Kommt jetzt die grosse Ernüchterung? (Ausgabe 2006-35)

Chris Probst über Reiseportale im Internet

Die Reisebüros und das Internet: nicht unbedingt die grosse Liebe! Anfangs sah man das Web als grosse Gefahr  – vor allem für die Kleinen. Später fand bei vielen Reisebüro-Chefs ein Umdenken statt. Man könnte ja das Internet nicht als Feind, sondern als Freund betrachten. Mit einer eigenen Website würde man die Aufträge nicht an die grossen Veranstalter oder an ein globales Reiseportal verlieren. Noch mehr: Man würde mit einer guten Homepage unzählige Kunden dazu gewinnen, die sonst gar nie auf die Idee kämen, ins kleine Reisebüro zu gehen. Also kein Fluch, sondern der grosse Segen!

Eines der ambitiösen Projekte in diesem Umfeld war Smarttravel.ch. Die Initianten wollten mit diesem Reiseportal keine kleinen Brötchen backen, denn man verglich sich beispielsweise mit Ebookers. Zur damaligen Zeit schien die Strategie richtig. Die Bemühungen waren ehrenwert, denn man wollte mit Smarttravel ein Portal auf die Beine stellen, das den kleineren Retailern als kostengünstiges Tool dienen sollte, bei dem sogar Kommissionen zu holen gewesen wären.

Heute folgt vielerorts die Ernüchterung. Smarttravel.ch überlebte nur ein paar Monate. Die Firma bleibt zwar für künftige Projekte bestehen, musste aber durch Umwandlung von Darlehen in Stammkapital saniert werden. Smarttravel ist nicht das einzige Projekt, das sich in Luft aufgelöst hat. Auch andere Betreiber von Reiseportalen mussten einsehen, dass es nicht so einfach ist. Eine gute Website ist nicht zum Nulltarif zu haben. Sie verschlingt Unmengen an Geld. Wenn dann noch verschiedene Firmen und Personen involviert sind, wird die Sache auch nicht einfacher.

Hingegen sprechen die Verantwortlichen von Webtravel.ch von einem Erfolg. Was hat man anders gemacht? Es ist nicht so, dass mit Webtravel hunderte von Buchungen generiert werden. Scheinbar will und braucht man das gar nicht. Denn der Zweck der Website scheint ein anderer zu sein als bei Smarttravel. Gian Marco Caderas von Traveller Chur, einer der Begründer, nennt den Hauptzweck von Webtravel: Informationsquelle für die Kunden und Ausstrahlung von Kompetenz des Reisebüros gegenüber den Kunden. Dieses Ziel zu erreichen ist realistisch, allerdings ist der Aufwand gross. Die
Investitionen für ein gutes, informatives und umfangreiches Reiseportal – und dazu gehört Webtravel – waren sicher hoch. Und beim Gewinn, den man anscheinend ab dem ersten Tag erzielt hat, sind die Initialkosten sicher nicht eingerechnet.