SRV: André Lüthi for President?

Der Globetrotter-CEO hat in der Pandemie-Krise für SRV und Branche enorm viel geleistet. Nun sucht der Verband einen neuen Präsidenten.
André Lüthi © TI

André Lüthi, blicken wir zusammen auf ein Jahr Corona zurück: Was ist seit Ausbruch der Krise beim SRV passiert?

Es fängt eigentlich schon viel früher an. 2004 war der Tsunami in Thailand. Nach dieser Katastrophe hat es intern bei uns einen roten Krisenordner für das Kader gegeben. Das gab es vorher nie. Ich will damit sagen, dass niemand auf ein Ereignis wie diese Pandemie vorbereitet war.

Der SRV hatte kein Krisenmanagement im Stil von «What to do when» und es lag auch kein roter Krisenordner in Griffnähe, der bei einem solchen Ereignis geholfen hätte. Nach dieser ungünstigen Ausgangslage, wo man sich darüber streiten kann, ob der SRV besser auf eine solche Situation hätte vorbereitet sein müssen, hat man die Krise unterschätzt und war anfangs überfordert damit. Wie auch alle in der Branche. Das würde der SRV heute rückblickend sicher anders und auch besser machen. Auch der Bundesrat war überfordert…

Im Laufe der Krise war eine Hauptkritik gegen den SRV die fehlende oder zu wenig vorhandene Kommunikation. Dort hat der SRV anfangs auch zu wenig gemacht. Das hätte besser funktionieren müssen. Da sind wir ja auch sehr selbstkritisch und das hat sich stark verbessert.

War der SRV in dieser Zeit unterbestückt?

Man behauptet ja das Gegenteil und sagt der SRV sei überbestückt. Aber nein, wir waren nicht unterbestückt. In einer solchen Krise müssen Nachtschichten eingelegt werden und das wurde auch getan. Wie gesagt, die Krise wurde unterschätzt und ein Krisenszenario, dieser angesprochene rote Ordner hat uns einfach gefehlt.

Wir haben gemerkt, dass wir mit der Kommunikation hinterherhinken. Und dann kam ein ganz wichtiger Punkt: der wirtschaftliche Druck auf die Branche nahm extrem zu und wurde verständlicherweise komplett auf den SRV übertragen – und dies auch von Nicht-Mitgliedern. Da haben sich Leute über Social Media über den SRV ausgelassen, die noch nie einen Franken Beitrag bezahlt haben.

Wenn ich die zugeworfene Kritik ausblende, haben wir ab Mai 2020 unseren Job nach bestem Wissen und Gewissen gemacht. Aber wie gesagt auch Fehler gemacht. Ich meine, wir haben die nationale Task Force auf die Beine gestellt und mit Sonja Laborde und Luc Vuilleumier die richtigen, kompetenten Exponenten an Bord geholt. Hier hat der SRV viel geleistet, dass die Branche zusammenrückt und sich an einen Tisch setzt.

Wäre das ohne diese Krise vielleicht gar nicht möglich gewesen?

Nein, ohne diesen Auslöser hätte man keine Notwendigkeit gesehen.

Woran liegt das?

Das hat damit zu tun, dass zum Beispiel Luc Vuilleumier (STAR) sich als Vertreter der kleinen Retailer sieht. Am SRV wird dafür zu Unrecht vorgeworfen, dass sie nur für die Grossen da sind. Das ist weder beim Stimmrecht so noch bei den Themen an den Vorstandssitzungen. Wir reden über die Sorgen der Kleinen und nicht über Probleme von TUI und Hotelplan.

Wie kann der SRV diese Denkweise in der Branche ändern?

Ich glaube die Pandemie hat da schon viel bewirkt. Sonja Laborde, Max. E. Katz, Walter Kunz, Luc Vuilleumier und ich sind zusammen an einem Tisch gesessen und haben zum Beispiel mit dem SECO diskutiert. Dazu haben wir heute noch die nationale Task Force mit uns „Fünfen“ die sich regemässig austauscht. Ich glaube, dass in letzter Zeit viel gegenseitiges Verständnis aufgekommen ist. Wir waren und sind ein Team.

Im Moment sind TPA, STAR und SRV, dank dieser Krise und weil der SRV bei diesem «an einem Strang ziehen» den Lead übernommen hat, in einer gesunden Annäherungsphase.

Was hat Mayday in dieser Situation bewirkt?

Mayday ist entstanden, weil Branchen-Teilnehmer das berechtigte Gefühl hatten, dass der SRV zu wenig macht. Aber bei Mayday sind nicht viele SRV-Mitglieder. Deshalb ist es, auch wenn die Kritik gegenüber dem SRV berechtigt war, schon etwas speziell, dass die grössten Kritiker aus diesem Lager kamen.

Sehen Sie Mayday als eine Branchenorganisation?

Ich weiss nicht genau was es ist. Mayday ist aus der verständlichen Not heraus geboren. Man wollte die Verzweiflung kundtun, dass man sich vom Verband zu wenig getragen und vertreten gefühlt hat. Aber bei Mayday hat es auch STAR- und TPA-Mitglieder und dort wurde – soviel ich weiss – nicht so viel kritisiert.

Braucht es Mayday noch?

Das ist eine strategische Frage, die wir gerade in der Arbeitsgruppe diskutieren. Wenn wir die Zukunft zum Thema Verband nachhaltig, breit abgestützt und sinnvoll gestalten, und die Ideen und Anliegen von zum Beispiel Mayday aufnehme – dann braucht es kein Mayday mehr. Aber nicht, weil sie der SRV nicht mehr möchte, oder sie ihre Arbeit schlecht machen, sondern weil sie dann lieber direkt ‘zum grossen Gefäss’ kommen.

Die Geschichte Mayday ist in meinen Augen ein Mix aus Unzufriedenheit, Ungeduld, mangelnde Kommunikation des SRV und aus der eigenen Angst, dass nichts passiert. Wenn wir es hinkriegen, die Zukunft so zu gestalten, dass ein „Verband“ die Bedürfnisse und Anliegen aller Branchen-Teilnehmer sinnvoll abdecken kann, dann wird eine Organisation wie Mayday nicht mehr von Nöten sein.

Was spricht denn für den SRV?

Vieles. Der SRV verantwortet und organisiert die Ausbildung der Lernenden. Er ist in verschiedensten Gremien vertreten und bildet die Schnittstelle zu Bundesbern. Und so weiter und sofort.

Wir haben viele Wellen durchlaufen und es sind einige Bomben über uns detoniert – es war ein riesiger Sturm, der auf uns niederprasste. Aber mit alldem was wir bisher erreicht und auch gelernt haben – und noch lernen wollen – darf man bilanzieren, dass es bergauf geht.

Was ist Ihre persönliche Vision diesbezüglich?

Vision und Provokation. Ich hätte in Zukunft am liebsten nur noch einen Verband. Das Gegenargument ist, dass es in Italien, Frankreich und Deutschland auch mehrere Verbände gibt. Aber ich bin der Meinung, dass wir als kleine Schweiz den ersten Schritt machen und uns auf einen Verband einigen könnten. Ein Verband, der so viel Glaubwürdigkeit hat, dass sich die Kleinen wie auch die Grossen gleichermassen verstanden und aufgehoben fühlen.

Ist das überhaupt möglich?

Da geht es um Wirtschaftlichkeit. Die Kosten müssen auch für die kleineren Unternehmen tragbar sein. Ein Verband, der verschiedenste Dienstleistungen und Services anbietet und das Wichtigste: Er muss gut durchmischt sein.  Das ist meine persönliche Vision.

Und für die setzen Sie sich auch ein?

Ich erzähle es dem TRAVEL INSIDE, sage das aber auch an Vorstandssitzungen. Die Gastrobranche hat es auch geschafft. Wir sind eine kleine Branche und haben grosse Unternehmen, die auf dem Boden bleiben.

Hotelplan, Kuoni/DER und TUI schauen nicht vom hohen Ross auf die Kleinen herunter. Die bezahlen viel Geld und halten sich auch zurück. Ihre Interessen werden an Sitzungen eigentlich am wenigsten vertreten. Die schauen selber. Da herrscht absolut kein Machtmissbrauch. Wenn hier ein goldener Schnitt gefunden werden könnte, wäre das sicher möglich.

Werden Sie für das Amt des SRV-Präsidenten kandidieren?

Nein. Mein Herz schlägt für die Globetrotter Group, wo ich noch einige Hausaufgaben vor mir habe. Je nachdem wie diese Pandemie weitergeht, kann Globetrotter vielleicht etwas kleiner, aber auch noch grösser werden. Zudem habe ich das persönliche Bedürfnis immer wieder die Welt zu entdecken. Und dann gibt es auch noch einige externe Mandate.

Aus diesen Gründen werde ich, Stand heute, nicht kandidieren. Die Schweizer Reisebranche braucht eine neue Strategie zum Thema Verband und das ist mit sehr viel Arbeit verbunden. Das wird keine Cüpli-Party.

Hätten Sie bei einer «falschen» Wahl nicht noch mehr zu tun?

Meine Amtszeit läuft bald ab… (lacht).

(Interview: Angelo Heuberger/Yannick Suter)


Was André Lüthi über die Globetrotter Group sagt, kann man in der Druckversion von TRAVEL INSIDE lesen – erschienen am vergangenen Donnerstag, 8. April 2021.

Sie haben kein Abo? Eine Übersicht der Abo-Angebote (Print, Premium und E-Paper) finden Sie unter travelinside.ch/bestellcenter