«Incentive-Anbieter brauchen Abenteuerlust»

Claudine Furrer über innovative Destinationen und Trends zwischen Las Vegas und St. Moritz.

Frau Furrer, in Zeiten sich verschärfender Compliance-Regeln wächst bei Ihnen die Incentive-Abteilung. Ein Widerspruch?

 Nein, der Incentive-Markt in der Schweiz wächst und die Firmen brauchen Unterstützung. Incentives kann man nicht im Internet buchen. Wegen Einreisebestimmungen, Haftungsfragen und Versicherungen wird das Thema zudem immer komplexer.

Incentives kann man nicht im Internet buchen?

Wenn man den Mitarbeitern wirklich etwas Besonderes bieten und gleichzeitig die Compliance beachten will, sollte man ein Konzept haben, das auch die Unternehmenswerte, die Corporate Identity vermittelt. Man soll ja auch merken, mit welcher Firma man unterwegs ist, und der Mitarbeitende soll eine besondere Wertschätzung erfahren.

Was ist dafür wichtig?

Ein starker Trend ist, dass man ein Zusammengehörigkeitsgefühl schafft und die Zugehörigkeit zum Unternehmen verankert. In Zeiten von Social Media zählt das für die Menschen mehr denn je. Man will sich gut aufgehoben fühlen in seinem Unternehmen und sich mit den Kollegen oder auch mal dem CEO austauschen – z.B. wenn man sonst viel im Aussendienst arbeitet. Aus serdem sollte es kein 08/15-Programm geben, sondern etwas, was man sonst nicht erleben kann, einen Glücksmoment, einen Actionpart oder etwas an einem traumhaften Ort.

Zum Beispiel?

Wenn Sie mit einem gebrandeten Heli abgeholt und zu einem Dinner auf ein Weingut gebracht werden oder ein ganzes Theater nur für Sie gemietet wurde, inklusive Star-Fotograf, wenn Sie auf dem Gletscher Golf spielen können oder 60 Pferde darauf warten, mit Ihnen und Ihrem Team durch die Wüste zu reiten, dann ist das schon etwas Besonderes, finden Sie nicht? Aber auch mit etwas ganz Bodenständigem wie einem Mondscheinspaziergang in den Bergen oder den weltbesten Meringues im Landgasthof Kemmeriboden- Bad kann man die Herzen erobern.

Welche Destinationen sind denn besonders innovativ in Sachen Incentives?

Ganz vorne dabei sind Singapur und Las Vegas. Letzteres einfach deshalb, weil dort nichts unmöglich ist. Diese Destinationen kommen immer mit neuen Ideen und vermarkten sich sehr gut. Auch Miami, New York oder Chicago haben viel zu bieten. Im Trend liegen derzeit aber auch Hamburg, v.a. wegen der Elbphilharmonie, oder Winter-Incentives in Lappland oder Island.

Mit London oder Paris kann man niemanden mehr locken?

Wenn Sie eine Stadt auswählen, die schon jeder kennt, müssen Sie sich einfach etwas ganz Spezielles ausdenken, z.B. ein Dinner in der Tower Bridge. Aber verstehen Sie mich nicht falsch, man kann auch mit einem Dinner am Strand viel bewirken, sogar bei einem CEO.

Und was ist mit der Schweiz?

Bei eintägigen Events machen wir natürlich sehr viel in der Schweiz, am Polo in St.Moritz etwa. Wir haben hier ja unzählige schöne Flecken, Luzern, Bieler See. Man müsste sich hierzulande nur besser verkaufen und etwas offener werden.

Wie meinen Sie das?

Naja, die Preisfrage kommt von Kundenseite her immer. Teils lassen Schweizer Anbieter da nicht wirklich mit sich verhandeln. Dann wechseln wir schon mal ins benachbarte Ausland. Das hat auch ein bisschen etwas mit der Mentalität zu tun. Man braucht als Anbieter Abenteuerlust, muss auch mal etwas Verrücktes mitmachen und nicht so engstirnig sein. Man kann sich Ideen überall holen, Innovation ist wichtig.

Können Sie noch konkreter werden?

Nehmen wir an, ich will an einem speziellen Ort etwas Aussergewöhnliches machen, da stellt sich die Frage, wie einfach ich an eine Genehmigung herankomme. Das ist in der Schweiz teils recht schwierig. Trotzdem finde ich es sehr wichtig, dass wir das eigene Land unterstützen.

Ist eigentlich Nachhaltigkeit ein Thema?

Der verantwortungsvolle Umgang mit Ressourcen ist ein Gebot der Stunde. In den Unterneh- men wächst das Bewusstsein für Nachhaltigkeitsfragen. Gerade bei Incentive- und Eventprogrammen wird diesem Punkt je länger je mehr Beachtung geschenkt. Das geht vom klimaneutralen Reisen bis hin zum bewusst erlebten Green Event, der einen möglichst positiven Effekt auf die besuchte Region haben soll. Ich bin überzeugt, dass uns dieses Thema in Zukunft noch vermehrt beschäftigen wird.

Der Kreuzfahrt-Markt boomt. Auch bei Ihnen?

Ja, das Thema Schiff kommt jetzt vermehrt, ob man nun ein ganzes Kreuzfahrtschiff chartert oder nur einen Teilcharter macht. Der Vorteil ist, man hat die Leute immer zusammen und jeden Tag eine neue Destination. Alle neueren Schiffe setzen auch auf den Seminar- und Incentive-Bereich und bieten Möglichkeiten für Meetings, Ansprachen oder Workshops an. Auch Flusskreuzfahrten und Segeltörns sind gefragt.

Wie hat die Digitalisierung Ihr Geschäft verändert?

Da gab es in den letzten Jahren natürlich grosse Veränderungen. Die Reisedokumente, das Programm, Teilnehmerdaten, Reisetipps und so weiter sind via App verfügbar, der Boarding Pass kommt nur noch aufs Handy.

Im Idealfall: Was bewirkt eigentlich ein Incentive?

Es stärkt die Bindung untereinander, steigert die Loyalität gegenüber der Firma und ist Motivation pur. Die meisten Mitarbeiter sind sehr dankbar für so etwas und nehmen es nicht für selbstverständlich, wenn sie mit ihrer Firma etwas Besonderes erleben dürfen.


Claudine Furrer

Die 27-Jährige arbeitet seit zehn Jahren beim Geschäftsreise-Spezialisten Finass Reisen AG in Wetzikon. Seit sechs Jahren ist sie Leiterin der wachsenden Abteilung Incentives & Eventreisen, die seit diesem Sommer drei Mitarbeitende zählt. Die Abteilung organisiert Meetings, Messen, Events und Incentive-Reisen für zehn bis über 1000 Personen, überwiegend im Ausland. Claudine Furrer ist zudem Mitglied der Finass-Geschäftsleitung um CEO Erica Dillier.