«In zehn Monaten ist mehr gegangen als in acht Jahren» (Ausgabe 2006-41)

Nach der Übernahme der Verantwortung für die bedeutendste Marke im Hause Travelhouse stellt sich Daniel Renggli den Fragen von TI.

Herr Renggli, was war für Sie  neu beim Inhouse-Wechsel zu Sierramar?
Sehr vieles, denn wir hatten vorher drei Kulturen in derselben Firma. Da musste man sich finden. Da haben wir stark daran gearbeitet. Das Resultat ist die neue Organisationsstruktur, die wir per 1. November einführen (Anmerkung der Redaktion: siehe TOP STORIES). Ich glaube mit der Trennung in Produktion und Verkauf schaffen wir gute Voraussetzungen für den künftigen Auftritt.

Was haben Sie in den letzten neun Monaten denn weiter verändert?
Als ich Sierramar übernahm, standen wir schon in der Hochsaison. Wir haben bislang noch so gearbeitet, wie wenn Opus Opus, Falcon Portugal noch Falcon Portugal und Sierramar traditionell noch Sierramar wäre. Wir hatten also unterschiedliche Abläufe, die wir nun vereinheitlichen. Wir möchten generell den Kunden mehr in den Mittelpunkt stellen und unsere Mitarbeitenden näher hin zum Verkauf führen. Wir waren hierarchiegeprägt und hatten fast zu viele Hierarchie-Stufen.
Wir sind von der Tradition und Kultur her keine Firma, in der man sagen kann, morgen verkaufst Du etwas anderes. Die Mitarbeitenden identifizieren sich mit ihrer Destination. Wir sind schon auf einem sehr guten Weg, also wollen wir ihn zu Ende gehen.

Kam es in den letzten Monaten zu vielen Personalwechseln?
Ja, wir hatten Fluktuationen. Das muss nicht unbedingt mit mir zu tun haben. Neue Situationen führen oft zu neuen Beurteilungen. Zwei Verkaufsmitarbeitende haben so reagiert. Alle Kaderleute sind aber noch da.

Agenten sagen, Sierramar sei ein Problemfall.
Sierramar ist lange gewachsen und dabei vielleicht ein bisschen fett geworden. Dann kamen Rückgänge, und da tut man sich beim Abspecken schwer. Aber die Lage war nie kritisch, und nun haben wir das Ganze wieder im Griff. Vergessen wir nicht: In den letzten acht Jahren ist nicht so viel gegangen, wie in den letzten zehn Monaten.

Wie hoch ist das Umsatzvolumen an den Destinationen?
Bei Travelhouse in Europa macht Sierramar rund 40% aus. Die wichtigste
Destination ist Portugal, das ist eigentlich der grösste Anteil, dort machen wir etwa 30% des Umsatzes, weitere 25% in Spanien mit Festland und Inseln. Der Rest stammt aus Italien, Marokko, Frankreich und Griechenland, die relativ nahe beieinander liegen. Griechenland, ein neues Produkt, ist jetzt massiv am Aufholen. Vor allem in der Westschweiz hat das Angebot eine hohe Akzeptanz.

Wie hebt sich das Angebot des Spezialisten Sierramar von anderen ab?
Bei der Kompetenz der Mitarbeiter. Die PMs konzentrieren sich  auf ihr Gebiet und verfügen über langjährige Erfahrung. Wir haben zum Beispiel Marokkaner im Team von Marokko, die das Land wirklich kennen. Und wir versuchen, die Leute  für diese Destinationen aufzubauen, ohne an Flexibilität zu verlieren. Ich bezweifle manchmal bei anderen Veranstaltern, ob die Mitarbeitenden, die für die Kataloge verantwortlich sind, jeweils das Land oder die Länder gut kennen. Unsere Mitarbeitenden sehen sich das Land an und kennen die Leute. Sie produzieren einen glaubwürdigen Katalog, auch wenn sie vielleicht nicht jedes kleinste Detail kennen. Im Endeffekt kommt der Vermarktung ein hoher Stellenwert zu, und da sieht der Konsument nicht immer, ob der Produzent das Produkt kennt oder nicht.

TUI Suisse ist Generalist und möchte auch nichts anderes sein, aber viele andere TOs wollen auch Spezialist sein. Diese Entwicklung gibts bereits in Deutschland. Dort ist der Einsatz der Generalistenmarken rückläufig, die Spezialistenmarken nehmen tendenziell zu. Am Schluss sind alle Spezialisten, und die grosse Masse vergisst man. Irgendwo frage ich mich einfach, ob man dabei nicht die Glaubwürdigkeit verliert. Ich kann nachvollziehen, dass Hotelplan den Charakter und das KMU-Gefühl im Betrieb haben will. Aber dass sich jetzt alle in Richtung Spezialist bewegen sollen, das hinterfrage ich. Das Know-how, unser Kapital, kann uns niemand nehmen,

Wie sieht Ihre Strategie aus?
Das hängt von der Destination ab. Wir sind dazu verurteilt, auch ein Badeferien-Anbieter zu sein, wir können gar nicht anders. Griechenland wäre zum Beispiel auch toll als Individual-Reiseland, aber wenn man Griechenland nicht mit Charter anbietet, kann mans gleich vergessen.
Wir brauchen das Badeferien-Geschäft, wir müssen aber nicht der günstigste Anbieter, sondern einfach bei den Leuten sein. Wir wollen es aber besser machen als andere. Wenn uns jemand anspricht, kennt der Mitarbeiter das Hotel oder den Besitzer. Das pflegen wir, es kostet aber auch etwas  mehr. Darum können wir auch nicht der günstigste TO sein, dafür qualitativ der Beste. Daran arbeiten wir, denn wir sind noch nicht top.

Ist es denkbar, dass weitere Destinationen angeboten werden?
Denkbar ist vieles, aber wir werden weder die Türkei noch Ägypten anbieten. Da geht es um ein Massengeschäft, das über den Preis läuft. Wir sehen uns als Botschafter unserer aktuellen Destinationen und möchten diese wirklich
rüberbringen.
Momentan ist nichts in Planung, wir müssen vielmehr versuchen in Südeuropa unsere Position zu stärken.

Chris Probst