Reisebüro versus Supermarkt? (Ausgabe 2006-45)

Hans-Rudolf Baumann über die Konkurrenzsituation im Reisevertrieb

Davon können Reisebüros nur träumen: Am Dienstag sollen beim Grossverteiler Coop pro Minute bis zu fünf Swiss-Tickets verkauft worden sein. Insgesamt hat Coop 32000 solcher Tickets verramscht. Zur gleichen Zeit wurden auch Filialen des Konkurrenten Migros gestürmt – dort konnten verbilligte Tageskarten der SBB erworben werden. Der orange Riese hat 100000 solche Tickets auf den Markt geworfen. Die beiden Grossverteiler sind aber auch anderweitig – zwar auf unterschiedliche Weise – im Reisegeschäft tätig. Coop legt in ihren Filialen den Katalog der jungen Tochter ITS Coop Travel auf, in Migros-Filialen findet man die schmale Broschüre von M-Travel. Werbung für Reisen wird auch bei Denner, Diga und Pick Pay betrieben, und die seit einem Jahr in der Schweiz aktive Discountkette Aldi trägt sich offensichtlich mit dem Gedanken, ebenfalls in den Reisemarkt einzusteigen.

Die Verkäufe von Flug- und Bahn-Tickets durch Coop und Migros sind in der Reisebranche nicht goutiert worden. Weniger wegen entgangener Verdienste (null Prozent Kommission lässt grüssen), als viel mehr wegen der dadurch weiter in die Köpfe der Konsumenten eingehämmerten Auffassung, Reisen sei zu einem immer währenden billigen Spass geworden. Natürlich hat das Verramschen von Tickets nicht eigentlich mit dem Vertrieb jener Produkte zu tun, welche im Reisebüro über den Counter gehen. Denn was im Reisebüro zählt und unter dem Strich auch Geld einbringt, ist der Verkauf von Reisen, welche auf Grund einer Beratung und dank eigener Leistungen der Mitarbeitenden zu Stande kommen. Dies können Baukasten-Reisen aus dem Katalog eines Tour Operators sein, oder – noch interessanter – selbst zusammen gestellte Rundreisen.

Die Frage «Reisebüro versus Supermarkt?» stellt sich deshalb nicht. Vom Supermarkt-Geschäft kann die Reisebranche einzig lernen, dass es attraktive Aufhänger braucht, um die Leute in die Läden zu locken. Aber: Attraktiv ist nicht nur, was billig ist – im Gegenteil. Insofern liegt der Branchenverband SRV mit dem Motto «travel know-how – our passion, our future!», das im Vorfeld der grossen ans Publikum gerichteten Imagekampagne vom Frühling 2007 branchenintern zur Bewusstseinsbildung und gesundem Selbstbewusstsein führen soll, goldrichtig. Lassen wir also Billiges dem auf Billiges spezialisierten Vertrieb und konzentrieren uns auf inhaltlich Attraktives – ohne zu vergessen, dass auch attraktivste Angebote beworben werden müssen.