Fünf Jahre «9/11» (Ausgabe 2006-36)

Hans-Rudolf Baumann zum Jahrestag des Jahrhundert-Attentats

Am Montag ist es fünf Jahre her seit dem «11. September». Das Datum selbst ist zur Bezeichnung für Terrorismus schlechthin geworden. Die Tragödie in Amerika führte zu Kursstürzen, wirtschaftlichen Krisen, politischen Spannungen, neuen Kriegen – und der Gewissheit, dass Staaten Sicherheit als Grundrecht ihrer Bürger nicht wirklich garantieren können.

Die Auswirkungen in der Reisebranche sind bekannt: Kurz nach dem Anschlag erlitt die Swissair ihr Grounding, die US-Airlines mussten sich jahrelang restrukturieren. Der Krieg im Irak, eine direkte Folge von «9/11», war für den Tourismus ebenso wenig förderlich wie der Bombenterror in Madrid oder London, in Ägypten oder Jordanien, in Israel oder der Türkei.

Aber: Die Menschen reisen wieder vermehrt.
Wo ein Anschlag passiert, bricht der Tourismus nicht mehr sehr dauerhaft ein. Die Tourismusbranche hält immer Alternativen parat. Diese Rolle der Branche wird aber auch oft kritisiert.

Tourismus ist aber meist nicht kulturzerstörend, sondern kann direkte Anschauungen und positive Erfahrungen mit andern Völkern und Kulturen vermitteln und so der Völkerverständigung dienen. Wenn nun bestimmte Zielgebiete überhaupt nicht mehr oder zumindest weniger bereist werden, straft man jene, die ihre Existenz dem Tourismus verdanken, und gibt letztlich jenen nach, welche die Welt zurück in die Steinzeit bomben wollen. Und bleiben gefangen in unseren Vorstellungen.

Es ist belegt, dass Personen, welche die USA bereist haben, den dortigen Vorgängen differenzierter entgegentreten. Diese Personen würden und werden auch wieder in die USA – oder eben nach London, Madrid oder Amman – reisen. Man darf nicht zulassen, dass die dramatischen Ereignisse von 9/11 frühere eigene Erfahrungen überlagern. Falsche Versprechungen und abenteuerliche Behauptungen von Händlern im Bazar etwa, die bisher als reizvolles Lokalkolorit und «orientalisches Flair» zum gelungenen
Ferienerlebnis beitrugen, könnten auf einmal als respektloses Verhalten von Muslims gegenüber «Ungläubigen» rekonstruiert werden.

Um dies zu verhindern, braucht es differenzierte Beratung von echten Spezialisten im Reisebüro, welche Gefahren und Erlebnis-Chancen richtig einzuschätzen wissen. Insofern hat 9/11 wohl dazu beigetragen, dass vermehrt wieder fachliches Know-how gefragt ist. Einfache Buchungen an «sichere Orte» kann ja inzwischen im Internet jedermann vornehmen.