Chair-Tomasi: «Unsere Flieger sind im Schnitt mit 90% ausgelastet»

Florian Tomasi, Head of Commercial Distribution Chair, gibt im Interview mit TRAVEL INSIDE einen Ein- und Ausblick zur Schweizer Airline.
Florian Tomasi, Chair Airlines

Vor ungefähr anderthalb Jahren hat Chair Airlines mit dem Ex-FTI-Managing Director Florian Tomasi ihr Commercial-Team erweitert. Im Mai 2021 hat der Flugprofi die Position als Head of Commercial Distribution bei der Schweizer Airline übernommen.

TRAVEL INSIDE hat mit Florian Tomasi über die vergangene Zeit bei Chair gesprochen und nachgefragt, wie die Airline durch die Pandemie gekommen ist, wie das Geschäft in den letzten Monaten lief und wie der Ausblick ist.


Florian Tomasi, Sie sind seit eineinhalb Jahren bei Chair angestellt, wie ging es der kleinen Schweizer Airline zu dieser Zeit und wie ist man durch die Pandemie gekommen?  

Natürlich hat auch uns die Pandemie hart getroffen. Wir haben stets versucht mit Weitsicht unser Flugplan zu planen und haben versucht auf die Bedürfnisse der Reiseveranstalter einzugehen, aber auch der allgemeinen Nachfrage nachzukommen. So konnten Streichungen und Zusammenlegungen in dieser Zeit praktisch vermieden werden. Wir sind trotz Krise ziemlich erfolgreich geflogen.  

Was heisst praktisch vermieden werden – in welchem Rahmen gab es Streichungen und Zusammenlegungen? 

Chair konnte 99% der geplanten Flüge durchführen. Diesen Sommer hatten wir Probleme mit Luftraumengpässen – das hat teilweise zu Verspätungen geführt oder dazu, dass wir auf andere Flughäfen ausweichen mussten. Im Grossen und Ganzen konnten wir dem Flugchaos aber aus dem Weg gehen. Auch was die Abfertigung am Flughafen Zürich angeht, hatten wir nie Probleme. 

Während der Krise war auch immer wieder die Lohnstruktur bei der Crew ein Thema – wie ist man bei Chair damit umgegangen? 

Wir haben oft mit der Crew gesprochen. Während der Pandemie wurden Anpassungen gemacht, sprich es gab Kostensparmassnahmen. Es gab auch eine kurze Phase, wo die Crew im Turnaround selbst putzen musste, das Cleaning der Maschinen ist nun wieder an externe Dienstleister übertragen.

Der springende Punkt und Grund, weshalb wir auch durch die Krise erfolgreich fliegen konnten, ist, dass wir eine sehr motivierte Crew haben. Wir hatten nie Engpässe bei der Crew und jede und jeder ging die Extrameile. Auch während dieser Saison mussten wir keinen einzigen Flug wegen Crewproblemen streichen und hatten trotz Arbeitnehmermarkt bei der Crew keine Abgänge und wenn, sind sie gerne wieder zurückgekommen. 

Bei Chair wurde während der Krise und auch erst kürzlich wieder personaltechnisch aufgestockt – wie hat sich das ergeben und wie viele Angestellte zählt Chair zurzeit? 

Als ich im Mai 21 zu Chair gestossen bin, habe ich eine flache Hierarchie angetroffen. Das ist auch nach wie vor noch so. Wir sind zurzeit 113 Mitarbeiter bei Chair, 35 davon gehören zum Groundstaff, also am Boden am HQ. Das beinhaltet die gesamten Maintenance, Flug- Operations, Safety & Security, Ground-Operations sowie Finanzen und mein Bereich Commercial.

Als ich angefangen habe, waren wir beim Bodenpersonal ungefähr 20-25 Personen und jetzt mit dem Wachstum und dem neuen Flieger braucht es einfach ein bisschen mehr. Daher diese Aufstockung. Es war nötig die Struktur unserem Wachstum anzupassen, weil wir waren z.B. in meinem Bereich für Sales, Contracting, Marketing, Revenue-Management, Flugdisposition und IT-Projekte-Development zirka 2,5 Personen.

In diesem Sommer konnten wir das gerade noch so stemmen, aber um die Qualität in Zukunft ausbauen zu können, brauchen wir weitere kompetente Leute, die uns unterstützen und weiterbringen. 

Sucht man also nach wie vor noch nach neuem Personal? 

Stand jetzt sind wir gut aufgestellt. Je nachdem wie es weitergeht, ist es möglich, dass wir noch neue Leute benötigen. Wir rekrutieren aber auch immer wieder Cabin-Crew. 

Aber rein von der Struktur im HQ her haben wir mit den letzten Zugängen eine gute Basis für die nächste Zeit geschaffen. 

Wie lief das Geschäft in diesem Sommer? 

Der Sommer war äusserst erfolgreich. Wir haben das Budget übertroffen und auch das Feedback der Gäste und der Crew bestätigt, dass wir während der Krise und auch in der letzten Zeit sehr Vieles richtig gemacht haben. Ich pflegen einen regen Austausch mit der Crew und die sind wirklich topmotiviert. 

Inwiefern haben sie das Budget übertroffen? 

Zahlen nennen wir keine, aber wir fliegen Stand jetzt wieder mit 90-prozenziger Auslastung, sprich unsere Flieger sind im Schnitt mit 90% ausgelastet.  

Ist Chair auch für den kommenden Winter ähnlich stark gewappnet? 

Ja, auf jeden Fall. Wir haben in diesem Sommer bereits bewiesen, dass wir eine verlässliche Airline am Marktplatz Zürich sind. Das wollen wir auch im Winter bieten. Deshalb haben wir auch wieder mit der Branche und unseren Partnern zusammen geplant.

Wir haben auch nicht etliche neue Destinationen für den Winter in petto, sondern haben uns auf die Verdichtung der bestehenden Destinationen konzentriert. Da wir für unsere vier Flieger auch über den Winter eine gute Produktivität haben möchten, fliegen wir im Winter neu zweimal wöchentlich nach Gran Canaria und Teneriffa. Ausserdem wird auch im Winter zweimal pro Woche Mallorca angesteuert. 

Wie ist der Winter bisher gebucht? 

Grundsätzlich kann man sagen, dass für den Winter wieder kurzfristiger gebucht wird. Für den Sommer wurde wieder gut im Voraus gebucht, auch für den Herbst waren wir relativ früh wieder sehr gut ausgelastet – jetzt sehen wir die Tendenz eher wieder in der Kurzfristigkeit. Alles, was bis November ist, sieht schon sehr gut aus. Weiter hinaus kommen die Buchungen im Moment tropfenweise rein – dies widerspiegelt aber den momentanen Trend, dass für den Winter allgemein wieder eher kurzfristiger gebucht wird. 

Wie hat sich Chair in den letzten Jahren ‘onboard’ verändert? 

Chair will modern, dynamisch und innovativ auftreten. Aus diesem Grund haben wir unsere Kabinen im Erscheinungsbild weiterentwickelt. Die Sitze wurden neu bezogen, Teppich neu ausgelegt, die Flieger wurden neu lackiert. Uns ist das gesamte Erscheinungsbild wichtig. Ausserdem wollen wir über unsere gesamte Zielgruppe von Jung bis Alt als trendy entsprechen und haben daher auch bei Food & Beverage einige Veränderungen vorgenommen. Zum Beispiel gibt es auch bei uns Pommes & Hotdogs an Bord. 

Zudem haben wir neu ein Inflight-Magazin herausgebracht, das zusammen mit Blogger erstellt wurde. Die Reaktionen darauf waren bisher sehr erfreulich und das Magazin wird sehr gerne gelesen. Wir haben auch keinen typischen Bordshop mehr, sondern eine Air- Boutique mit neuen Produkten. Dazu gibt es bei Chair ein Pre-Order-Konzept mit täglich frisch zubereiteten Mahlzeiten, um Food- Waste zu minimieren. 

Das sind viele Neuigkeiten, die etwas unter dem Radar gelaufen sind – war das beabsichtigt? 

Diese Punkte sind etwas unter dem Radar gelaufen, das ist richtig. Wir wollten einfach unsere Hausaufgaben machen und haben uns darauf konzentriert. Wir haben viele Themen für uns aufgearbeitet und wollten erst an die Öffentlichkeit gehen, wenn es auch wirklich was 

zu vermelden gibt. So weit sind wir jetzt und jetzt ist auch der Zeitpunkt da, wo wir über diese Dinge reden können. In den letzten anderthalb Jahren haben wir viel erreicht, worauf wir stolz und happy sind. 

Unser Leitbild gilt als Massstab, an dem wir uns messen, um unsere Kunden immer das bestmögliche Reiseerlebnis zu bieten und ein verlässlicher Partner im Flugmarkt zu sein. Wir orientieren uns dabei kontinuierlich an aktuellen und kommenden Destinationen und Trends. Unser Ziel ist es, unsere Flugpassagiere sicher und entspannt an das von ihnen gewählte Ziel zu bringen. Als Brücke zur Heimat, zum Beginn schöner Ferien oder für einen unvergesslichen Kurztrip bei Fernweh. 

Der Ausbau der Flotte ist in vollem Gange – welche Ziele hat sich Chair hier gesetzt? 

Ab Dezember haben wir neu vier Flieger. Ein A319 und drei A320 – heisst ab Dezember haben wir mehr Kapazität. Unser Ziel ist es nachhaltig zu wachsen. Ein viertes Flugzeug passt gut in die Struktur und können wir gut bedienen. Was die Zukunft bringt, kann ich noch nicht sagen – im Moment bleiben wir bei den vier Flugzeugen. 

Ein viertes Flugzeug birgt auch destinationstechnisch mehr Möglichkeiten – was ist hier in Zukunft geplant? 

Das Hauptziel, auch mit dem neuen Flieger, ist die Verdichtung der bestehenden Destinationen. Wir möchten primär die Frequenzen erhöhen und mehr Year-Round- Produkte, wie zum Beispiel Gran Canaria, einführen. Wir halten aber auch immer die Augen nach neuen Destinationen offen und sind da auch eng im Austausch mit den Reiseveranstaltern. 

Was ist mit Mykonos und Montenegro, die in der Krise aufgenommen wurden? 

Beide Destinationen sind nicht mehr im Flugprogramm. Wir setzen vermehrt auf Destinationen, wo wir mehr Potenzial sehen. Es ist nicht so, dass die beiden Destinationen kein Potenzial hätten, aber wir sind nach Podgorica geflogen, weil Montenegro Airlines nicht mehr geflogen ist – das hat sich unterdessen geändert und deshalb sehen wir das zu wenig Potenzial, um weiterhin nach Montenegro zu fliegen.

Mykonos war in der Planung für diesen Sommer drin. Die geplanten Slots hatten auch grünes Licht. Nur dann ist es so gekommen, dass wir zwar die Slots hatten, aber nicht zu den bereits im Flugplan geplanten Zeiten. Wir hätten den Flugplan komplett anpassen können, dies hätte dann aber auch zu Änderungen bei anderen Destinationen geführt. Aus diesem Grund mussten wir schweren Herzens auf Mykonos verzichten und konnten die Destination auch nur im Mai anfliegen. 

Welche Ziele stehen im Fokus bei Chair? 

Wir sind eine Ferienfluggesellschaft und konzentrieren uns auf die gefragten Feriendestinationen – Griechenland mit Kreta, Kos und Rhodos, Zypern, Ägypten, Balearen und neu die Kanarischen Inseln, wo wir im Winter mit Teneriffa und Gran Canaria starten. Im Sommer kommt dann Fuerteventura dazu. Dazu kommen die Destinationen, die wir für unseren Grosskunden Air Pristina fliegen: Pristina, Ohrid und Skopje. 

Weshalb Kanaren – sehen Sie dort ein besonders grosses Potenzial? 

Ja, ich bin der Meinung, dass dort ein grosses Potenzial vorhanden ist. Wir wollen aber auch Alternativen auf dem Marktplatz Zürich bieten. Wir sind da sehr optimistisch und sehen gute Chancen für unsere Kanaren-Flüge. 

Wie ist das Verhältnis ‘ethnischer Verkehr’ zu ‘touristischem Verkehr’ bei Chair? 

Der grösste Teil ist Leisure. Es ist nicht so, wie es oft scheint, dass wir der grössere Teil auf ‘Heimatflüge’ haben. Wir sind auf den Tourismus ausgerichtet – deshalb auch die Überhand bei den touristischen Destinationen und Frequenzen. 

Ist die Langstrecke in Zukunft ein Thema bei Chair? 

Im Moment nicht, aber wir schliessen für die Zukunft nichts aus. 

Hätten Sie eine Wunschdestination? 

Ich bin sehr Asien-affin, daher Fernost – ein Phuket wäre sicher einmal schön. 

Wie sehen Sie die Preisentwicklung in den kommenden Monaten – werden Chair- Tickets teurer? 

Das Thema Preis ist abhängig von Angebot und Nachfrage und definiert sich auch dadurch. Wir planen grundsätzlich mit stabilen Preisen. Natürlich behalten wir auch das Thema Treibstoff im Auge, aber wir möchten weiterhin mit stabilen Preisen unterwegs sein. Der grösste Teil unserer Tickets wird auch über die Reisebranche abgesetzt, das ist nach wie vor der grösste Partner. Deshalb ist eine stabile Preisstruktur auch sehr wichtig. 

Wie viele Kunden sind Direktkunden? 

Die Reisebranche und die Reiseveranstalter sind unsere Hauptpartner und Hauptabnehmer, daher sind wir auch sehr eng und nahe im Austausch  

Natürlich haben wir auch einen kleinen Anteil an Direktvertrieb über chair.ch. Das ist aber noch relativ wenig.  

Wie realistisch ist eine stabile Preisestruktur? 

Das ist ein schwieriges Thema. Höhere Preise ist das eine, ob dann diese Preise noch bezahlt werden, ist eine andere Frage – deshalb ist es auch etwas eine Gratwanderung die Preise zu erhöhen. Es bringt uns ja dann auch wenig, leer zu fliegen, weil die Preise zu hoch sind. Bei uns ist das auch ein Nachhaltigkeitsgedanke im stabilen Pricing. Wir möchten mit so gut wie möglich ausgelasteten Flugzeugen fliegen. 

Kann sich Chair neben Swiss und Edelweiss überhaupt behaupten? 

Unser Brand ist lange Zeit etwas untergegangen. Doch daran haben wir in den vergangenen Jahren gearbeitet. Wir haben unsere Marketingstrategie aufgearbeitet und überarbeitet und unser Fokus lag in diesem Jahr stark auf Brand-Awareness, weshalb wir dieses Jahr zwei grössere Kampagnen geplant haben. Wir haben viel mit den Reiseveranstaltern gemacht und sind aktuell mit einer Digital-Out of Home -Kampagne dabei die Marke Chair auch dem Endkonsumenten näher zu bringen.

Es ist uns wichtig, dass die Endkunden wissen, dass Chair eine Schweizer Airline neben Swiss und Edelweiss ist. Denn der grosse Brand ist natürlich der Vorteil von Swiss und Edelweiss. Wir müssen uns auf dem Markt noch bekannter machen und daran arbeiten wir im Moment stark. Wenn wir ausserdem weiterhin beweisen, dass wir ein Partner am Markt sind und so weitermachen, wie wir jetzt unterwegs sind, bin ich überzeugt, dass wir uns gut behaupten und positionieren können. 

Sie sind jetzt eineinhalb Jahre bei Chair, vorher gab es ein paar Wechsel, was war der Grund dafür? 

Ist Wechsel und Wandel nicht das, was um uns fast pausenlos passiert? – Wenn Wandel / Change stattfindet, finde ich es per se nicht verkehrt sich mitzuverändern. 

Wer immer tut was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist (Henry Ford). Ich möchte gerne lernen (auch aus Fehler), Verantwortung tragen, Erfahrungen sammeln und meine Erfahrung, welche ich in 23 Jahren sammeln durfte, weitergeben. 

Wie ist es mitten in der Krise einen neuen Job anzufangen, bzw. auf Jobsuche zu sein? 

Jede Krise birgt eine Chance? Viel habe ich gehört: «Was du hast deinen Job während der Pandemie aufgegeben?» – aber Veränderungen sind am Anfang hart in der Mitte chaotisch und am Ende ‘hoffentlich’ wunderbar.

Interview: Yannick Suter