«Wir müssen dafür sorgen, dass man uns nicht vergisst»

Titus Meier, Direktor des Kongresshauses Zürich, hat ab 2020 eine topmoderne Location anzubieten, mit der er auch internationale Kongresse anziehen will..
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Koordinieren, berechnen, vorausplanen – theoretisch haben sich die Aufgaben von Titus Meier nicht grundlegend verändert. Nur dass sie seit Mitte Juli in einem anderen Rahmen ablaufen. Ohne Mitarbeiter, ohne akuten Event-Stress. Zudem ist Meier Mitglied eines Bauprojekt- Teams und weiss nun, wie eine Online-Inventar- Auktion vonstattengeht. Unglücklich wirkt der Direktor des Zürcher Kongresshauses deshalb nicht. Eher motiviert und voller Vorfreude auf das, was kommt. Ein neues, modernes Kongresshaus, welches er für Events ab Spätsommer 2020 selbstbewusst verkaufen kann – von einem Büro in der Zürcher Mutschellenstrasse aus und mit Hilfe seines einzigen verbliebenen Arbeitskollegen, Vize-Direktor Claudio Kaul.

RENDERING: ZVG

Herr Meier, das Kongresshaus ist seit Mitte Juli geschlossen und Sie mussten über 93 Festangestellte sowie rund 200 Teilzeit- und Aushilfskräfte entlassen. Macht Sie das nicht traurig?

Wir hatten lange die Hoffnung, dass es einen alternativen Standort geben wird. Ein Provisorium für drei Jahre, um die Kunden und die Mitarbeitenden zu halten. Wir haben mehrere Standorte angeschaut, die nun teils selbst zu Event-Locations geworden sind. Letztlich mussten wir feststellen, dass die Kosten-Nutzen-Rechnung nicht aufgegangen wäre. Unser Business Case, der sonst unser USP ist, ist uns da zum Verhängnis geworden. Aber wir haben die Mitarbeiter, soweit es möglich war, beim Finden einer Anschlusslösung unterstützt. Da sich viele Events ja innerhalb von Zürich verlagern, gibt es an anderen Orten auch mehr zu tun.

Inwiefern ist Ihnen Ihr Business Case «zum Verhängnis geworden»?

Wir sind sehr breit aufgestellt und bieten eigene Gastronomie sowie Flächen für Konzerte, GV, Messen, Kongresse, Tagungen und sogar für Partys an. Wenn also die Banken plötzlich kein Geld mehr für Anlässe ausgeben, bricht bei uns nicht von heute auf morgen das ganze Geschäft ein. Aber es gab keine Location, in der wir dieses breite Konzept ansatzweise hätten weiterführen können. Die Halle 622 zum Beispiel hatte zu wenige Nebenräume.

Aber einige Ihrer Stammkunden sind zum Teil dorthin ausgewichen. Oder in die Samsung Hall. Oder ins neue Lake Side. Oder ins Hallenstadion. Haben Sie die Befürchtung, dass die vielleicht nicht mehr zurückkommen?

Das beschäftigt uns selbstverständlich stark und gewisse Befürchtungen gibt es natürlich. Aber ich wage zu behaupten, dass das Kongresshaus Zürich ein Brand ist, den man nicht so einfach vergisst. Natürlich müssen wir auch aktiv dafür sorgen, dass das nicht passiert, etwa durch eine grössere Aktivität in den sozialen Medien als bis anhin. Ausserdem haben wir in drei Jahren eine Infrastruktur zu bieten, die absolut up to date ist. Und dann ist da noch das Argument Lage, Lage, Lage!

Aber die Konkurrenz in Zürich wächst.

Darüber sind wir sogar sehr froh. Es ist gut, dass ein Grossteil unserer Kunden Ausweichmöglichkeiten innerhalb Zürichs gefunden hat und die Veranstaltungen der Stadt somit erhalten bleiben. Eines unserer Ziele ist es ja, Zürich als Event-Standort zu festigen.

Mit wie vielen «Wiederkehrern» rechnen Sie?

Es werden sicher mehr als die Hälfte sein. Viele Stammkunden haben ihren Termin für in drei Jahren schon wieder vorreserviert. Da wir aber noch nichts fix zusagen können, ist da noch vieles offen. Zudem gebe ich zu bedenken: Man sollte einen Event zwei Mal an einem anderen Ort durchgeführt haben, bevor man sich entscheidet, wieder zu wechseln. Ein Locationwechsel ist ein grosser Aufwand. Aber man will seinen Eventbesuchern natürlich auch immer wieder etwas Neues bieten. Das spricht ab 2020 wieder für uns.

Haben Sie viele neue, internationale Anfragen?

Ich würde gerne sagen, dass wir bereits bestürmt werden mit Anfragen bis ins Jahr 2025. Das ist noch nicht ganz der Fall. Wir verkaufen derzeit fürs 2021 und 2022. Sicher ist aber, dass wir künftig mehr internationale Kongresse nach Zürich holen und den Kongresstourismus in Zürich fördern wollen. Als Zürcher Institution wollen wir Mehrwert für die Stadt generieren. Dabei haben wir eine enge Partnerschaft mit Zürich Tourismus.

Sie haben als Kongresshaus Zürich AG jetzt drei Jahre keine Einnahmen. Wann rechnen Sie wieder mit schwarzen Zahlen?

Wir werden auch die ersten ein bis zwei Jahre keine Gewinne schreiben. Ich schätze, dass uns das Ganze inklusive der Eröffnungsphase neun bis zehn Millionen Franken kosten wird. Fünf Millionen davon sind jedoch unsere Investitionen in den Ausbau des neuen Panorama-Restaurants und in Betriebsmaterial wie z.B. das Mobiliar, das wir derzeit von der Besitzerin, der Kongresshaus-Stiftung Zürich, mieten. Das letzte halbe Jahr haben wir übrigens um einiges besser überstanden als erwartet, durch gutes Kostenmanagement und den gestaffelten Abbau von Personal. Und in der Verwaltung sind wir ohnehin schon immer sehr schlank aufgestellt.

Das Kongresshaus war bis anhin eine recht günstige Location. Werden nun die Preise eklatant steigen?

Es wird teurer. Aber wir legen Wert darauf, dass es keine Kostenexplosion gibt. Ich rechne damit, dass die Saalmieten nicht mehr als 20% steigen. Für viele Kunden könnte das sonst zum Problem werden. Aber wir haben in den letzten Jahren auch auf Preiserhöhungen verzichten müssen. Künftig werden wir selbst mehr Miete an die Stiftung bezahlen, und auch unsere Investitionen als Betreibergesellschaft müssen wir amortisieren. Da wir aber vieles in house haben, u.a. das Catering und eine Grundausstattung an Bestuhlung und Technik, werden wir weiterhin günstiger sein als der Durchschnitt der Mitbewerber. Ein Faktor, der die Preisgestaltung noch negativ beeinflussen könnte, ist das immer wichtiger werdende Thema Sicherheit zum Schutz von Veranstaltungen und Gebäude.

Was wird denn das neue Kongresshaus an Technik zu bieten haben?

Heute haben wir ja zum Beispiel kein Gratis- WLAN. Künftig wird es eine Grundbandbreite gratis geben, etwa so wie in einer Hotel-Lobby. Zudem werden die neuen Seminarräume natürlich professionell eingerichtet sein mit einer technischen Grundausrüstung an Tagungs-Infrastruktur. Ausserdem wird eine Direktübertragung von Bild und Ton zwischen den Sälen einfacher möglich sein.

Und was sind die wichtigen räumlichen Vorteile?

Kongresse sind weiterhin möglich bis 2500 Personen. Es gibt aber viele entscheidende Veränderungen. Wichtig ist zum Beispiel, dass wir mehr Nebenräume haben werden, Breakout- Rooms sind heute ja ein Must für jede Tagung und jeden Kongress. Wir werden zwar weniger Saal-, dafür aber mehr Foyerfläche haben. Der Bereich Gartensaal im Parterre wird besser zugänglich und flexibler nutzbar gemacht. Und das Schönste wird natürlich das neue Restaurant mit grosser Terrasse und Aussicht auf den Zürichsee und die Berge.

Und auf Party hatten Sie keine Lust mehr? Die Clubs Adagio und Le Bal werden ja komplett geschlossen.

Das Clubgeschäft ist zuletzt immer schwieriger geworden. Es gibt ein grosses, fast zu grosses Angebot in Zürich. Das Clubvolk geht gerne in neue Locations oder in die absoluten Kultclubs. Das Adagio – das wir mit Freddy Burger zusammen betrieben haben – war ein zeitloses Konzept, aber man hätte viel investieren müssen. Nun haben wir dort mehr Fläche für den Konzertbetrieb der Tonhalle. Der Backstagebereich war ja geradezu eine Schande für unser Image, wenn man bedenkt, welche Weltklasse-Künstler in der Tonhalle auftreten.

Noch einmal zurück zu Ihren Stammkunden. Wie haben Sie diese bei der Suche nach alternativen Locations unterstützt?

Wir haben allen grösseren Kunden proaktiv aufgezeigt, welche Ausweich-Möglichkeiten bestehen. Es gab einen Kundenanlass, zu dem wir 25 Locations eingeladen hatten, um sich zu präsentieren. Einen sehr grossen Aufwand in Sachen Anschlusslösung haben wir aber wie schon gesagt für unsere Mitarbeiter betrieben. Das war es uns auch absolut wert. Fast alle sind inzwischen untergekommen, und wir bekommen auch jetzt immer noch Zusagen.

Daten und Fakten

Die Wiedereröffnung von Kongresshaus und Tonhalle ist nach einer dreijährigen Umbauphase für Spätsommer 2020 geplant. Die Gesamtrenovation kostet die Kongresshaus-Stiftung ca. CHF 240 Mio., davon sind CHF 165 Mio. reine Baukosten. Der nachträglich erstellte, im Gegensatz zum restlichen Haus nicht denkmalgeschützte Panoramasaal wird zurückgebaut. Zum General-Guisan- Quai entsteht ein neuer Gartensaal
und auf dem Niveau der Terrasse ein Aussichtsrestaurant, dessen Name noch nicht feststeht. Der Kongresssaal und das Konzertfoyer erhalten die ursprüngliche Seesicht
aus dem Jahr 1939 zurück.