Visionäre der Meeting-Destination

Andere Aufgaben, neue Strukturen: So bestehen die Schweizer Convention Bureaus im härter werdenden internationalen Konkurrenzkampf.

Sie vermarkten ihre Destination als MICE-Standort und positionieren diese national und international. Sie bündeln Ressourcen und sind der Vertreter einzelner Leistungsträger auf Messen, Roadshows oder auch auf Online-Plattformen. Und sie akquirieren Kunden. Aber: Sie sind nicht die verlängerte Sales-Abteilung ihrer Mitgliedsbetriebe. Da sind sich alle von MICE-tip befragten Vertreter der Schweizer Convention Bureaus einig. Und: In den vergangenen Jahren haben sich die Herausforderungen, Aufgaben und Strukturen der Kongressbüros stark verändert.

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«Wir definieren uns je länger je mehr über das Business Development», beschreiben Ricarda Deragisch und Uta Kroll vom Zürich Tourismus Convention Bureau ihre Philosophie. Statt nur auf die rund 1500 eintreffenden Anfragen pro Jahr zu reagieren, denen man zu ca. 30% konkret etwas vermitteln könne, habe man sich grössere Aufgaben gestellt: «Wir möchten potenzielle Kunden motivieren, sich mit unserer Unterstützung auf die Durchführung eines Kongresses zu bewerben oder diesen überhaupt erst zu initiieren – und dies natürlich in Zürich», sagt Head of Convention Bureau Kroll. Als Argument hilft der starke Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Zürich – ein gutes Kriterium etwa für Verbände. Und: Die Konzentration auf bestimmte Cluster, statt auf das Giesskannenprinzip. Zürich setzt dabei auf ICT (Informationsund Kommunikations-Technologie), Life Science, Finance und neu Clean Tech (neue Energien).

Convention-Bureau-Team Zürich (v.l.):
Ricarda Deragisch, Uta Kroll, Magdalena Krol und Ronnie Clauser sorgen mit ihren Arbeitskollegen dafür, dass Zürich bei Kongress- und Incentive-Kunden gut ankommt.

Auch bei St.Gallen-Bodensee Convention gehen die Aufgaben weit über das Füllen von Hotelbetten hinaus, wie Stefanie Thurner (Leiterin Convention Bureau) betont. Neben den erwähnten Aufgaben gehe es um das Schaffen von Vertrauen unter den Leistungsträgern, den Aufbau einer Community, die gemeinsam stark nach aussen auftritt. «Ich sehe aber auch die Schulung der Partner als wichtiger werdende Aufgabe», so Thurner. «Wie gehe ich mit Kundenbedürfnissen um, was sind die Trends, wie setze ich mich von der Konkurrenz ab?» Zudem forsche man im Netzwerk micelab:bodensee mit Destinationen und Betrieben an der Kongress-Zukunft rund um den Bodensee und teile das Wissen mit den Partnern.

St.Gallen-Bodensee Convention verfolgt eine klare Kongressförderungsstrategie: Wiederkehrende, regional verankerte, aber auch Startup- Kongresse werden aktiver gefördert als einmalig durchgeführte Veranstaltungen. Die «Arge Kongress» aus Tourismus, Kongresszentrum, Hotellerie und Standortförderung von Kanton und Stadt trifft sich viermal jährlich zur Beratung über Kundenpflege und förderungswürdige Kongresse.

DIE KONKURRENZ IST HELLWACH
Die Anzahl der Kongressbüros in der Schweiz habe sich in letzter Zeit nicht stark verändert, heisst es beim SCIB – dem Convention Bureau von Schweiz Tourismus. Es seien trotz Strukturund Namensänderungen immer um die 15. «Einige haben in den letzten Jahren aber stark ausgebaut, weil sie die Bedeutung und das Po- tenzial von Meetings für ihre Destination erkannt haben», sagt SCIB-Chefin Barbra Steuri-Albrecht. Das mussten sie auch, denn die Konkurrenz wächst rasant. Philipp Schmid, Leiter des Incoming & Convention Bureau Basel, beschreibt es so: «Während wir vor wenigen Jahren mit Wien, Barcelona oder Berlin konkurriert haben, heissen unsere Mitbewerber heute zusätzlich Singapur, Dubai und Kuala Lumpur.» Das sei eine andere Liga und im Wettbewerb v.a. um rotierende internationale Kongresse eine ganz neue Situation. Destinationen wie Dubai hätten eine viel grössere Infrastruktur zu bieten – 2000 Delegierte in einem Hotel inklusive Meeting-Infrastruktur – und seien zudem günstiger.

In Basel ist jedoch in der jüngsten Vergangenheit viel passiert, um der Konkurrenz Paroli zu bieten. «Der Ausbau des Congress Center Basel hat uns sehr geholfen», sagt Schmid. Nun könne man auch Kongresse mit 3000 oder 5000 Teilnehmern akquirieren. Zudem seien die Zimmerkapazitäten am Wachsen – von 8500 vor drei Jahren auf 9600 Ende 2019. Auch Basel setzt übrigens auf Cluster – in erster Linie auf Medtech, Life Sciences und Logistik. Hilfreich ist zudem die spezielle Kongressförderung . Ende 2015 wurden zudem Convention Bureau und Incoming Services in Basel zusammengelegt. Statt zwei können sich nun acht Mitarbeiter hybrider als früher Aufgaben teilen, haben kürzere Wege und der Convention- Bureau-Chef ist GL-Mitglied bei Basel Tourismus.

WER NICHT SCHNELL IST, HAT VERLOREN
«Es ist schwerer, auf den Radar zu kommen als früher», sagt auch Bernhard Rhyn, Direktor der Bern Incoming GmbH, die ganz neu unter dem Dach der Bern Welcome AG (siehe Box) agiert – ebenfalls eine Reaktion auf die sich verändernden Marktgegebenheiten. Er nennt exotische Destinationen wie Astana in Kasachstan, Vietnam oder auch EU-geförderte osteuropäische Länder als neue Konkurrenz. Alles aus einer Hand anzubieten, sei darum ein entscheidender Wettbewerbsvorteil, nichts schlimmer als wenn Event- oder Kongress-Veranstalter zig verschiedene Stellen kontaktieren müssten für Genehmigungen, Fördergelder oder Unterkunft. «Feedbacks dieser Art haben uns motiviert, für die Kunden künftig alles stark zu vereinfachen», so Rhyn. Eine grosse Herausforderung sei übrigens die Kurzfristigkeit der Anfragen. «Früher kamen die Anfragen zwei bis drei Jahre im Voraus.» Heute müsse man eine Anfrage für einen 500-Personen-Anlass im selben Jahr innerhalb eines Tages beantworten. Wer nicht sofort reagiert, kommt gar nicht erst ins Rennen.

INCENTIVES BRAUCHEN KEIN KONGRESSZENTRUM
Es muss allerdings gar nicht immer ein grosser Kongress sein, wie man beim Zürcher Convention Bureau beobachtet hat. Ein grosser Trend heisst dort Incentives. Für diese brauche man weniger die grossen Kongressräumlichkeiten, sondern vielmehr könne man mit der guten Hotel-Infrastruktur und einem spannenden Rahmenprogramm Kunden überzeugen, so Kroll. Vor allem aus Asien sei die Nachfrage hier stark. Da für die Durchführung von Incentives nicht die Anzahl der Meetingräume entscheidend sei, könnten diese Gruppen ohne Weiteres mehr als 300 Teilnehmer zählen. Seit Anfang Jahr kümmern sich darum zwei von neun Mitarbeitern um das Thema Rahmenprogramme.


Kongressförderung Basel

Ein besonderes Konzept der Kongressförderung hat der Kanton Basel-Stadt in Zusammenarbeit mit dem Kanton Basel-Landschaft lanciert. Kongressveranstalter können
finanzielle Beiträge in relevanter Höhe für die Entwicklung und die Durchführung von Kongressen beantragen. Allerdings gilt dies nur für bestimmte Branchen und es müssen zudem bestimmte Förderkriterien in Sachen touristische Wertschöpfung, Grösse oder
Professionalität erfüllt werden. Über die Vergabe entscheidet das Congress Board, bestehend aus Hochschulen, Handelskammer, Wirtschaftsförderung, Kongresszentrum und Tourismus. Das Board trifft sich alle zwei Monate und berät gemeinsam über förderungswürdige Projekte.

Philipp Schmid

Bern Welcome als Zukunftsmodell

In letzter Zeit haben sich in vielen Destinationen innerhalb der Schweiz die Strukturen hin zu mehr Meeting- und Kongress-Geschäft verändert. So wird am 1. September 2017 die Bern Welcome AG ihre Arbeit aufnehmen, unter der Bern Tourismus, Bern City, Hotellerie Bern+ Mittelland, Gastro Stadt Bern und Umgebung sowie die noch zu gründende Bern Meetings und Events AG vereint sind. Bei der Bern Meetings und Events AG übernimmt die bisherige Bern Incoming GmbH – weiter unter Direktor Bernhard Rhyn – den Bereich Meetings. Der Bereich Events muss noch aufgebaut werden und soll mehr
Events nach Bern bringen.

Bernhard Rhyn