Jahres hat der Bund die «Reiseverkehrsfachkräfte» auf die so genannte «Liste der meldepflichtigen Berufe» gesetzt.

Damit steigt der administrative Aufwand und der Zeitbedarf massiv, wenn man als Reisebüro oder TO eine Stelle neu besetzen will: Jede offene Stelle muss dem zuständigen Amt, meist dem Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV), gemeldet werden. Erst wenn dieses keine geeignete Bewerbungen liefert, darf die Stelle öffentlich ausgeschrieben werden.

Nicht nur Reiseberater fallen unter die neue Regel

Konkret: Wenn ein Reisebüro oder ein TO eine Stelle zu besetzen hat, muss man  zunächst beim örtlichen RAV klären, ob sie unter die Meldepflicht fällt. Denn welche Jobs denn genau unter den Begriff «Reiseverkehrsfachkräfte» fallen, ist nicht ganz klar. Laut Auskunft vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) sind «folgende Berufsbezeichnungen meldepflichtig: Gästebetreuer im Tourismus, Reisefachmann, Tourismusassistent, Tourismusfachmann».

Ob «Reiseexpertin» oder «Reiseberater/in» (so in aktuellen Stelleninseraten auf TRAVEL INSIDE) darunter fallen, sei den Kantonen bzw. den zuständigen RAV überlassen, so das Seco. Beim Amt für Wirtschaft und Arbeit in Kanton Zürich gibt es noch so viel Präzisierung: «Reiseleiter, Kulturvermittler und Fremdenführer sind nicht meldepflichtig», heisst es auf Anfrage.

Beurteilt das Amt die Stelle als meldepflichtig, muss das Unternehmen ein detailliertes Stellenprofil an das RAV liefern, das daraufhin innert drei Dossiers von Stellensuchenden liefern soll. Erst nach fünf Tagen darf die Stelle öffentlich ausgeschrieben werden.

Der Meldepflicht unterstellt sind übrigens nicht nur Reiseprofis, sondern auch diverse andere Berufsgattungen, die in einem Reiseunternehmen tätig sein können. Zum Beispiel Grafik- und Multimediadesigner, die man für die Neugestaltung des Web-Auftritts und die Social-Media-Kanäle so dringend braucht.

Oder die Fachkräfte in Marketing und Werbung, auch sie unabdingbar für den Neustart. Auch eine freie Stelle in diesem Bereich muss ein Unternehmen zuerst dem Kanton melden, bevor es jemanden einstellen darf.

Inländer-Vorrang auch im Reisebüro

Hintergrund der ganzen Übung ist der so genannten Inländer-Vorrang. Bevor neue Arbeitskräfte aus dem Ausland geholt werden, sollen offene Stellen zuerst gezielt Arbeitssuchenden in der Schweiz angeboten werden. Dies soll mit der Meldepflicht passieren, die auf Grund der 2014 angenommenen Masseneinwanderungs-Initiative der SVP eingeführt wurde und nun auch die Reisebranche trifft.

Nach Aderlass der Engpass?

Gut, die Zeichen zeigen derzeit wohl in den meisten Unternehmen der Reisebranche noch nicht in Richtung Neueinstellung und Personal(wieder)aufstockung. Dennoch, ausgeschlossen ist ein plötzlicher Neustart in der Reiseindustrie nicht. Sei es, weil die Pandemie doch endlich nachlässt – oder auch bloss, weil sich die Kunden an die Impf- und Testregeln mit allen Konsequenzen gewöhnt haben und wieder reisen wollen.

Wenn das Geschäft wieder anzieht und die Kunden mit einem erhöhten Bedarf an kompetenter Beratung zurückkommen, könnten etliche Retailer und Veranstalter in personelle Engpässe geraten. Viele Reiseprofis haben die Branche in den vergangenen Monaten verlassen, zum Teil freiwillig, zum Teil auch nicht.

Gerade die grossen in der Branche haben bereits im Sommer 2020 massiv Personal abgebaut. Viele hundert Stellen haben Hotelplan, DER Touristik/Kuoni, TUI, Globetrotter und Knecht Reisen gestrichen. Auf 1700 beziffert der Schweizer Reise-Verband (SRV) den Stellenabbau in der ganzen Branche.

Gleich zu Beginn der Pandemie nahm die Arbeitslosenquote im März 2020 bei den so genannten Reiseverkehrsfachkräften sprunghaft zu. Sie wuchs in grossen Schritten von unter 3% vor der Pandeie auf über 5% im Juni 2020 bis auf den Höchststand von 7,7% im Januar 2021.

Seither sank die Zahl zwar wieder kontinuierlich, aber erst im Juli 2021 unter 5%. Über ein Jahr verharrte die Arbeitslosenquote damit über der ominösen Grenze von 5% – und das führt nun zur zweifelhaften Ehre, dass Reiseverkehrsfachkräfte eine meldepflichtige Berufsgattung sind.

Der Grossteil der Gefeuerten ist wohl auf nimmer Wiedersehen weg. Zu unsicher waren die Zukunftsperspektiven. Und die gut ausgebildeten und weltgewandten Reiseprofis finden oft schnell einen anderen Job, in einer sichereren Branche – und erst noch meist zu einem besseren Lohn. Das zeigt sich auch auf dem Arbeitsmarkt.

Inzwischen liegt die Arbeitslosenquote wieder deutlich unter der Messlatte von 5%. Im November bei 3,5%, Dezemberzahlen gibt es erst nächstes Jahr. Doch massgebend ist der Durchschnitt der Monate Oktober 2020 bis September 2021. Und der liegt über der 5%-Limite. Eine ausserordentliche Anpassung der Liste für das Jahr 2022 sei «weder aus juristischer noch aus ökonomischer Sicht angezeigt», fand das Seco.

(Christian Maurer)