Stephan Frei: «Ich kenne kein vielfältigeres Angebot in Europa»

Stephan Frei, Chef vom Reisebüro Mittelthurgau, im TRAVEL INSIDE Interview über das grosse neue Excellence Flussreise-Angebot für 2023.
Stephan Frei, Reisebüro Mittelthurgau @ Reisebüro Mittelthurgau

Mittelthurgau, Reiseveranstalter der Excellence Reederei mit ihren 9 eigenen Flussschiffen, hat für 2023 einen 216 Seiten starken neuen Spezialreisen-Katalog am Markt lanciert.

Die Kollektion mit über 70 Expert*innen als Begleitpersonen der Themen-Flussreisen soll eine Inspirationsquelle für alle Reisefreudigen sein, die sich ihrer Passion widmen wollen: Kultur, Natur, Sport oder dem Faible für Grosses aus Küche und Keller. 

Der Geschäftsleiter Stephan Frei erklärt im TRAVEL INSIDE Interview was dahinter steckt.


Stephan Frei, Excellence bezeichnet sich als führende und einzige inhaberansässige Reederei der Schweiz. Wie ist das Reisejahr für Excellence, respektive Mittelthurgau gelaufen?

Wir bezeichnen uns nicht als das, wir sind das. Excellence kreuzt weder aus steuertechnischen noch aus absatzstrategischen Gründen unter der Schweizer Flagge. Wir tun das, weil wir eine Schweizer Flussschiff-Reederei sind. Ansässig in unserem Heimathafen Basel, mit unserer Eignerfamilie Twerenbold, in der vierten Generation, seit 1895 im Kanton Aargau im Reisen und in der Personenförderung unternehmerisch tätig.

Wenn sie mir eine andere Reederei nennen, die das erfüllt, dann streichen wir das Wort ‘einzige’. Wirklich wichtig ist mir das allerdings nicht. Wie das Jahr gelaufen ist? Ich würde sagen: es ist okay gelaufen, aber wir hätten uns mehr vorstellen können. Wir haben noch nicht das Vor-Corona-Level erreicht. Das haben wir für 2023 im Visier.

Mit dem neuen Katalog Themenreisen 2023 propagieren Sie ein ziemlich aussergewöhnliches Angebot auf dem Flussreisemarkt. Was hat sich verändert?

In produktstrategischer Sicht nichts. Wir haben mit Special Interest schon 2006/07 begonnen. Ich bin seit es Excellence gibt, davon überzeugt, dass die Idee, Gäste an Bord zu nehmen, Anker zu lichten und jeden Tag alle Passagiere auf ‘Landgang’ zu schicken, bei weitem nicht ausreicht, das Flussreise-Produkt zukunftsfähig zu machen.

Wir starteten mit Gourmet, Natur, Golf, Musik und Velo. Erst war es schwierig, dann stieg die Nachfrage Jahr für Jahr. Damit wurde auch unser Angebot grösser. Inzwischen haben wir es geschafft, auch Themen wie Kunst, Mode, Film, Literatur in unserem Programm zu etablieren. Für 2023 haben wir einen ziemlich grossen Schritt gemacht.

Wie hat sich der Markt für die Themenfahrten geändert, oder wie haben sich die Bedürfnisse der Kundschaft gewandelt?

Das gestiegene Bedürfnis nach mehr Individualität ist nicht neu, das sehen wir schon seit vielen Jahren. Special Interest-Cruises sind eine Antwort darauf.

Wieviel Prozent machen Themen-Flussreisen auf ihrem Gesamtangebot etwa aus?

Bei etwa 15 Prozent im Umsatz, bei den Paxzahlen deutlich höher, Tendenz jährlich steigend. Unser Anspruch ist, das tiefste und breiteste Angebot vorzulegen. Ich kenne kein vielfältigeres in Europa. Ein so spezialisiertes Angebot können wir nur deshalb entwickeln, weil wir mit eigenen Schiffen und Reisebussen die ganze Dienstleistungskette selbst steuern.

Was ist 2023 neu im Programm von Excellence/Mittelthurgau?

Die wichtigste Neuheit ist wohl, dass wir nicht nur Touren für spezielle Interessen wie Sport oder Kultur anbieten. Wir wollen auch mal andere Perspektiven zeigen. Zum Beispiel, dass purer Wildwuchs genauso viel Schönheit ausstrahlen kann wie ein barocker Garten.

Mittelalterliche Gassen sind reizvoll, aber wir zeigen auch bunte Stadtquartiere, die sich gerade auf spannende Art verändern, oder wo aktiv die Zukunft gestaltet wird. Yoga in der Morgenfrische auf dem Sonnendeck oder ein Vegi-Workshop, auf den Spuren von Dichtern, Denkern, Künstlerinnen wandeln. Europäisches Welterbe mal anders betrachten.

Für solche Unternehmungen brauchen unsere Gäste keine Vorkenntnisse, nur Neugier und Offenheit. Das geht natürlich nur in Begleitung von begeisternden Expertinnen und Kennern. Wir wollen was auslösen bei den Gästen. Sie sollen staunen, entdecken, lachen, mitmachen, mitdenken mit unseren Fachleuten. Inzwischen haben wir über 70 Fachleute. Hier ein paar Beispiele für neue Erlebnisse:

  • Es gibt einige neue Flusstouren zum Thema Natur. Mit der Rosenexpertin Lilo Meier an die BuGa, mit dem ehemaligen Zoodirektor Alex Rübel ins Oderdelta oder auch Touren ins ziemlich urwüchsige Grün mit unserem jungen Berner Botaniker Kevin Nobs.
  • Musik: Mit unserem grandiosen Bariton Burkhard von Puttkamer und seinem Ensemble bieten wir neue Konzerte in Schleusenkammern, aber auch an anderen aussergewöhnliche Orten, wo man eine Akustik geniessen kann, die ihresgleichen sucht. Und eine neue Route mit Pepe Lienhard uns seinem Orchester, 2023 auch auf der Donau.
  • Lesungen und Gespräche mit verschiedenen Autor/innen, wie dem Bündner Arno Camenisch oder der jungen Zürcher Literaturpreisträgerin Rebecca Gisler – beide haben eine kurios-kapriziöse Sprache. Das ist ein echtes Vergnügen. Oder mit dem Schriftsteller und Osteuropakenner Jan Koneffke.
  • Unsere Comedy-Tage haben wir auf sechs Cruises erweitert, jetzt sind Michel Gammenthaler, Joel von Mutzenbacher oder Frölein da Capo dabei neu dabei.
  • Zum Thema Kunst haben wir viele neue Reisen – von Barock bis Avantgarde.

Woher stammen die Ideen zu den Themen und wie finden Sie die passenden Expert*innen?

Also das fängt damit an, dass wir ein fantastisches Produktmanagement-Team haben. Da ist Begeisterung da, mehr auf den Fluss zu bringen, als Pflichtprogramm. Zweites kommt unser tolles Sales-Team ins Spiel. Kultur- und Themenreisen erfordern Zusatzkompetenzen in der Beratung. Unser Know-How für Spezialreisen wird so von Jahr zu Jahr grösser.

Welche Fahrten sind immer am schnellsten ausgebucht?

Unsere Golf-Cruises sind sehr beliebt, auch die Comedy Cruises und Musikreisen. Dann die kulinarischen Touren und natürlich unser Excellence Gourmetfestival im Herbst. Wandern und Velo machen wir zusammen mit unserer Schwesterfirma Imbach – da haben wir eine feste Stammklientel.

Wo sehen Sie im kommenden Jahr das USP von Excellence im Vergleich zu anderen Angeboten?

Excellence ist ein unverkennbares Produkt mit sehr hohen Mindeststandards, die sich beim Betreten unserer Schiffen sofort zeigen: in der Servicequalität, Gastlichkeit, Küche und in der Ambiance auf dem Schiff. Wir haben drei Schiffsklassen, die die Grösse und Infrastruktur unserer Schiffe bezeichnen.

In Bezug auf Service, Hotellerie, Erlebnis gibt es in der Qualität keinen Unterschied. Was uns sicher ausmacht, da haben wir in den letzten Jahren hart daran gearbeitet, ist ein Erlebnisprogramm an Land und an Bord. Ausserdem sehe ich unser Individual-Konzept als Plus – ein Konzept, das mit vielfältigen Möglichkeiten jedem Gast ermöglicht, den Tag genau nach eigenen Wünschen zu verbringen.

Als letzten Punkt nenne ich unser Nachhaltigkeitsmanagement. Unsere unternehmerischen Entscheidungen haben die Nachhaltigkeit immer im Fokus – wir wollen kein Flickwerk, wo man dann Einzelmassnahmen in die Medienlandschaft pustet. Da hat jede Reederei Verantwortung. Die Umwelt, die Flussufer brauchen ganz klar mehr Schutz. Wir nehmen mit Excellence und Twerenbold viel Geld in die Hand, denn was wir tun, muss wirken.

Mit welchen Schwierigkeiten erwarten Sie, in 2023 konfrontiert zu werden, z.B. Energiepreise, Trockene Sommer, Politische Konflikte entlang der Fahrrouten, Wasserstände?

Schwierigkeiten erwarten – das ist eine Haltung, die uns bei der Arbeit blockieren würde. Wir betrachten es anders. Als Reederei gibt es vielfältige Faktoren, die wir immer auf dem Schirm haben. Ein Fluss ist ein dynamisches Gebilde, es gibt sehr viele nautische wie technische Herausforderungen, nicht nur Hoch- oder Niedrigwasser. Damit umzugehen ist Teil unseres Jobs.

Die gestiegenen Energiepreise betreffen ganz Europa. Jedes Unternehmen muss damit umgehen. Wegen des russischen Angriffskrieges erwarten wir weiterhin eine geringere Nachfrage in den östlichen Donauländern. Anders als letztes Jahr hatten wir für das 2023-Routing die Möglichkeit, uns im Kapazitätsmanagement darauf einzustellen.

Ich möchte hier gerne erwähnen, dass dieser Krieg für uns eine andere bittere Komponente hat, wegen unseren Mitarbeitenden aus der Ukraine. Mir ist es wichtig, dass bei uns im Team das Selbstvertrauen da ist, dass wir Herausforderungen, welcher Art auch immer, gemeinsam lösen können. Das haben wir oft genug bewiesen. Nicht nur bei Corona. Und wir haben es geschafft, dass auch unsere Kundinnen und Kunden darauf vertrauen.

Interview: Angelo Heuberger/Luisa Schmidt