SRV-GV: Eine Chance und eine fast unlösbare Aufgabe

Zwei Impuls-Referate behandeln spannende und wichtige Themen der Reisebranche.
Roland Schmid (SRV Fach-Experte) im Nachhaltigkeits-Interview mit den Geschäftsführern der Reiseverbände DACH (von links): Walter Kunz (SRV), Harald Zeiss (Prof. Dr.), Dirk Inger (DRV) und Dr. Walter Säckl (ÖRV).

Drei Workshops hat der SRV am Nachmittag nach seiner Generalversammlung in petto. Mit den Referaten «Klimabewusst reisen» und «WEB 3.0. als Chance» werden zwei äusserst aktuelle aber auch komplett unterschiedliche Themen aufgenommen.

Thomas Stirnimann, COO Chain4travel, zum Thema “WEB 3.0 als Chance” an der SRV-GV in Sevilla.

Den Beginn machte Thomas Stirnimann, COO von Chain4Travel, der mit den Teilnehmenden der SRV-Reise einen Blick in eine gar nicht mehr so weit entfernte Zukunft wagt. Mit seinem Referat über Blockchain zeigt er auf, weshalb sich bereits jetzt ein Einstieg lohnt.

Das in der Schweiz gegründete Blockchain-Startup Chain4Travel hat bereits 50 Millionen seiner Camino-Token (CAM) verkauft und damit über CHF 5 Mio. eingenommen. Das Unternehmen, das ein Blockchain-basiertes Ökosystem aufbauen will, das den Handel zwischen Reiseunternehmen und Verbrauchern ermöglicht, hat über 100 involvierte Firmen, über 50 Mitarbeiter auf allen Kontinenten und über 20 Beraterinnen und Berater.

Was ist Blockchain?

Eine Blockchain ist im Wesentlichen eine verteilte Datenbank von Aufzeichnungen oder ein öffentliches Geschäftsbuch aller Transaktionen oder digitalen Ereignissen, die ausgeführt und unter den teilnehmenden Parteien geteilt wurden. Einfach erklärt: Zwei Partner beschliessen einen Deal. Der Deal wird validiert und vorgemerkt. Dann werden zufällig fünf weitere Notare gesucht, die den Deal kontrollieren. Erst dann wird der Deal registriert.

Jeder Notar gibt diesen Deal je weiteren 20 Notare weiter, so wird der Deal weltweit abgesichert. Jede Transaktion im öffentlichen Hauptbuch wird durch die Übereinstimmung einer Mehrzahl der Nutzer im System verifiziert. Einmal eingegeben, ist es unmöglich Informationen zu löschen. Die Blockchain hat von jeder einzelnen Transaktion eine prüfbare und sichere Aufzeichnung.

Doch was bringt Blockchain im Tourismus?

«Der Tourismus hat das Problem, dass vieles veraltet und angekettet ist – angebunden an APIs. Unser Ziel ist es die Leinen der APIS loszureissen und mit einer einzigen API viele neue Möglichkeiten zu schaffen», sagt Thomas Stirnimann. Das dezentrale Netzwerk auf Basis der gemeinsamen Blockchain Camino verspreche für die einmalig identifizierten Handelspartner enorme Synergien und neue Serviceansätze bei stabilen und niedrigen Transaktionskosten. Das Netzwerk wird von den Industriepartnern selbst betrieben und verwaltet werden.

Der Camino Token ermöglicht künftig, im Netzwerk Dienstleistungen und Produkte zu kaufen und zu verkaufen, sowie Reiseunternehmen als Validator aufzutreten und sich somit am Betrieb der Blockchain der Reiseindustrie zu beteiligen und Stimmrechte auszuüben. «Wir bauen einen Selecta-Automat und sie können die Produkte reinstellen», sagt Stirnimann.

Die drei digitalen Evolutionsstufen der menschlichen Interaktion sind erreicht:

  • WEB 1.0: Kommunikation
  • WEB 2.0: Interaktion
  • WEB 3.0: Transaktion

Web 3.0 wird laut Stirnimann die gleiche Zukunft vorhergesagt, wie dem Web 1.0. Die Chancen seien immens. «Die Tourismusbranche kann extrem davon profitieren. Wir hinken da noch hinterher.»

«Unser Produkt wird sich wandeln»
Prof. Dr. Harald Zeiss, Institut für nachhaltigen Tourismus, Harz, zum Thema “Klimabewusst reisen” an der SRV-GV in Sevilla.

Prof. Dr. Harald Zeiss vom Institut für nachhaltigen Tourismus, vor 17 Jahren noch bei der TUI Deutschland, legt grossen Wert auf klimabewusstes Reisen und erklärt in seinem Referat, weshalb wir in Zukunft nicht daran vorbeikommen werden. «Wenn wir nicht zeitnah an dieses Thema herangehen, ist unser Produkt in Gefahr.»

«Der Tourismus ist an so vielen Orten betroffen und vor allem im Bereich der Mobilität muss was geändert werden», so Zeiss. Das grosse Problem seien die fossilen Kraftstoffe. «Doch egal wie sehr man in Zukunft versucht dem Klimawandel entgegenzuwirken – unser Produkt wird sich wandeln, da gerade die wärmeren Länder und Destinationen von den Auswirkungen am meisten betroffen sind. Aus diesem Grund werden solche Länder gemieden und andere bereist.

Laut Zeiss kann jeder schon heute anfangen und auf absolut unnötige Dinge wie zum Beispiel Christmas-Shopping in New York zu verzichten. «Es ist schon fraglich, wieso wir unnötig Ressourcen verballern, muss man wirklich zum Saufen noch nach Mallorca fliegen», fragt sich Zeiss.

Im Anschluss an das Referat diskutieren die Geschäftsführer der DACH-Reiseverbände: Dirk Inger, DRV; Walter Säckl, ÖRV und Walter Kunz, SRV zusammen mit Prof. Dr. Harald Zeiss über das Thema und versuchen Lösungen für die Klima-Probleme im Tourismus zu finden. Ein erster grosser Schritt ist der Verein Klimalink, der aus dem Branchenprojekt «Klimabewusst reisen» von Futouris hervorging. Bereits vor Wochen wurde eine erste Fassung der gemeinsamen Berechnungsgrundlage für Reise-Emissionen erarbeitet.

Klimalink als erster grosser Schritt

Als Gründungsmitglieder von Klimalink engagieren sich neben Futouris die wichtigsten Reiseverbände der DACH-Region Deutscher Reiseverband (DRV), Österreichischer ReiseVerband (ÖRV) und Schweizer Reise-Verband (SRV), der Verband Internet Reisevertrieb (VIR) sowie die Reiseunternehmen Aerticket, AER Kooperation, Amadeus, Chamäleon, DER Touristik, FTI Group, Gebeco, Hotelplan Group, Lufthansa City Center, Midoco, Olimar Reisen, QTA, Studiosus, Tourcert und TFC Airlebnis. Auch die Klimaschutzorganisationen atmosfair und myclimate sind Gründungsmitglieder von Klimalink und unterstützen die Initiative mit ihrer fachlichen Expertise.

«Wir schaffen auf allen Ebenen die Voraussetzung, dass verstärkt klimaschonende nachhaltige Reisen angeboten und auch gebucht werden. Das Ziel ist, Reisen weiter zu ermöglichen und diese Schritt für Schritt noch klimafreundlicher zu machen», sagt Dirk Inger zum Thema und zum Verein Klimalink.

Den Abschluss des Fachtagungs-Nachmittags macht Frau Dr. Barbara Rigossi, BHP – Brugger und Partner mit einer Podiumsdiskussion mit ehemaligen Young Talents und Unternehmen zum Thema «Fachkräftemangel». Mehr dazu lesen Sie im zweiten Teil unserer Berichterstattung.

Yannick Suter / Angelo Heuberger