Der Balair-Traum ist ausgeträumt

LEITARTIKEL: Nach einem eineinhalbjährigen Überlebenskampf muss Belair Insolvenz anmelden. Eine Geschichte über Loyalität, Hartnäckigkeit und Strohhalme.
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Es hätte ein heroisches Kapitel Schweizer Luftfahrtgeschichte werden können: Die kleine Belair wird von der grossen Air Berlin fallengelassen, überlebt ihre untreue Mutter aber und kehrt nach einem nicht enden wollenden Drama und zahlreichen Rückschlägen als Balair (kein Tippfehler!) zurück in die Luft.

Doch Heldengeschichten sind in der europäischen Luftfahrt zurzeit dünn gesät. Und dies ist leider keine davon. Gestern Mittwoch – exakt ein Jahr nach der Insolvenzankündigung von Air Berlin – musste der Belair-Verwaltungsrat bekanntgeben, dass er noch in dieser Woche eine Insolvenzerklärung für die Airline abgeben wird (hier geht es zur Originalmeldung).

Air Berlin lässt Belair fallen – und bittet sie danach um Hilfe

Es ist das traurige Ende eines eineinhalbjährigen Überlebenskampfes. Er begann, als Air Berlin der Schweizer Tochter im Januar 2017 sämtliche Flugaufträge entzog und ankündigte, fortan mit Niki ab Zürich zu fliegen. Belair wurde damit zu einem hohlen Airline-Konstrukt mit einem Management und Mitarbeitern, aber ohne Flugzeuge und Aufträge.

Der Verwaltungsrat um Präsident Christof Zuber gab sich von Anfang an kämpferisch und machte sich auf der Suche nach Alternativen, den vielzitierten «Strohhalm-Lösungen». Ironischerweise war es dann ausgerechnet die Unfähigkeit des Air-Berlin-/Niki-Managements, die das Weiterleben der Schweizer Airline vorerst sicherte: Weil sich keine Niki-Crews für Zürich finden liessen, sprang die Belair ein und flog das Sommerprogramm.

Dieselbe Berliner Unfähigkeit allerdings verhinderte im Herbst dann einen erfolgreichen Verkauf der Belair an die deutsche SBC. Ende Oktober musste Zuber deshalb ein erstes Mal das Ende der Airline bekannt geben – nicht mittels Insolvenz, sondern mit einer «geordneten Stilllegung». Dieser feine Unterschied sollte später noch eine entscheidende Rolle spielen.

Die Schweizer Reisebranche hielt Belair die Stange

Denn die Belair-Crew, allen voran VR-Präsident Christof Zuber, Verwaltungsrat Matthias Mölleney und Verkaufschef Stefan Gutknecht, dachte nicht im Traum daran, den Kampf aufzugeben. Im Januar 2018, nachdem Air Berlin und Niki schon lange Konkurs angemeldet hatten, flammten die Verhandlungen mit SBC noch einmal auf und führten tatsächlich zum Erfolg.

Und plötzlich sah die Zukunft wieder deutlich rosiger aus. Belair hatte einen Investor und einen Plan. Und die Schweizer Branche glaubte an die Airline. Mitarbeiter kamen zurück und sicherten ihre Loyalität zu, Veranstalter zeigten sich bereit zu Partnerschaften. Im März verkündeten Gutknecht und der neue CEO Michael Hövel exklusiv im TRAVEL INSIDE ihre konkreten Pläne: Reaktivierung des AOC bis Ende Mai, kurz darauf Start eines Wetlease-Auftrags für einen europäischen Partner, im Herbst dann zusätzlich Charterflüge unter eigener Flugnummer.

Neustart als Balair und mit BB-Code geplant

Alles wäre bereit gestanden: Die Schweizer Veranstalter machten bei den Plänen mit, FTI kommunizierte in ihrem Winterprogramm 2018/19 die Belair sogar schon als Flugpartner. Und, was nie öffentlich gemacht wurde: Als Sahnehäubchen wäre geplant gewesen, den früheren Namen Balair zu reaktivieren und mit dem Zwei-Letter-Code BB zu fliegen.

Doch es kam wieder anders. Thomas Cook/Condor sprang kurz vor dem Sommer als Wetlease-Partner und auch als potenzieller Investor ab, die Betriebsbewilligung und das AOC wurden folglich nicht erteilt. Dies war auch der Punkt, an dem viele Mitarbeiter nicht mehr an eine Zukunft glaubten und absprangen – zumal sie offenbar erst sehr kurzfristig über die Absage der Sommerpläne informiert wurden.

Der Milliardär aus Hoffenheim als letzte Hoffnung

Einen Trumpf, einen allerletzten, hatte das Belair-Management aber noch im Ärmel. Und zwar einen äusserst starken, wenn man den unbestätigten Informationen glauben will: Es soll sich um den deutschen Multi-Milliardär Dietmar Hopp gehandelt haben, Mitgründer von SAP und Mäzen des deutschen Fussballclubs TSG Hoffenheim. Mit ihm soll man kurz vor einer Unterschrift gestanden haben.

Der letzte Strohhalm knickte in dieser Woche. «Leider hat der Investor die Gespräche kurzfristig wider Erwarten und entgegen vorheriger Bekundungen abgebrochen», schrieb der Belair-Verwaltungsrat gestern in seiner Mitteilung.

Es ist schier unglaublich, wie oft die Belair in den letzten eineinhalb Jahren vor dem Ende stand und wie oft es dank der Hartnäckigkeit und Kampfbereitschaft der Airline-Führung doch wieder neue Hoffnung gab. Diesmal nun scheint das Aus wirklich endgültig zu sein. Und damit auch der Traum einer Auferstehung der Balair.

Stefan Jäggi
Chefredaktor TRAVEL INSIDE