Gastkommentar: «Euphorie für den A380 nur von kurzer Dauer»

Der TRAVEL INSIDE Autor und Branchen-Insider Erich Witschi arbeitet für Globetrotter und betreut die Helpline.

Totgesagte leben länger. Dieses oft zitierte Sprichwort passt ausgezeichnet zur gegenwärtigen Konstellation rund um den Airbus A380. Schon vor dem Zusammenbruch des internationalen Luftverkehrs im Jahr 2020, wurde das Ende des grössten Passagierflugzeugs der Welt eingeläutet.

Bereits 2019 verkündete Airbus die Einstellung der Produktion für den A380 per 2021. Am 17. März 2021 verliess mit der Nummer MSN272 die letzte von insgesamt 251 Maschinen die Fertigungshallen in Toulouse und wurde, mit einem Abstecher nach Hamburg zur Fertigstellung, am 16. Dezember 2021 an Emirates ausgeliefert. Geplant war der Bau von mindestens 1200 Maschinen; nur um die Kosten zu decken!

In den letzten Monaten wurden bereits 14 Exemplare des Superjumbos verschrottet (8 von SQ, 2 von QF, 2 von EK und 2 von AF); und das, obwohl das jüngste ‘Opfer’ erst 10 Jahre alt war. Langstreckenflugzeuge werden in der Regel für eine Lebensdauer von ca. 25 Jahren gebaut. Über die Gründe, warum der A380 für Airbus zu einem gigantischen Flop wurde, habe ich bereits vor ein paar Jahren geschrieben – und dazu stehe ich auch heute noch; wobei das Ende des Giganten wegen Covid nun bereits viel früher kam als ich mir vorstellen konnte.

Die momentane Renaissance des A380 vermag daran auch nicht viel zu ändern; das endgültige Aus wird höchstens um 5 bis 6 Jahre hinauszögert. Dennoch wird der A380 nun in den Medien, ganz besonders in einschlägigen Foren, gefeiert. Die Lobeshymnen und Liebeserklärungen auf den Riesenvogel reissen nicht ab, Herzchen werden vergeben und gewisse Kommentatoren lassen gar dazu hinreisen uns nahezulegen, doch lieber zuhause zu bleiben, als mit irgendeinem anderen Flugzeug die Reise anzutreten.

Als vor 15 Jahren die ersten A380 in den Dienst gestellt wurden, tönte es noch völlig anders: Zu gross, zu schwer, zu teuer, zu durstig! Nur Aviatik Enthusiasten liessen sich zu Begeisterungsstürmen hinreissen (ausser meiner Wenigkeit…). Die anfängliche Zurückhaltung wurde dann von Gwunder und Bewunderung verdrängt. Als die ersten privilegierten Fluggäste ihren Freunden, Verwandten und interessierten Zuhörer*innen auf Cocktail-Parties von ihren A380 Abenteuern erzählten, war es auf einmal en vogue mit dem A380 zu fliegen und man erkundigte sich im Reisebüro oder bei den Airlines ob es allenfalls einen Flug mit dem Superjumbo gäbe.

Ich hatte meinen ersten Kontakt mit dem Objekt der Begierde im Sommer 2010, als Air France den A380 zu Trainingszwecken zwischen Paris CDG und London LHR einsetzte. Für mich genügte das vorderhand, um einen ersten Eindruck zu erhalten. Zwei positive Punkte konnte ich feststellen: Erstens wie leise der Riese – auch beim Start – in der Kabine war und zweitens, wie ruhig die Maschine in der Luft lag, auch bei moderaten Turbulenzen. Wohl fühlte ich mich trotzdem nicht.

Die Fenster wurden trichterförmig gegen aussen immer kleiner und zwischen Sitz und Kabinenwand gab es einen Abstand von einem halben Meter. Aus dem Fenster schauen verursachte eine Nackenstarre und den Kopf an der Wand anlehnen war nicht möglich. Obwohl die Maschine nur halb voll war, hatte ich das Gefühl in einem überfüllten Tram zu sitzen. 2012 hatte ich die Gelegenheit, mit dem A380 in der Businessklasse von Frankfurt nach Tokyo zu fliegen. Im Upper Deck war die Sache mit den Fenstern etwas besser als unten in ‘Steerage’ und man wähnte sich eher in einem ‘normalen’ Grossraumflugzeug als auf einer spanischen Galeere.

Der etwas bessere Eindruck wurde aber egalisiert durch die ‘Turnhallenatmosphäre’ in der Lufthansa Businessclass des A380. Das gesamte Upper Deck war als C-Klasse konfiguriert und bloss einmal unterteilt – also grösstenteils offen, wie ein Loft.

Die neue Euphorie für den A380 dürfte jedenfalls nur von kurzer Dauer sein. Einerseits sorgte Covid für eine Beschleunigung der Ausmusterung des Typs. Andererseits sorgen seit ein paar Monaten, ein in diesem Ausmass kaum erwartetes Nachholbedürfnis, aber auch Kapazitätsengpässe, für eine ‘Auferstehung’ des Giganten.

Lufthansa, British Airways, Emirates, Etihad und Co. entmotten seit ein paar Monaten ihre in der Wüste abgestellten A380. Diverse Exemplare stehen bereits wieder im Einsatz, um die steigenden Pax-Zahlen bewältigen zu können. Es fehlt überall an Kapazität, da beide grossen Hersteller von Langstreckenflugzeugen mit ihren Modellen der neuesten Generation, allen voran Boeing mit der 777-9 und dem Dreamliner, aber auch Airbus mit dem A350 und A330Neo, mit Lieferengpässen der Zulieferer zu kämpfen haben und sich die Zertifikation der Boeing 777-9 voraussichtlich auf 2025 verzögern wird.

Aber die Post-Covid Nachfrage wird wohl in den nächsten Jahren stagnieren; aber bis die Produktionsanlagen in Toulouse und Seattle wieder hochgefahren sind, werden noch etliche Jahre vergehen. Somit wird der A380 noch ein paar Jahre König der Lüfte bleiben. Die Queen of the Sky (Boeing 747) hingegen wird uns als Passagierversion (LEIDER) wohl nicht mehr lange erhalten bleiben und in 2 bis 3 Jahren nur noch als Frachter und begehrtes Spotterobjekt zu bewundern sein.

Somit kommt die A380 doch noch zu späten Ehren und kann von den Airbus Fanboys und -girls auch weiterhin beklatscht werden. Das hängt aber weitgehend davon ab, wie sich die Wirtschaft und die Spritpreise entwickeln und wann die nächsten dunkeln Wolken am Horizont aufziehen. Trotz meiner ambivalenten Haltung gegenüber dem A380; ich bin froh, dass der Riese einen zweiten Frühling erlebt und nicht nur eine Episode in der Geschichte der Zivilluftfahrt bleiben wird.

Airbus hingegen profitiert kaum von dieser Situation. Die Produktion ist endgültig eingestellt und es sind keine neuen Maschinen bestellbar. Einzig Ersatzteile sind noch genügend vorhanden und können weiterhin verkauft werden. In Anbetracht des riesigen Verlusts, ist das nur ein Tropfen auf den heissen Stein. Es ist kaum nachvollziehbar, weshalb eine Firma wie Airbus gleich zweimal den Markt dermassen falsch eingeschätzt hat. Der erste Fehlschlag war der A340, von dem auch nur 375 Exemplare gebaut wurden und dessen Produktion im Jahr 2011 zu Ende ging.

Schon bald wird der letzte 4-Strahler von irgendeinem Flughafen abheben und auf dem Weg zum Schrottplatz in den Sonnenuntergang fliegen. Damit geht eine Ära zu Ende, die 1949 mit der de Havilland Comet begann, in den 50iger und 60er Jahren mit der Boeing 707 und der DC-8 (um nur ein paar Beispiele zu nennen) weiterentwickelt wurde und 1969 mit dem Jumbo Jet 747 einen Höhepunkt erreichte. A380 und A340 können höchstens als letztes Aufbäumen betrachtet werden.