Tom Fecke: «Es gibt keine Einschränkungen für die Schweizer Agenturen»

    Der freie Journalist und TRAVEL INSIDE Autor Wolfram Marx hat sich mit Tom Fecke, Geschäftsführer DACH bei Sabre, unterhalten.
    Tom Fecke, Regional Director Central Europe, Sabre (Bild zVg)

    Tom Fecke ist Geschäftsführer DACH für Sabre. Der erfahrene Touristiker war früher unter anderem bei Travelport, im Mietwagen- und Kreuzfahrtsegment sowie als Geschäftsführer beim Travel Industry Club tätig. Nun gehört es zu seinen Aufgaben, die Position des GDS in der Schweiz nach der Schliessung des hiesigen Büros zu halten, es im deutschsprachigen Markt ohne Einschränkungen aus der Coronakrise zu führen und auf die Herausforderungen in der dann veränderten touristischen Welt vorzubereiten.


    Herr Fecke, die Tourismusbranche befindet sich momentan in einer der schwierigsten Phasen überhaupt. Wie verläuft die Entwicklung bei Sabre?

    Momentan liegt das Buchungsvolumen im Airline-Sektor bei rund 30 Prozent des Niveaus von 2019. Dies zieht sich durch alle Märkte, auch den DACH-Markt. Das Fluggeschäft ist unser Core-Produkt und bietet ein gutes Spiegelbild für Situation und Entwicklung im Tourismus. Wie für alle touristischen Unternehmen ist die Situation nicht einfach, aber ich bin optimistisch für 2021. Die Nachfrage für die zweite Hälfte 2021 nimmt zu. Festzustellen ist, dass es ein stärkeres Shopping-Volumen gibt, die Look-to-book-Rate ist höher.

    Was erwarten Sie für den Leisure-Bereich?

    Das touristische Segment kommt schneller zurück als die Geschäftsreisen. Aber die Reiseplanung ist schwierig, die Planung ist anhand der Reisewarnungen ein Kunststück. Ganz klar gibt es bei den Kunden eine grosse Sehnsucht nach Urlaub, Reisen und Erholung. Die Zurückhaltung lässt nach. Je weiter wir in die Zukunft schauen, um so größer wird die Nachfrage. Daher bin ich sehr optimistisch.

    Wird sich das Volumen bei den Geschäftsreisen verändern, da die Unternehmen verstärkt auf Onlineformate bei Tagungen und Konferenzen umsteigen und in der Zukunft öfter auf Business Trips verzichten werden?

    Insgesamt ist die Entwicklung deutlich langsamer als im touristischen Sektor, es wird länger dauern bis zu einem ähnlichen Niveau wie vor der Pandemie. Wir haben innerhalb der Branche unterschiedliche Verläufe und Entwicklungen. Es ist abhängig vom Unternehmenstyp, so werden Unternehmensberatungen nicht so stark auf den direkten Kontakt mit dem Kunden verzichten. Aber die Anzahl der Reisen wird sich verändern. Es werden mehr hybride Formen eingesetzt werden, es wird viel virtuell durchgeführt. Alles ist aber davon abhängig, wie die Firmen technisch aufgestellt sind.

    Was ist für den Schweizer Markt zu erwarten, nachdem im Sommer das Büro hierzulande geschlossen wurde?

    Es gibt keine Einschränkungen für die Schweizer Agenturen. Wir bieten den Expedienten web-basierte Trainings, alle Funktionen werden zentral gesteuert. Uns liegt sehr viel daran, den Kunden in dieser Phase beizustehen. Es besteht ein grosser Bedarf für ein passendes Produkt am Point of Sale, den können wir abdecken. Wir bieten mit Sabre Red 360 eine intuitive Plattform, so dass sich die Counterkräfte mehr Zeit für das Beratungsgespräch nehmen können.

    Was sind die Unterschiede zu den klassischen Produkten?

    Sabre Red 360 bietet eine komplett neue Welt, in der die Expedienten zwischen Eingabe per traditionellem Bluescreen oder mithilfe einer intuitiven, websiteähnlichen Oberfläche wählen können. Produkte und Angebote von Fluglinien können übersichtlich mit Bildern und anderen visuellen Darstellungen attraktiv und differenziert präsentiert werden. So haben wir eine sehr benutzerfreundliche Plattform und in Weiterentwicklung und Ausbau passiert extrem viel. Aber wir sind auch offen, wenn Agenturen mehrere GDS nutzen, unser Ansatz passt dafür.

    Was sind Ihre Ziele für die Schweiz?

    Unser Fokus liegt auf dem weiteren Ausbau, es gibt keinen Stillstand. Wir sind in Gesprächen mit potenziellen Kunden, denn wir wollen Neugeschäft generieren. Die Pandemie führt auch zu einer Marktbereinigung und einer Neustrukturierung. Die Kunden wollen gut aufgestellt sein und wir führen derzeit sehr konstruktive Gespräche. Die grossen Veranstalter sind oft komplex aufgebaut und setzen auf neue Kanäle, die wir bieten. Aber es gibt Synergien mit den anderen Märkten, die wir ausnutzen.

    Sie haben die Möglichkeiten von NDC erwähnt. Wie ist hier der aktuelle Stand?

    Keine der grossen Airlines hat in diesem Bereich nachgelassen. Die Entwicklung mit einigen unserer Partner – American Airlines, Qantas, Singapore Airlines und United – ist schon sehr weit fortgeschritten. Mit dem NDC-Programm von Singapore Airlines sind wir bereits in Singapur und Thailand gestartet, Anfang Januar folgen weitere Märkte, darunter Deutschland und die Schweiz. Wir sind zu diesem Thema ausserdem mit vielen anderen Fluglinien in intensivem Austausch und auch unsere neue Vereinbarung mit der Lufthansa Group wird NDC-Content umfassen. Reisebüros erhalten so eine grössere Auswahl und es bewegt sich vom reinen Preisthema weg, die Zusatzangebote rücken nach vorne. Wir arbeiten stark daran und sind auf der Produktseite relativ weit.

    Sie sagten, Singapore startet am 4. Januar. Wie sieht es mit den anderen Airlines aus?

    Es gibt hier keinen fixen Termin, sondern einen gestaffelten Roll-out. Der Content wird 2021 integriert, es ist aber von Markt zu Markt und Produkt zu Produkt unterschiedlich.

    In diesem Jahr gab es mit der Kündigung von Lufthansa und dem Start der Kooperation mit Google zwei einschneidende Ereignisse bei Sabre. Wie ist der aktuelle Stand mit der LH Group?

    Die Kündigung hat in den DACH-Märkten für viel Unruhe gesorgt. Der Content ist unverändert im GDS verfügbar. Nun laufen die Verhandlungen mit der Gruppe, wir kommen gut voran und sind sehr optimistisch für einen neuen Vertrag. Wir schaffen eine neue Basis, auch im Hinblick auf NDC.

    Was können Reisebüros aus der Kooperation von Sabre mit Google erwarten?

    Unsere Partnerschaft mit Google hat drei Schwerpunkte: Erstens geht es um die Migration unserer IT-Infrastruktur Google Cloud; zweitens werden wir die Datenanalyse-Tools von Google nutzen, um unsere Produkte zu verbessern; und drittens arbeiten wir in den Bereichen Innovation und Entwicklung eng zusammen – hier sind Sabre Travel AI und die Smart Retail Engine die ersten Ergebnisse. Wir bringen unser Know-how aus der Touristik mit ein und haben mit Google den passenden Partner gefunden. Sabre hat es sich zum Ziel gesetzt, bis 2025 einen Marktplatz für personalisiertes Reisen zu schaffen und dafür ist die Zusammenarbeit mit Google eine wichtige Grundlage.

    Wann können die Kunden mit den ersten Produkten rechnen?

    Geplant ist der Start im ersten Quartal 2021. Das erste Produkt wird der Smart Retail Engine sein, mit dem unsere Airline-Kunden die Entwicklung und den Vertrieb ihrer Angebote mithilfe von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen verbessern können. Welche Fluglinien die ersten sein werden, kann ich noch nicht sagen.

    Hier zeigen sich die Defizite der Digitalisierung in der Touristik. In Deutschland hat eine Studie hier einen großen Nachholbedarf festgestellt, wahrscheinlich wird die Situation in der Schweiz ähnlich sein. Wie ist Ihre Einschätzung?

    Dem kann ich nur zustimmen. Die technische Infrastruktur lässt zu wünschen übrig. Der Push des Digitalen findet jetzt statt, da dürfen sich die Reisebüros nicht ausschliessen, sie können und müssen ihre Verkaufsmöglichkeiten vergrössern. Die digitalen Möglichkeiten wie VR-Brillen oder den Einsatz von Tablets sind ja vorhanden. Aber leider kommen die grossen Veränderungen nicht aus der Branche. Hier machen die Fortschritte mit der Künstlichen Intelligenz den Unterschied: So kann ich den Kunden mit cleveren digitalen Produkten während und nach der Reise begleiten und ihm nach der Rückkehr gleich eine Inspiration für die nächste Reise bieten.

    (Interview: Wolfram Marx)