«Wir werden nicht zum deutschen TO» (Ausgabe 2015-30)

Kuoni-Schweiz-CEO Marcel Bürgin über die Zukunft mit DER Touristik und die aktuellen roten Zahlen.

Herr Bürgin, wie zufrieden sind Sie, dass Kuoni Schweiz künftig zur DER Touristik gehört?

Sehr! Es ist eine Wunschlösung, meiner Meinung nach sogar die beste Lösung von allen Interessenten. Die beiden Firmen ergänzen sich sehr gut, haben ähnliche Strukturen und Produkte. Wir passen dort beinahe besser dazu als zur Kuoni Group (lacht), die ja schon auf sehr heterogenen Geschäftsfeldern unterwegs ist. Auch bei den Mitarbeitern ist der Grundtenor sehr positiv.

Wie gross war zuvor denn die Unsicherheit in der Firma, die immer wieder angesprochen wurde?

Gar nicht gross. Ich weiss nicht, wer das verbreitet hat. Die Mitarbeiter waren gut informiert, die Stimmung war immer positiv. Dazu gibt es klare Fakten: Die Fluktuation war sogar geringer als in der Vorjahresperiode, und wir haben keine einzige Schlüsselfigur verloren. Wir haben heute gleich viele Mitarbeiter wie Ende Dezember. Natürlich waren wir alle neugierig, aber verunsichert? Nein. Der operative Modus lief genau gleich weiter, es wurden Filialen renoviert, wir haben in unser System Tango investiert etc.

Also gab es keinen Investitionsstopp?

Nein. Investitionen wurden von Fall zu Fall entschieden. Mit ganz teuren, langfristigen Investitionen haben wir zugewartet. Zum Beispiel haben wir die Badeferienschiene bei Tango vorerst noch nicht weiterentwickelt, sondern warten einen Produktionszyklus ab. Aber ich fühlte mich im letzten halben Jahr in meinen Tätigkeiten nicht stark blockiert.

Trotzdem: Konzernchef Peter Meier hat für Kuoni Schweiz rote Zahlen angekündigt. Wie schlimm ist es?

Über Zahlen sprechen wir nicht. Es ist noch früh, und wir hoffen noch auf etwas Regen in der Schweiz. Aber ja, wir mussten aufgrund des Euro-Effekts die Preise um 15% auf unsere Kosten senken, das frisst einen guten Teil des Gewinns. Auch die Überkapazitäten im Chartermarkt trugen zum Preiszerfall bei. Da sind wir nicht alleine, ein Grossteil der Branche blutet.

Die Unsicherheit über die Zukunft von Kuoni spielte sicher auch eine Rolle.

Das glaube ich nicht, nein. Zumindest bei den Stammkunden im B2C-Bereich nicht. Im B2B-Bereich haben wir wohl etwas verloren, das will ich natürlich nicht unterschätzen. Im Verhältnis hat der Anteil des Fremdvertriebs tendenziell abgenommen. Aber so genannte «Shifter» hat es bei den Reisebüros schon immer gegeben, genauso wie es auch weiterhin sehr treue Büros gibt. Ausserdem glaube ich nicht, dass all diese Umsätze zu anderen Schweizer TOs gingen; viele haben wohl wegen des starken Frankens auch zu ausländischen TOs geshiftet. Im Badeferienbereich geht halt enorm viel über den Preis. Wenn wir da die von mir erhofften Skaleneffekte mit DER Touristik realisieren können, werden wir mit tollen neuen Möglichkeiten auf unsere Agenten zugehen können.

Sie sprechen die Crossborder-Problematik an. Wird Kuoni Schweiz mit dem neuen Eigentümer in den Augen der Leute nicht auch zum deutschen TO?

Das glaube ich nicht. Denn all unsere Marken wurden ja übernommen oder das Nutzungsrecht für viele Jahrzehnte gesichert. Wir haben in den letzten Jahren innerhalb der Kuoni Group bereits vereinzelte Einkaufsaktivitäten zentral organisiert, etwa via Kuoni Skandinavien. Dies hat der Reisende gar nicht wahrgenommen und würde dies bei etwaigen Veränderungen auch künftig nicht tun. Dort wo es den Kunden betrifft, waren und bleiben wir schweizerisch: Die Filialmitarbeiter sprechen weiterhin Schweizerdeutsch, die Lieblingsmitarbeiterin von Kunde X arbeitet weiterhin in Filiale Y etc. Nicht einzelne Prozesse sind entscheidend, sondern die «Veredelung» des Produkts sowie der Mehrwert beim Know-how und Service.

Wie genau geht es denn nun weiter mit DER Touristik?

Der Verkauf wurde angekündigt, nun prüft die EU-Kommission die wettbewerbsrechtlichen Aspekte – wobei da keine Hindernisse zu erwarten sind. Kuoni Schweiz hilft beim Zusammentragen der notwendigen Unterlagen. Bis Ende September sollte dann das offizielle «Closing» erfolgen. Inzwischen bereiten wir uns auf die Zeit vor, in welcher wir nicht mehr an den Kuoni-Konzern gekoppelt sein werden. Da geht es um Leistungen, welche wir aktuell gemeinsam nutzen: Versicherungspolicen, HR-Systeme und dergleichen. Hilfreich ist, dass wir bereits heute sehr autonom organisiert sind.

Und Sie diskutieren mit DER Touristik über die künftigen Schritte?

Nein, dürfen wir nicht. Wir gehören legal noch zur Kuoni Group und sind ein Konkurrent von DER Touristik. Wettbewerbsrelevante Gespräche über Strategie, Preise, Verträge etc. sind aus rechtlichen Gründen absolut tabu. Aber gemäss den Aussagen von DER-Touristik-CEO Sören Hartmann gehen wir davon aus, dass Kuoni Schweiz weiterhin als Kuoni Schweiz funktionieren wird. Deshalb werden wir uns danach entsprechend einbringen können. 

Sie haben vorhin Skaleneffekte angesprochen. Wo sind diese möglich?

DER Touristik betreibt ein ähnliches Geschäft wie wir – wenn wir gemeinsam auftreten, haben wir mehr Power. Ich verspreche mir Skaleneffekte im Einkauf, aber auch beim Know-how werden wir gegenseitig profitieren können. Und warum nicht auch z. B. beim Papierpreis für den Katalogdruck. Wie gross diese Effekte sein werden, lässt sich heute aber noch nicht sagen. 

Die besten Synergien würde man wohl erzielen, wenn man Abteilungen zentralisiert. Fürchten Sie – gerade im Pauschalgeschäft – nicht um den Produktionsstandort Schweiz?

Ich glaube nicht, dass unsere heutige Organisation prinzipiell in Gefahr ist. Wir haben in den letzten Jahren unsere Strukturen bereits stark gestrafft, und viele Aufgaben wie den dynamischen Einkauf übernimmt heute unser System Tango. Wie wir die Prozesse genau organisieren, werden wir sehen; vielleicht gibt es Anpassungen, vielleicht nicht. ITS Coop hat auch Mitarbeiter in der Schweiz und baut sogar noch aus. Die Aussage von DER Touristik ist: «Wir wollen wachsen!» Dazu braucht es motivierte Mitarbeiter. Sy-nergien heisst nicht automatisch auch Stellenabbau.

Urs Hirt / Stefan Jäggi