SRV-GV: Eine Überraschung und ein neuer Präsident

So lief die SRV-GV: Martin Wittwer ist als Nachfolger von Max E. Katz gewählt. Und die Reduktion der Mitgliederbeiträge ist abgelehnt.
Der neue SRV-Vorstand 2021/22 (von links), Walter Kunz (GF), Tim Bachmann, Stéphane Jayet, Roger Geissberger, Natalie Dové, Martin Wittwer (Präsident), Birgit Sleegers, André Lüthi, Jacqueline Ulrich, Olivier Emch und Dieter Zümpel.

Eine Ära ging heute zu Ende: Max E. Katz hat das Präsidium des Schweizer Reise-Verbands (SRV) nach neun Jahren abgegeben. An der SRV-Generalversammlung am Freitag im Emirat Ras Al Khaimah ist sein Nachfolger gewählt worden: Martin Wittwer, ehemaliger CEO von TUI Suisse. Katz wurde zum Ehrenpräsidenten ernannt.

Die über 80 angereisten Aktivmitglieder sprachen Wittwer als einzigem Kandidaten an der SRV-Generalversammlung grossmehrheitlich ihr Vertrauen aus. Er ist gewählt bis 2024. Vier Personen seien am Anfang angefragt worden, keine habe sich aber einer Kampfwahl unterziehen wollen, sagte Katz.

Der scheidende Präsident wurde von André Lüthi mit warmen Worten und von den Mitgliedern mit einer Standing Ovation verabschiedet. «Ein wunderbarer Mensch», so Lüthi. Auch in der Pandemie habe Max E. Katz mit grosser Ruhe und Umsicht agiert, wie in den neun Jahren seiner Präsidentschaft insgesamt.

Eine dicke Überraschung und grosses Abstimmungs-Chaos
Barbara Wohlfarth stellt ihren Antrag zu den Mitglieder-Beiträgen.

Eine Überraschung brachte zuvor die Abstimmung über die Mitgliederbeiträge: Der Vorstand hatte eine pandemiebedingte Reduktion auf 80% für die Aktiven vorgeschlagen. Das wäre zwar wieder mehr als die 50% im abgelaufenen Jahr gewesen, sollte dennoch vielen Mitgliedern entgegenkommen. Für alle anderen Kategorien sollten Mitgliederbeiträge unverändert bleiben.

Barbara Wohlfahrt vom Reisecocktail fand dagegen, gerade jetzt dürfe der Mitgliederbeitrag nicht gesenkt werden, weil der Verband das Geld in diesem Moment besonders dringend brauche. Ihr Antrag fand in einer kafkaesken Abstimmung eine knappe Mehrheit von 46 Stimmen, drei Stimmen über dem absoluten Mehr.

 

GV 2022 in Sevilla
Die nächste SRV-GV findet, wie von TRAVEL INSIDE bereits im Vorfeld berichtet, in Sevilla statt (10.-13.11.22).

Als eine seiner letzten Amtshandlungen als Präsident präsentierte Max E. Katz noch die Destination für die nächste SRV-Generalversammlung: Sie findet im November 2022 in Sevilla statt. Die Spekulation von TRAVEL INSIDE in der Print-Ausgabe vom 4. November hat sich als richtig entpuppt.

Die Verbandskasse leert sich weiter

Zu beschliessen hatten die SRV-Aktivmitglieder heute auch über Rechnung 2021 und Budget 2022. Die Kasse des Verbands leert sich weiter; es befinden sind noch gut CHF 530’000 Vermögen darin. Nach einem Verlust von CHF 112’000 im letzten Geschäftsjahr (bis 30. September 2021), statt dem  erwarteten Minus von über CHF 260’000, ist für das kommende Jahr noch ein Defizit von CHF 173’000 budgetiert. Diese Zahl dürfte sich wegen der nun ungekürzten Mitgliederbeiträge noch ändern.

Dennoch hat die Generalversammlung Rechnung und Budget ohne Diskussion und einstimmig abgesegnet. Geschäftsstelle und Vorstand hätten mit Kurzarbeit, umgerechnet von 4,2 auf 2,9 Stellen, und Verzicht auf Sitzungsgelder dazu beigetragen, dass das Defizit 2021 kleiner war als zunächst budgetiert, sagte Geschäftsführer Walter Kunz.

André Lüthi: Kritik hat getroffen
André Lüthi

Weiter erstatteten die Fachverantwortlichen für Politik, Aus- und Weiterbildung, Flug sowie Umwelt und Soziales den Mitgliedern Bericht. Das Virus habe die Branche zusammengeführt, stellte André Lüthi, zuständig im SRV-Vorstand für Politik, fest. So habe man zusammen mit TPA und STAR schnell viel erreicht, etwa den Rechtsstillstand als ersten Erfolg, die Koppelung der Swiss-Hilfe mit Ticket-Rückerstattung als zweitem Erfolg.

Die anfängliche Sofort-Kritik von der Basis, man mache zu wenig, habe ihn darum getroffen, gab Lüthi kaum verhüllt zu verstehen. Gelegt habe sich das mit der Zeit, auch dank der Härtefallgelder, für die die Branche jetzt Danke sagen müsse. Er erinnerte auch daran, dass die Reisebranche von ganz links bis ganz rechts Unterstützung erhielt und erwähnte speziell Regula Rytz von den Grünen, Mattea Meyer von der SP sowie Lars Guggisberg und Andreas Aebi von der SVP.

Investition in die Zukunft
Die vier Young Talents werden in Ras El Khaimah vorgestellt.

Ramona Stutz, verantwortlich für Aus- und Weiterbildung in der SRV-Geschäftstelle vertrat den Fachveranwortlichen Daniel Bauer, der nicht an der GV teilnehmen konnte. Sie präsentierte die vier Gewinner des Young- Talents-Wettbewerbs: Nina Probst von TUI Suisse, Alischa Sauder von DER Touristik, Ivan Serratore von Twerenbold und Laura Tosoni von VT Vacances.

Weiter erinnerte sei daran, dass es ohne finanzielle Unterstützung der drei Grossen nicht möglich gewesen wäre, in diesem Jahr einen Lehrgang für Auszubildende in der Deutschschweiz anzubieten. In der Westschweiz kam gar keiner zu Stande. Und sie rief auf: Lernende seien eine grossartige Investition in die Zukunft der Branche.

Christian Kiser, Nachfolger von Marcel Herter, berichtet als Fachexperte Flug.

Christian Kiser (Foto rechts), Fachexperte Flug, verwies angesichts erodierenden Profiten pro Passagier bei den Airline auf die Wichtigkeit der Ancilleries. Das sei nicht mehr abzuwenden, im Gegenteil: Der Tickepreis sinke während die Ancillariy-Revenues steigen. Ohne den Verkauf von Zusatzleistungen, so zeigte Kiser auf diversen Grafiken, geht nichts mehr bei den Airlines. Diese lassen die GDS immer mehr aussen vor. Bei den Reisebüros führe das dazu, massive Investitionen in die Anbindung an direkte Kanäle machen zu müssen. Das, so Kiser, sei unumkehrbar, die Branche müsse sich damit arrangieren.

Roland Schmid, Fachexperte Umwelt & Soziales.

Roland Schmid (Foto rechts), Fachverantwortlicher für Umwelt und Soziales, plädierte für die Nachhaltigkeit des Reisens: Nicht weniger Reisen, sondern genussvoller. Nachhaltige Angebote müssten als solche erkennbar gemacht werden. Und den Kunden müssten mehr nachhaltige Angebote gemacht werden, rief er die Branche auf.

Schmid erinnerte daran, dass seit September 2020 Reisebüros über das Buchungssystem CETS und die Suchmaschine PowerSearch gezielt nach Angeboten suchen, die mit einem anerkannten Label als nachhaltig zertifiziert sind: «Wir müssen Verantwortung übernehmen für unsere Reiseziele.»

Resiliente Branche

In seiner letzten Rede als SRV-Präsident unterstrich Katz, wie noch keine andere Krise die Reisebranche so getroffen hat wie die Corona-Pandemie. Diese unterteilt er in drei Phasen: Die operative Phase mit den Repatriierungen und Annullationen, die Härtefall-Phase mit den staatlichen Hilfen und die Restart-Phase ab Frühling 2021.

Die Branche habe sich resilient gezeigt, die beiden derzeit hängigen Konkurse seien corona-unabhängig, so Katz. Zur STA-Insolvenz wiederholte Katz seinen Ärger, dem er schon in einem Interview mit TRAVEL INSIDE Luft gemacht hatte: «Die Art und Weise wie die milliardenschwere Besitzerfamilie STA zulasten des Garantiefonds hat Konkurs gehen lassen, stösst bei mir nach wie vor sauer auf», so Katz. Es wäre ethisch gewesen, das Unternehmen ordentlich zu schliessen und «nicht die Bürde der gesammelten Managementfehler der Schweizer Reisebranche aufzuladen».

So viel Geld hat die Reisebranche von Bund und Kantonen erhalten.

Katz erinnerte auch daran, dass die Reisebranche auch viel Hilfe empfangen habe. Mit CHF 276 Mio. Härtefallgeldern, pro Unternehmen CHF 190’000 im Durchschnitt, weit mehr als die Gastronomie oder Beherbergung.

Aber: «Auch wenn wir aus dem Gröbsten raus sind, wird es wohl noch einige Jahre gehen, bis die früheren Umsatz- und Ertragszahlen wieder erreicht werden», so Katz. Es brauche deshalb weiterhin grosse Anstrengungen in Bern, damit die Branche angemessen unterstützt werde. Das entbinde indes die Branche nicht davon, selber Anpassungen vorzunehmen um sich zukunftsfähig zu machen.

Agenda der Zukunft

Vier Bereiche sieht Katz, welche die Agenda der Branche weiterhin bestimmen werden: Politik, Digitalisierung, Fachkräftemangel und Klimawandel. In Bern gelte es, das Erreichte zu verteidigen und für die Revision des Pauschalreisegesetzes zu arbeiten.

Provokativ sieht Katz die Herausforderungen bei der Digitalisierung: Online einkaufen sei Normalität – darum: «Wir müssen unsere Leistungsfähigkeit konsequent auf allen Kanälen und mit allen digitalen Hilfsmitteln ausbauen. Und im Zweifelsfall kannibalisieren wir unseren Reisebüroverkauf mit unserer Website – sonst macht es einfach ein anderer.»

Problematisch sieht Katz die Personalsituation. 1700 Personen haben die Branche 2020 verlassen. Und 2021 hätten lediglich 37 junge Menschen eine Lehre in der Branche begonnen. «Wir müssen kräftig investieren», so der Aufruf des scheidenden Präsidenten.

Im Klimawandel und der Nachhaltigkeit sieht Katz «das für unsere Branche wohl komplexeste Thema». Kompensieren werde nicht mehr genügen, mahnte er. «Wir werden anders reisen müssen.» Die Branche müsse Transparenz schaffen und «künftig jede Reise mit einem nachvollziehbaren CO2-Abdruck versehen, damit der Kunde vor der Buchung weiss, welchen ökologischen Fussabdruck er verursacht».

Ras al Khaimah mit grossen Ambitionen
Iyad Rasbey, Tourismus Ras Al Khaimah. ©TI

Iyad Rasbey, Executice Director der Ras Al Khaimah Tourism Development Authority (RAKTDA) stellte im Rahmen der SRV-GV das  Gastgeberland und seine touristischen Ambitionen vor. Das Emirat mit 64 Kilometer Strand, darunter der längste in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) will sich auch als Outdoor und Adventure Destination positionieren.

Über 700’000 Touristen haben das Land dieses Jahr schon besucht, nächstes Jahr will es wieder auf dem Level von 2019 sein. Im Jahr vor Corona hatten 9000 bis 10’000 Schweizer Ras al Khamah besucht, sagt Rasbey. Grosse Investitionen in Infrastruktur und Hotels stehen an. Und 2025 will das Land als nachhaltigste Destination in der Region gelten, so Rasbey. 2019 reisten 1,1 Mio. Touristen ein, bis 2030 will RAK drei Mio. Gäste empfangen, als das Potenzial verdreifachen. Rasbey zu TRAVEL INSIDE: «Wir werden das erreichen, wenn nicht übertreffen.»

In der Corona-Zeit habe sich Ras al Khaimah als sicherer Ort profiliert und zertifizieren lassen, so Rasbey. Derzeit bietet Ras Al Khaimah weiterhin gratis PCR-Test an.

SRV2022, Nachhaltigkeit und Garantiefonds

Am Nachmittag werden die Teilnehmenden der Generalversammlung die Gelegenheit, sich von Vorstandsmitglied Birgit Sleegers über die Ergebnisse der Arbeitsgruppe SRV2022 orientieren zu lassen, welche die Weichen für die Verbandszukunft stellen soll.

Die beiden Vorstandsmitglieder Natalie Dové und Jacqueline Ulrich werden ein von Geschäftsführer Walter Kunz moderiertes Seminar abhalten über die Notwendigkeit, bei den Kunden Gebühren und Honorare einzufordern. Dabei wird es nicht nur um das «Geschäftsmodell» gehen, sondern auch um die Frage, wie man den Posten auf der Rechnung den Kunden erklärt.

Roland Schmid, Fachreferent Umwelt und Soziales, wird zusammen mit Railtour-Chef Mike Jakob ein Seminar zum Thema «Nachhaltig und bewusst reisen, aber wie?» halten. Und schliesslich wird Marco Amos, Geschäftsführer des Garantiefonds, Red und Antwort zum neuen Gebührenmodell für die Teilnehmer stehen.

(Christian Maurer & Angelo Heuberger, Ras al Khaimah)